Digitale Transformation – Standardisiert oder individuell angehen?

Digitale Transformation – Standardisiert oder individuell angehen?

Digitale Transformation sowie Individual- vs. Standard-Software – diese Begriffe subsummieren eine Kette an Herausforderungen, mit denen sich zahlreiche Unternehmen konfrontiert sehen. Wo setzt man an, um im Zeitalter der Digitalisierung optimal aufgestellt zu sein? Und welche Software setzt man dazu ein? Einige Denkanregungen für die Praxis.

Der aktuelle Mega-Trend heißt Digitalisierung. Branchen-, ziel- und anwendungsübergreifend hält er mehr und mehr Einzug sowohl in die Berufs- als auch in die Privatwelt. Die sich daraus ergebenden Ansprüche an die IT sind aufgrund der gleichzeitigen technologischen Entwicklung umsetzbar geworden – und somit steht das Thema »Machbarkeit« nun nicht mehr zentral im Fokus.

Zur Erreichung der Geschäftsziele und Absicherung der Kundenbindung ist eine schnelle, umfassende und zuverlässige Bereitstellung von Informationen ein erfolgskritischer Faktor. Sie ermöglicht die Wahrung von Qualitätsstandards und eine gesetzeskonforme Aufbewahrung von Daten und Dokumenten bei gleichzeitiger Minimierung monetärer Risiken und stärkt die Kundenkommunikation und -bindung.

Die Anfänge der Digitalisierung – und was danach folgt. Angefangen hat der Digitalisierungstrend mit dem »Digitalen Arbeitsplatz«, also mit Themen wie Social Collaboration und Mobility. Zwar sind sie auch heute noch aktuell, erreichen aber bereits eine gewisse Reife. Die zweite Phase in diesem Prozess hat bereits begonnen: Nun ist die auf der Customer Experience fokussierte »Digital Transformation« im Blickfeld.

Mit der Digital Transformation – also der Erschließung neuer Geschäftschancen durch digitale Medien, Prozesse und Strategien – geht auch die Überlegung einher, wo man ansetzt, um sich den Ideen der Digitalisierung zu stellen: Am Prozess? An der Organisation? Und an welchem Teil der IT-technischen Umsetzung? Oftmals wird bei der Einführung von neuen digitalen Geschäftsmodellen eine Anpassung beziehungsweise Optimierung der Prozesse notwendig. Dies stellt Unternehmen zwangsläufig vor die Frage, welche IT-Strukturen und IT-Abläufe bereits vorhanden sind – und ob diese angepasst oder wiederverwendet werden können. Somit steht wieder eine »alte« Frage im Fokus der heutigen Überlegungen: Standard vs. Individual–Software-Lösungen – was ist das geeignete Vehikel, um die Anforderungen, die aus dem Digitalisierungstrend resultieren, umzusetzen?

Individuelle Software-Lösungen am Ende? Die Zeit der großen Individual-Software-Projekte nähert sich dem Ende. Kunden haben erkannt, dass der Aufwand für eine vollständig individualisierte Anwendung schwer schätzbar ist: Besonders im laufenden Betrieb und dem Application Lifecycle Management steht man vor hohen, oft schwer planbaren Kosten und Komplikationen, welche aus Abhängigkeiten von Leistungsträgern oder zu integrierenden Systemen herrühren.

Die Argumentation, dass Individual-Lösungen speziell das Innovationspotenzial der Organisationen heben beziehungsweise gehoben haben, hat sich abgenutzt. IT-Anwendungen des täglichen, privaten Gebrauchs – wie beispielsweise die Informations-Apps, Reisebuchungs-Apps und Social Media der mobilen Devices – entwickeln sich sehr schnell. In den Organisationen steigt damit die Erwartung an die schnelle Unterstützung von Geschäftsprozessen auch mittels eben dieser Anwendungen. Fachbereiche beschreiben ihre Bedürfnisse oftmals anhand von Beispielen aus dem privaten Leben analog der Idee: »diese App kann das doch auch«. Gleichzeitig fehlt aber die Zeit, groß angelegte Anforderungskonzepte und Lösungsskizzen zu erstellen und diese anschließend zu implementieren. Einen sinnvollen Weg stellt das Ausweichen auf agile Vorgehensmodelle oder die Nutzung der Funktionalitäten bestehender Standardsoftware dar.

Die Möglichkeiten von Individual-Lösungen – welchen oftmals sehr gute und saubere Architekturkonzepte für die Unterstützung der Prozesse zugrunde liegen – haben speziell die Prozesse in Richtung der Endkunden sehr sicher und einfach auswertbar, jedoch auch starr werden lassen. Ein Beispiel: Zentrale Eingangs- und zentrale Ausgangskanäle für die Kommunikation mit dem Endkunden sind die Folge. Das Problem dabei: sie werden oft nicht ausreichend mittels moderner Medien und Devices unterstützt und treffen damit nicht die Wünsche der Kunden.

Ausgelöst durch die Notwendigkeit, neue digitale Geschäftsmodelle abbilden zu wollen, beziehungsweise zu müssen werden diese Erfahrungen jedoch gerne verworfen. Im Falle der Kommunikation mit dem Kunden wird versucht, in die bestehenden Prozesse additive Insellösungen für eine Multikanalkommunikation zu integrieren: Die Nutzung von speziellen Mobile-Devices für den Inputmanagement-Bereich sowie deren Standard-Funktionalitäten wie Scannen, werden somit nur unter IT-Gesichtspunkten bewertet. Produkte und Apps werden ausgewählt und dann in bestehende Prozesse integriert.

Geeigneter wäre allerdings eine erneute Beleuchtung des Prozesses an sich. Damit erschließt man sich die Chance auf die Umsetzung einer den Gesamtprozess unterstützenden Lösung über verschiedenste Zugänge (Mobil, Web, E-Mail, etc.).

Worauf kommt es im Endeffekt an? Wie lautet nun die Empfehlung? Ganz klar: mehr Zeit auf das Durchdenken des Prozesses zu verwenden und nicht auf die IT-Lösung. Die Zeit, die benötigt wird, um die Frage Standard-Software vs. Individual-Software zu beantworten, kann ebenfalls gespart werden. Die funktionalen Anforderungen können heute weitestgehend mit Standard-Software – sei es Produkten, wie auch kleinen Helfern wie Apps – abgebildet werden. Die Vorteile hinsichtlich Sicherheit, Compliance und Governance sprechen deutlich für die Nutzung von Standardlösungen. Und: Zögern Sie nicht zu lange! Sonst bildet sich, durch die nicht unter Kontrolle befindlichen Lösungen, erneut eine »Schatten-IT« – und das wird kein Verantwortlicher wirklich wollen.


autor_andré_vogtAndré Vogt,
Direktor Enterprise
Information Management (EIM), CENIT AG

 

 

Illustration: © Michael D Brown/shutterstock.com