Der flächendeckende Mindestlohn hat in Deutschland eine größere Reichweite entfaltet als im Vorfeld erwartet wurde. Dass es dennoch bislang zu keinem massiven Stellenabbau gekommen ist, dürfte den vielfältigen alternativen Anpassungsreaktionen der Unternehmen und der guten konjunkturellen Arbeitsmarktlage zu verdanken sein.
Dies sind die zentralen Ergebnisse umfangreicher Forschungsarbeiten des ifo Instituts basierend auf dem ifo Konjunkturtest und einer gesonderten Betriebsbefragung in der gewerblichen Wirtschaft des Freistaats Sachsens [1]. »Die Reichweite des Mindestlohns endet bereits heute nicht bei 8,50 € je Stunde. Der Kostendruck auf die Unternehmen dürfte demnach höher sein, als bislang in den maßgeblichen Schätzungen berücksichtigt wurde«, erläutert Michael Weber, Arbeitsmarktforscher in der Dresdner Niederlassung des ifo Instituts.
Lohnabstand zwischen Hoch- und Geringqualifizierten
Zu der höheren Reichweite des Mindestlohns dürfte beigetragen haben, dass sich viele Unternehmen genötigt sahen, den Lohnabstand zwischen Hoch- und Geringqualifizierten auch nach Einführung des Mindestlohns aufrechtzuerhalten. In einer vom ifo Institut begleiteten Sonderumfrage in der gewerblichen Wirtschaft des Freistaats Sachsens gab jeder dritte vom Mindestlohn betroffene Betrieb an, auch Löhne oberhalb der Grenze von 8,50 € je Stunde mindestlohnbedingt angehoben zu haben. Jeder zehnte Betrieb war nach eigener Aussage allein wegen solcher Mindestlohneffekte auf die höheren Lohngruppen vom Mindestlohn betroffen. Ergänzende Befragungen im Rahmen des ifo Konjunkturtests zeigen, dass 13 Prozent der ostdeutschen und sogar 17 Prozent der westdeutschen Unternehmen die eigene Betroffenheit vom Mindestlohn vor der Einführung der Lohnuntergrenze unterschätzt haben.
Vielfältige Reaktionen
Die betroffenen Unternehmen reagierten auf die Kostensteigerungen vielfältig: Sie erhöhten ihre Preise, stellten Investitionen zurück, kürzten die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten oder strichen Sonderzahlungen. Soweit möglich, versuchten die Unternehmen einen Stellenabbau kurzfristig zu vermeiden. Gleichwohl sind bereits im ersten Jahr nach der Einführung des flächendeckenden Mindestlohns deutliche mindestlohnbedingte Rückgänge in der Einstellungsbereitschaft der Unternehmen zu beobachten. Am stärksten sind die Beschäftigungswirkungen bei den Geringqualifizierten.
[1] Die Ergebnisse beruhen auf einer Betriebsbefragung in der gewerblichen Wirtschaft des Freistaats Sachsen im Februar 2016, an der sich insgesamt 2.668 Betriebe beteiligten, sowie auf dem ifo Konjunkturtest, an dem monatlich ca. 7.000 Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, des Bauhauptgewerbes, des Großhandels und des Einzelhandels teilnehmen.
Die vollständigen Umfrageergebnisse zum Thema Mindestlohn finden Sie in Heft 03/2016 der Zeitschrift »ifo Dresden berichtet« sowie in der ifo Dresden Studie Nr. 77 mit dem Titel »Auswirkungen des flächendeckenden Mindestlohns auf die gewerbliche Wirtschaft im Freistaat Sachsen«, die heute erschienen sind. Die Beiträge können unter www.cesifo-group.de/dresdenberichtet beziehungsweise www.cesifo-group.de/dresdenstudien kostenfrei heruntergeladen werden.
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