Eine langfristige Geschäftsstrategie muss immer auch die IT-Perspektive berücksichtigen. Kosten und Nutzen der technologischen Neuerungen sind gegen die marktseitigen Chancen und Risiken auszubalancieren. Dann gelingt die konsequente Ausrichtung der Wertschöpfung im Sinne
der Geschäftsstrategie.
Sind deutsche Unternehmen auf die zukünftigen Herausforderungen vorbereitet, sind Strategien, Strukturen und Prozesse auf Globalisierung und Digitalisierung hin adaptiert? Glaubt man der Studie »Digital Europe« des McKinsey Global Institute, so nutzt Deutschland bislang nur zehn Prozent des digitalen Potenzials.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Zwar wird der Zugang zu digitalen Technologien in Zeiten transparenter Märkte immer einfacher und IT-Dienstleister offerieren ein umfangreiches Serviceangebot von Consulting bis Outsourcing, das den individuellen Bedarf passgenau abdecken kann. Zudem steigt der Druck durch innovative Wettbewerber, die mit Mitarbeitern der Generation Y inmitten der technologischen Neuerungen aufgewachsen sind und daher eine natürliche Affinität zu IT aufweisen. Beispielhaft seien die Fin- und Insurance-Tecs aufgeführt, die den Global Playern der Finanzbranche aufgezeigt haben, was moderne und kundennahe digitale Lösungen vermögen.
Herausforderungen einer Transformation. Die häufigsten Hinderungsgründe sind in historisch gewachsenen Strukturen und Denkmodellen, Prozessen und Mustern sowie veralteten Technologien zu finden. Zum einen ist dem Menschen im Allgemeinen Veränderung zuwider. Eingeübte Verhaltensmuster bedeuten Beständigkeit, Sicherheit und Anerkennung, neue Prozesse und Technologien verursachen daher zunächst passiven oder aktiven Widerstand. Dieser kann zwar effektiv beseitigt werden, in dem Middle und Top Management die Change-Manager-Rolle annehmen und aktiv (vor)leben. Doch auch in den oberen Führungsebenen fallen Entscheidungen zu disruptiven Veränderungen schwer, sind doch die Änderungen allzu umfassend, tiefgreifend und damit langwierig und teuer. Zumal die Mehrheit der Change-Initiativen die gesteckten Ziele nicht erreicht. Meist handelt es sich um prozessuale und technologische Herausforderungen, die auch das Kerngeschäft betreffen – von zentraler Datenhaltung, optimierter Usability in der Datenerfassung und -verarbeitung bis hin zu verbesserter Effizienz und höherer Automatisierungsquote. Nicht zu vergessen die Umsetzung rechtlich-regulatorischer Anforderungen, Compliance und IT-Security, sind innovative Trends doch allzu oft gepaart mit datenschutzrechtlichen Fragestellungen.
Die Notwendigkeit der End-to-End-Betrachtung. Letztendlich reift in der Mehrheit der Unternehmen die Erkenntnis, dass die künftigen Herausforderungen nicht halbherzig angepackt werden können. Eine konsequente und strukturierte Umsetzung bedeutet dann auch, schonungslos die Ist-Situation festzustellen, faktenbasiert zu analysieren und Optimierungspotenziale vorzugsweise als Quick-Wins zur Umsetzung zu bringen. So geht der Erneuerung und Modernisierung der Anwendungslandschaften eine Prozessanalyse und -optimierung im Regelfall voraus. Am effektivsten lässt sich dies durch angeleitete Anwenderinterviews mit den jeweiligen Fachexperten und Prozessverantwortlichen erreichen. Neben der Betrachtung von konkreten Anwendungsfällen aus dem Tagesgeschäft kommen schnell Problemfälle zur Sprache, aus denen sich die relevanten Herausforderungen und Handlungsfelder ableiten lassen.
Die große Kunst ist hierbei, sich nicht in den Details zu verlieren, sondern die Prozessketten im Sinne einer End-to-End Betrachtung strukturiert zu analysieren. Quick-Wins sind alleine deshalb wichtig, weil nur kurzfristige Erfolge Mitarbeiter und Führungskräfte überzeugen und den digitalen Spirit erzeugen, der für umfassende strategische Neuerungen benötigt wird. Werden die Mitarbeiter soweit als möglich in die Aufnahme der Ist-Situation und Optimierung einbezogen, identifizieren sie sich zudem mit den Ergebnissen und Widerstände sinken.
Bewertung, Konzeption und Umsetzung. Die technologische Erneuerung der IT-Landschaften kann nachgelagert absolut oder evolutionär erfolgen. Zwar sprechen die hohen Investitionen für Wartung und Instandhaltung der historisch gewachsenen, heterogenen, komplexen IT-Systeme sowie fehlendes Spezialisten-Know-how für einen kompletten Ersatz durch innovative, service-orientierte Lösungen. Allerdings bergen derartige Großprojekte ein nicht zu unterschätzendes Risiko aufgrund der hohen Komplexität und geringen Erfolgsquote.
Essenziell ist in diesem Zusammenhang eine optimale Vorbereitung des Umsetzungsprojekts. Vorausgehen sollte eine Bewertung und Optimierung der betroffenen Geschäftsprozesse im Hinblick auf die angestrebten Ziele. Anschließend kann die Erstellung von Grobkonzepten beziehungsweise Anforderungskatalogen erfolgen. Das bedeutet, die Umfangsbeschreibung des konkreten Umsetzungsprojekts inklusive der beteiligten Systeme, Funktionen und Partner wird dokumentiert. Zu berücksichtigen sind dabei auch die aus den Prozessaktivitäten abgeleiteten Funktionen und Objekte beziehungsweise deren Abhängigkeiten untereinander.
Je nach Umfang des IT-Projekts bedarf es eines tiefgreifenden fachlichen und technologischen Know-hows. Die Ergebnisse der vorgenannten Schritte resultieren dann in Arbeitspakete, die in den Delivery Waves des IT-Projektes zu berücksichtigen sind. Sollen auch branchenbezogene Best-Practices und technologische Normen und Standards in Betracht gezogen werden, empfiehlt sich in der Regel die Zusammenarbeit mit erfahrenen externen Experten.
Business Services versus Business Solution. Anstelle einer Business Solution, die komplette Prozessketten abdeckt, kommen daher mehr und mehr Business Services zum Einsatz, die Legacy-Systeme um innovative Funktionalität ergänzen, ohne deren Kernfunktionalitäten zu verändern. Die Philosophie dahinter, Monolithen mithilfe intelligenter, gekapselter Funktions- und Prozessbausteine aufzubrechen, ist nicht neu. Diese Entwicklung entstand bereits mit Einführung service-orientierter Architekturen und wird durch die Business Services konsequent fortgesetzt. Dadurch gelingt es, die auf Sicherheit und Stabilität ausgelegten Kernsysteme zu erhalten und um diejenigen Funktionalitäten zu erweitern beziehungsweise dort Lücken zu schließen, wo die strategische (Neu-) Ausrichtung des Unternehmens unterstützt werden soll. Durch eine ganzheitliche Optimierung der Geschäftsprozessarchitektur kann aus gewachsenen und unübersichtlichen Strukturen die Effektivität durch einen neuen Zuschnitt der Funktionsgruppen gesteigert werden. Dadurch entsteht eine geordnete und integrierte Geschäftsstruktur, die für Änderungen der Geschäftsprozesse flexibel und offen ist.
Von der Produktzentrierung zur Kunden- und Service-Orientierung. Das digitale Zeitalter ändert die Ausrichtung der Geschäftsfelder von einer produkt-zentrierten zu einer kunden- und service-orientierten Sichtweise und fordert ein ganzheitliches Umdenken inklusive der Berücksichtigung der IT. Für welchen Lösungsansatz sich Unternehmen entscheiden, um die strategische Ausrichtung prozessual und technologisch umzusetzen, hängt letztendlich vom Handlungsdruck seitens Anbieter, Markt und Kunde sowie der Handlungsoptionen in Bezug auf die Ist-Situation ab. In jedem Fall muss eine langfristige Geschäftsstrategie immer auch die IT-Perspektive berücksichtigen. Kosten und Nutzen der technologischen Neuerungen sind sorgsam gegen die marktseitigen Chancen und Risiken auszubalancieren. Spezifische Business-Case-Analysen können helfen, eine fundierte Entscheidungsgrundlage aufzubauen. Dann gelingt die konsequente Ausrichtung der Wertschöpfung im Sinne der Geschäftsstrategie.