IT in die agile Business- und Digitalstrategie des Unternehmens integrieren – Die IT ist heute der Business Enabler

Die Konnektivität sowie die hohe Nachfrage nach IT-Modernisierung, Cloud-Transformation, Datenmanagement und Prozessautomatisierung bestimmen die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Wir sprachen mit Lars Rossen, dem Global CTO von Micro Focus.


Herr Rossen, Sie sind CTO von Micro Focus, einem der großen Enterprise-Softwarehersteller, der schon lange im IT-Markt vertreten ist und viele Herausforderungen erlebt hat. Was sind die aktuell die wichtigsten Aufgaben der digitalen Transformation?

In der Tat ist Micro Focus bereits seit über 45 Jahren im Business. Daraus resultieren reichhaltige Erfahrungen und ein umfassendes Know-how, wie man auch lang etablierte, vorhandene IT-Infrastrukturen modernisiert und zum Beispiel Mainframe-Systeme in die Cloud überführt. Jedoch ist unser breites Portfolio mit über 300 Softwareprodukten insbesondere auf moderne, innovative Lösungen, vielfach für Cloud- und SaaS-Strukturen, ausgerichtet. Wir haben 4.000 eigene Entwickler, davon 150 in Deutschland, die kontinuierlich an neuer und verbesserter Software arbeiten.

Es geht aber nicht darum, Vorhandenes rigoros auszutauschen, das häufig praktizierte »Rip and Replace«, sondern darum, fließende Übergänge und Innovationen zu schaffen. Technologie ist mehr denn je ein wichtiger Katalysator für den Wandel in der Welt. Die IT ist heute der Business Enabler für Innovationen bei Produkten und Services. Sie ist gefordert, schnell und effektiv Transformationsprozesse zu ermöglichen, Stichwort »faster time to market«. Zugleich ist die Komplexität moderner, offener Infrastrukturen heute vielfach größer als früher und muss gut organisiert sein. Beispielsweise im Zusammenspiel von Managed Services und Cloud-Plattformen über AWS, Azure und zugleich den privaten Rechenzentren.

Diese Konnektivität sowie die hohe Nachfrage nach IT-Modernisierung, Cloud-Transformation, Datenmanagement und Prozessautomatisierung bestimmen die Zu-kunftsfähigkeit eines Unternehmens. Darum muss die IT frühzeitig in die agile Business- und Digitalstrategie des Unternehmens integriert sein. An dieser Stelle kommen erneut Anbieter wie wir ins Spiel, die das selbstverständlich auch mit einer wirkungsvollen Sicherheitsstrategie ergänzen, indem sie zum Beispiel eine Zero-Trust-Architektur implementieren.

 

Lars Rossen, Global CTO
von Micro Focus


Was bedeutet das konkret, wie helfen Sie Unternehmen bei ihren aktuellen Herausforderungen?

Wir setzen bei Micro Focus insbesondere auf »Open Composability«, eine offene Struktur, bei der sich Bausteine unserer Lösungen mit den Systemen unserer Kunden verknüpfen lassen. Wir glauben an Offenheit, nicht jeder braucht alle unsere Services. Ein gutes Beispiel für Open Composability ist Value Stream Management, das viele Unternehmen derzeit umtreibt. In unsere Value-Edge-Lösung lässt sich verschiedene, bereits existierende Software integrieren.

Value Stream Management (VSM) spiegelt den Wandel von einer früher punktuell anwendungsbezogenen Denkweise zu einem wertschöpfungsorientierten Mindset wider und wie durch effizientere Prozesse die digitale Transformation beschleunigt wird. Denn nicht die technischen Grenzen bremsen die Digitalisierung, sondern die Ineffektivität oder organisatorische Versäumnisse, die von VSM überwunden werden.

Open Source ist ebenfalls ein Trend, der die Open-Composability-Agenda vorantreibt, und viele Unternehmen machen sich dies zu eigen. Das führt möglicherweise zu besonderen Herausforderungen, die ein gutes Management von Open-Source-Strukturen erfordern. Auch aus diesem Grund haben wir dieses Jahr das schwedische Start-up Debricked übernommen. Debricked ist eine sehr wertvolle Ergänzung unseres Security-Portfolios mit neuen Datenanalyse-Tools, KI und Machine Learning, um die Software-Resilienz weiter zu steigern, wenn Unternehmen ihre Lösung mit Open Source und DevSecOps zusammenstellen.

Unsere Erfahrungen bringen wir seit Jahren in die Organisationen ein, die sich für die zukünftigen Standards einsetzen, wie die  Open Group oder im Bereich Value Stream das VSM Consortium.

 

 


Stichwort künstliche Intelligenz (KI), das heute in keiner Einschätzung mehr fehlen darf. Was ist Hype und was konkreter Nutzen?

Definitiv ist KI ein Kerntrend unserer Industrie. Aber künstliche Intelligenz kann auch nicht jedes Problem lösen. Es geht hier insbesondere um Informations- und Datenmanagement. Wir sehen KI heute als Baustein, um die Digitalisierung richtig managen zu können und binden sie ein, um konkrete Lösungen zu liefern. Das machen wir beispielsweise im Testing-Umfeld. Unsere Kunden müssen sich nicht direkt mit KI beschäftigen, sie ist bereits in die Lösung integriert.


Die heutigen komplexen Anforderungen an die IT benötigen ein sehr individuell auf den Kunden abgestimmtes IT Service Management. Was macht den Micro Focus-Ansatz aus?

IT-Organisationen müssen in die Lage versetzt werden, dem Business genau die Services zu liefern, die es benötigt, und zwar in der gewünschten Qualität. Dazu zählt der Aufbau und die Umsetzung von Strukturen und Prozessen, Automatisierung mit agilen DevOps-Methoden und crossfunktionalen Produktteams. Unsere Service-Management-Lösung SMAX bündelt alle existierenden IT-Services auf einer Plattform und kann die Zeiten für die Lösung von Problemen und die Erfüllung von Anfragen verringern, messen und berichten.

SMAX ist in vielen Branchen im Einsatz, zum Beispiel am Flughafen Zürich: Hier sind heute alle IT-Services über SMAX verfügbar und so können mehr als 1.700 Benutzer über ein einziges Portal auf ihre IT-Serviceanfragen zugreifen. Die umfassende Integrationsfunktion zur schnelleren Lösungsfindung und die hohe Benutzerakzeptanz ermöglichen hohe Effizienz, die ITIL-basierten Best Practices von SMAX sind ideal, um sie auch auf Prozesse außerhalb der IT auszudehnen und zukünftig weiteren Fachabteilungen die Möglichkeit zu geben, Prozesse mit SMAX zu standardisieren und zu verschlanken.


Was macht eine wirksame technische Strategie aus?

Sie sollte »decomposable«, also schrittweise bis zu den einzelnen Produkten und Modulen zerlegbar sein und dabei auch auf einer hohen Abstraktionsebene von Nicht-Technikern verstanden werden können. Langfristig geht es nicht darum, einzelne Technologien und Grundlagen auszuwählen. Eine gute Technologiestrategie kann sich über Jahrzehnte erstrecken. Das gilt übrigens auch für die Rolle des CTO, der heute zunehmend als »Change Agent« gefragt ist und zugleich sicherstellen muss, dass das Unternehmen eine dauerhaft tragfähige Strategie hat.

 


Dr. Lars Rossen ist als CTO für die gesamte Technologie- und Integrationsstrategie sowie für die Implementierung der Digital Factory für Micro Focus verantwortlich.
Die Micro Focus Digital Factory- und die Digital Value Stream-Architektur wurden von Rossen ins Leben gerufen und bilden die Grundlage für die IT4IT-Referenzarchitektur, die heute ein internationaler Standard ist und von der Open Group verwaltet wird.
Dr. Lars Rossen ist Vorstandsvorsitzender der Open Group. Er hat einen Master of Science in Maschinenbau, einen Executive MBA mit Schwerpunkt Technologiemanagement sowie die Promotion in Informatik der Technischen Universität Dänemark.

 

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