Innovation – Kein Buzz-Word, sondern die Zukunft für Unternehmen

Innovation hat in fast allen Unternehmen hohe strategische Priorität. Aber wie werden zukunftsweisende Strategien auf den unterschiedlichen Ebenen in einem Unternehmen umgesetzt? Welchen Stellenwert haben diese für die jeweils Verantwortlichen im Unternehmen, welche Prioritäten, Herausforderungen und Erwartungshaltungen zeigen sich hier? Diesen spannenden Fragen geht Ralf Klädtke, CTO Transportation Solutions bei TE Connectivity, nach und liefert Antworten mit Bezug auf die kürzlich von TE Connectivity veröffentlichte Forschungsstudie zum »Industrial Technology Index«.

 

Herr Klädtke, welche Erkenntnisse haben Sie zum Thema Innovation gewinnen können und welche Herausforderungen ergeben sich hieraus für die Unternehmen?

Im Rahmen unserer »Industrial Technology Index«-Forschungsstudie haben wir die Innovationskultur in verschiedenen Branchen untersucht. Besonders in den stark wachsenden und innovativen Bereichen der Elektromobilität, der erneuerbaren Energien, der künstlichen Intelligenz oder des Internet der Dinge (IoT) ist ein hohes Maß an Kreativität und auch Geschwindigkeit in der Entwicklung erforderlich, um im globalen Wettbewerb erfolgreich zu sein und auch einen Beitrag zur Bewältigung wachsender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Herausforderungen leisten zu können. In einem »New Normal«-Umfeld ist die Geschwindigkeit der Entwicklung und auch die Einführung von disruptiven Technologien erheblich gestiegen. Gleichzeitig bestehen Schwierigkeiten, die Lieferketten weltweit stabil zu halten und auch geopolitische Spannungen sind in den letzten Jahren gewachsen. Somit ist Innovation im »New Normal« eine strategische Aufgabe für Unternehmen, um Herausforderungen in Chancen zu wandeln und in einem hochgradig volatilen Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben.

 

 

»Es ist wichtiger als je zuvor, die Kundenbedürfnisse in den nächsten Jahren proaktiv zu antizipieren und nicht erst im Nachhinein zu reagieren, um erfolgreich zu sein.«

 

 

Bei Unternehmen, deren Kultur auf kontinuierlicher Innovation fußt, haben wir festgestellt, dass diese mit größerer Wahrscheinlichkeit Produkte entwickeln werden, die Trends vorantreiben und einen nachhaltigen, langfristigen Erfolg erzielen. Allerdings ist nicht zu vergessen, dass Innovation in den hochdynamischen Wachstumsfeldern komplex und sowohl von der Technologie wie auch von den Fertigungsprozessen her hohe Herausforderungen birgt. Die Entwicklung innovativer Produkte und Technologien erfordert hochspezialisierte Fähigkeiten, um mit kalkuliertem technischem Risiko die Serienfertigung in hoher Qualität und auch wirtschaftlich erfolgreich umsetzen zu können. Die hohe Motivation der Teams im Unternehmen ist der zweite wichtige Aspekt. Nur wenn die Mitarbeiter als »Ein Team« hochmotiviert, bereichsübergreifend und mit Innovationsfreude zusammenarbeiten, ist es möglich, im globalen Wettbewerb erfolgreich zu sein.

Das »Worst Case Scenario« haben wir bei Unternehmen feststellen können, bei denen Innovationen im Keim erstickt werden. Die Ursache liegt laut unserer Forschungsstudie darin, dass schlechte Organisation oder unzureichende Ressourcen die Innovationsleistung der einzelnen Mitarbeiter im Unternehmen behindern.

Des Weiteren haben wir festgestellt, dass Kundenbedürfnisse, die sich häufig und schnell ändern, die Produktentwickler vor die Herausforderung stellen, ihre Innovationsstrategien auf die attraktivsten Marktchancen auszurichten und Produktstrategien häufiger anzupassen. Unter diesen Randbedingungen ist es wichtiger als je zuvor, die Kundenbedürfnisse in den nächsten Jahren proaktiv zu antizipieren und nicht erst im Nachhinein zu reagieren, um erfolgreich zu sein.

 

Haben Sie im Rahmen der Forschungsstudie Unterschiede zum Thema Innovation bei Ingenieuren und Führungskräften feststellen können?

Für uns war es wichtig zu verstehen, welches Potenzial Führungskräfte und Ingenieure hinsichtlich von Innovationen erkennen und fördern möchten. Insgesamt gesehen sind Führungskräfte und Ingenieure sich zwar einig über die Bedeutung und das Potenzial von Innovationen, aber nicht darüber, wie sie diese definieren und wie schnell sie sie umsetzen wollen.

Im Vergleich von globalen und deutschen Ingenieuren zeigt sich, dass deutsche Ingenieure mehr Flexibilität als globale Ingenieure fordern, um ihre Innovationen umzusetzen. Im globalen Vergleich haben deutsche Ingenieure seltener die Möglichkeit, ihre Innovationen zu testen und aus Fehlern zu lernen. Zusätzlich stellen deutsche Ingenieure fest, dass es weniger flexible Prozesse gibt, um Innovationen in ihrem Unternehmen zu verwirklichen.

Der Wunsch der deutschen Ingenieure nach Flexibilität steht im Gegensatz zu den Aussagen der deutschen Führungskräfte. Globale Führungskräfte sind zu 40 Prozent der Meinung, dass Agilität und Flexibilität für den Innovationserfolg wichtig sind. In Deutschland dagegen erachten nur 24 Prozent Agilität und Flexibilität als wichtig.

 

Wie gestalten Unternehmen ihre Ausrichtung auf Innovationen und welche Prioritäten verfolgen sie?

Betrachten wir die vergangenen Jahre, zeigen Ergebnisse der Forschungsstudie, dass mehr als 75 Prozent der Unternehmen ihre Investitionen in fünf Schlüsselbereichen der Innovation bereits erhöht haben. Dazu zählen neben Cloud Computing und Fabrikautomatisierung, erneuerbare Energien, Datenkonnektivität und E-Mobilität. Betrachtet man künftige Innovationen, sind die häufigsten Prioritäten für Investitionen in den nächsten ein bis drei Jahren die erneuerbaren Energien und Cloud Computing.

Deutsche Ingenieure sind sich über die Innovationsstrategie ihres Unternehmens, einschließlich der Definition von Innovation, weniger im Klaren als globale Ingenieure. Und sie geben seltener an, dass ihre Ingenieursfunktion eine klare Definition von Innovation hat, die mit den Innovationszielen ihres Unternehmens übereinstimmt; so zeigen nur 44 Prozent der deutschen Ingenieure Zustimmung, während es global 57 Prozent sind. Dieser Mangel an Klarheit kann sich auf die Fähigkeit der deutschen Ingenieure auswirken, im bereichsübergreifenden Team hochmotiviert an Innovationen zu arbeiten und global im Wettbewerb erfolgreich zu sein.

Für die Unternehmen ist es somit erforderlich, bereichsübergreifend Innovationsteams zu bilden, die Innovationsstrategie offen zu kommunizieren und vor allem eine offene interne und externe Innovation zu fördern. Die Schaffung einer motivierenden und flexibel auf die Erfordernisse des Marktes reagierenden Innovationskultur ist sehr wichtig für den Unternehmenserfolg. Die meisten Unternehmen verfolgen einen hybriden Ansatz, der interne Ideen priorisiert. Dies belegen auch aktuelle internationale Zahlen zur Innovationsstrategie 60 Prozent der Unternehmen agieren nach dem Prinzip »Build it within« (interner Entwicklungsansatz) und 40 Prozent nach dem Prinzip »Buy from outside« (Zukauf von außerhalb). Beim firmeninternen Ansatz agieren die Mitarbeiter zunächst autark, wenden sich aber für spezielle Expertisen an externe Fachkräfte. Zentrale Herausforderung ist hier, den Markt, die technologischen Trends proaktiv zu analysieren, Kundenbedürfnisse in der Zukunft zu antizipieren und als Unternehmen ein technisch und preislich wettbewerbsfähiges Produktportfolio zeitgerecht zu entwickeln.

 

Welche Rolle spielen hier Themen wie Nachhaltigkeit oder »Talent Acquisition«?

Nachhaltigkeit und »Talent Acquisition«, die Einstellung von Talenten, sind zwei Kernelemente der Unternehmenskultur. Es sollte von hoher strategischer Priorität im Unternehmen sein, die Treibhausgasemissionen über die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens inklusive der Lieferanten zu reduzieren. Ebenso sollte der Wasserverbrauch minimiert oder der Ausschuss in der Produktion und jegliche Verunreinigung der Luft vermieden werden, um so die Nachhaltigkeit zu verbessern. Unternehmen, die in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen, haben einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit bereits in der frühen Designphase gelegt, da 80 Prozent der Treibhausgasemissionen eines Produkts bereits zu Beginn der Entwicklung definiert werden. Durch Auswahl nachhaltiger Materialen, Optimierung des Gewichtes oder Auswahl umweltschonender Produktionsprozesse können Unternehmen schneller ihre Strategien zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele umsetzen.

Unternehmen, die Priorität auf Nachhaltigkeit legen, werden positiver wahrgenommen, wenn es darum geht, Talente zu gewinnen. Ein attraktives, nachhaltiges Unternehmen ist erfolgreicher in der Gewinnung von Talenten. Und Talente machen ein Unternehmen erfolgreicher.

Für die Gewinnung von Talenten ist es auch wichtig, dass Teamarbeit gefördert wird und es eine hohe Teammotivation gibt. Im Rahmen der Forschungsstudie haben wir festgestellt, dass es hier in Deutschland starke Defizite gibt. Deutsche Ingenieure stimmen seltener zu, dass in ihrem Unternehmen bei der Suche nach innovativen Lösungen zusammengearbeitet wird. Und sie arbeiten deutlich seltener (36 Prozent vs. global 54 Prozent) mit einem internen Innovationszentrum oder -labor zusammen, um Innovationen voranzutreiben.

Nachdem Deutschland ein rohstoffarmes Land ist, hängt die Lebensqualität hierzulande stark von der Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im globalen Wettbewerb ab. In Deutschland gilt es somit, klare Innovationsstrategien zu definieren, bereichsübergreifende Innovationsteams aufzubauen, die schnell und mit hoher eigenmotivierter Leistungsbereitschaft im weltweiten Wettbewerb gewinnen wollen und ihre Erfolge feiern. Junge Talente sollten bestens integriert, gefördert und weitergebildet werden, um den Unternehmenserfolg auch im hochdynamischen »New Normal« sicherzustellen.

 

Welche Erwartungen haben die Mitarbeiter an Innovation?

Im Rahmen der Forschungsstudie konnten wir feststellen, dass mehr als 75 Prozent der Mitarbeiter erwarten, dass die Unternehmen proaktiv in Innovation investieren, neue Innovationsprozesse schaffen und die Labore für Innovation ausbauen. Darüber hinaus wird von den Mitarbeitern erwartet, dass bei der hohen Geschwindigkeit der weltweiten Innovation und disruptiven Technologien auch intensiv in die Schulung der Mitarbeiter investiert wird. Dies liegt auf der Hand – nur wenn das erforderliche Know-how schnell und flexibel im Unternehmen oder gemeinsam mit externen strategischen Partnern aufgebaut werden kann, ist es möglich, die hohe globale Innovationsgeschwindigkeit zu erreichen, um im Markt zu gewinnen.

 


 

Ralf Klädtke ist Chief Technology Officer (CTO) bei TE Connectivity für das Segment Transportation Solutions. Das Segment Transportation Solutions umfasst die Geschäftsbereiche Automotive, Industrial & Commercial Transportation, Sensors und Application Tooling (Umsatz 9,3 Mrd. US-Dollar im GJ2022).

Herr Klädtke war zuvor Co-CEO und CTO der ZKW Group.  Vor seiner Tätigkeit bei ZKW war er tätig als Vorstandsmitglied für die Schaltbau Holding AG, CEO für Airbus DS Optronics / Carl Zeiss Optronics; Vice President für EADS SPACE (jetzt AIRBUS).

Herr Klädtke war Offizier der Luftwaffe sowie Abteilungsleiter bei der Deutschen Raumfahrtagentur (DARA/DLR) und bei MAN Technologie.  Er ist Diplom-Ingenieur (Univ) für Luft- und Raumfahrttechnik.