IT-Sourcing im Zeitalter disruptiver Veränderungen – Die Zusammenarbeit wird neu definiert

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Die Digitalisierung der Wirtschaft verändert nicht nur die Rolle des CIO in Unternehmen, sondern auch die komplette Sourcing-Industrie. Mit dem rapiden Preisverfall von Standard-Infrastruktur-Leistungen, der derzeit durch Cloud-Anbieter forciert wird, sowie dem explodierenden Markt an SaaS-Lösungen bricht für IT-Dienstleister auf Dauer eine wichtige Umsatzquelle weg. Das erfordert neue Geschäftsmodelle und einen veränderten Fokus der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Providern.

Wie sehen die digitalen Geschäftsmodelle von Kundenunternehmen aus und welche Rolle spielt dabei die IT? Welche IT-Services lagern Unternehmen dediziert aus und welche beziehen sie in Zukunft aus der Cloud? Womit verdient ein IT-Dienstleister sein Geld, wenn Rechnerkapazität, Speicher und Netzwerk-Services so gut wie nichts mehr kosten dürfen?

Solche Fragestellungen werden in den Strategie-Abteilungen namhafter Service-Provider derzeit intensiv diskutiert. Denn das Angebot an Cloud-Kapazitäten für standardisierte Infrastruktur-Leistungen wächst im Markt rapide. Schließlich werden Cloud-Infrastrukturen von Unternehmen nicht mehr nur für Entwicklungs- und Testzwecke genutzt, sondern sind heute schon insbesondere für x86-Anwendungen auch im produktiven Einsatz. Anbieter von Cloud-Kapazitäten wie Amazon, Microsoft oder Rackspace erobern derzeit Marktanteile. Durch das große Angebot und den intensiven Wettbewerb verfallen die Preise in einem Leistungssegment, das für etablierte IT-Dienstleister von je her ein wesentlicher und lukrativer Portfolio-Bestandteil ist. Auslagernde Unternehmen stellen sich ihrerseits auf das veränderte Marktangebot ein: beim Outsourcing von IT-Aufgaben stellen sie sich gegenüber ihren IT-Partnern wesentlich flexibler und unabhängiger auf als noch vor fünf Jahren.

Analysen weltweiter IT-Outsourcing-Verträge durch die Information Services Group (ISG) belegen, dass Unternehmen nicht nur die Laufzeit von Outsourcing-Engagements sondern vor allem die Bindefrist für einzelne Services nachhaltig reduzieren. So betrug im Jahr 2013 die durchschnittliche Laufzeit von Verträgen zwar immer noch moderate 3,9 Jahre gegenüber noch 4,7 Jahren im Jahr 2005, die Nutzungsdauer einzelner Services und Mengen hat sich aber auf wenige Wochen oder sogar Tage reduziert. Zudem suchen sich Unternehmen für spezifische IT-Aufgaben jeweils den optimalen Partner. Mehr als 50 Prozent der CIOs auslagernder Unternehmen arbeiteten im Jahr 2013 mit mehreren Dienstleistern zusammen.

Kürzere Vertragslaufzeiten und eine zunehmende Kompetenz im Management mehrerer Provider-Beziehungen verschafft den Unternehmen die notwendige Flexibilität, um IT-Leistungen stets zu einem optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis einzukaufen. Laut ISG haben 76 Prozent der weltweiten Großunternehmen eine formale Cloud-Strategie. 74 Prozent der Unternehmen, die bereits Cloud einsetzen, werden den Cloud-Anteil auf deutlich über 20 Prozent erhöhen. Das günstiger werdende Cloud-Angebot für standardisierte Infrastruktur-Leistungen trifft damit auf eine wachsende Bereitschaft und Kompetenz von Unternehmen, im Infrastrukturbereich günstige Cloud-Services zu nutzen.

IT-Dienstleister rüsten sich für den Wandel. Der Verfall von Infrastruktur-Preisen trifft die Geschäftsmodelle vieler IT-Dienstleister ins Mark. Durch den Wegfall der lange Zeit als sicher geltenden Einnahmequelle sind viele Provider zum Handeln gezwungen. Marktorientierte und konzernnahe IT-Provider werden ihr Portfolio auf absehbare Zeit erweitern beziehungsweise verändern. Damit kommt in den nächsten Jahren eine bisher nie gekannte Dynamik in den bereits heute schon von Verdrängungswettbewerb geprägten Markt.

Die Anzahl der Provider, die in Zukunft noch Infrastruktur-Services anbieten, wird drastisch sinken. Provider, die diesen Weg gehen, müssen nachhaltig wachsen. Captive Provider stehen dabei unter einem besonderen Handlungsdruck zur Veränderung, denn ihnen steht der Weg zum Wachstum im Infrastrukturbereich nicht offen. Über Skaleneffekte können sie den aggressiven Preisen der globalen Anbieter kein Paroli bieten. IT-Provider, die sich im großen Stil auf das Angebot von Infrastruktur-Services fokussieren, müssen darüber hinaus für ihre Kunden einen erkennbaren Zusatznutzen stiften. Dieser wird in Zukunft nicht mehr in der Wahrung lokaler Regulatorik-, Sicherheits- und Compliance-Anforderungen liegen. Denn dafür arbeiten die globalen Player derzeit an Lösungen. Auch Managed Services bieten auf Dauer kaum eine ausreichend große Differenzierungsmöglichkeit. Diese Services werden ebenfalls durch Cloud-Angebote adressiert.

Chancen bieten vielmehr komplementäre Infrastruktur- und Infrastruktur-nahe Services, mit denen Unternehmen ihre Konzepte zur Nutzung von Public-Cloud-Services für unkritische Anwendungsgebiete abrunden. Auf Marktstandards basierende, spezifische Privat-Cloud-Infrastrukturen sind beispielsweise vielversprechende Ansätze, auf die sich reine Infrastrukturdienstleister in Zukunft konzentrieren werden.

Digitalisierung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Wesentlich größere Spielräume zur Differenzierung bietet den marktorientierten und auch den Captive IT-Providern das gesamte Feld der Digitalisierung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Dabei wird es in naher Zukunft zunächst darum gehen, vorhandene oder neue Anwendungen für den Einsatz in Cloud-Umgebungen zu rüsten. IT-Dienstleister fokussieren darüber hinaus mehr denn je den Aufbau einer profunden fachlichen beziehungsweise branchenspezifischen End-to-End-Kompetenz. Schließlich fordern mobile Technologien, der Einzug des Internets in immer mehr Geschäfts- und Konsumenten-Produkte sowie IT-Dienste aus der Cloud permanente digitale Innovation.

Im Fokus steht dabei Software. Diese ist in immer mehr Unternehmen Kern des jeweiligen Geschäftsmodells. Nicht nur Logistikkonzerne und Paketdienste könnten bereits heute ohne Software ihren Geschäftsbetrieb nicht aufrechterhalten, sondern auch viele andere Unternehmen wie etwa Banken, Versicherungen oder Einzelhändler. Durch Software werden aber auch Geschäftsmodelle etablierter Unternehmen in Frage gestellt. Branchenfremde Unternehmen wie beispielweise Uber, Airbnb aber auch Startups, die neue Technologien im Bereich Finanzdienstleistungen (FinTechs) anbieten, und große Konzerne wie Amazon, Google attackieren etablierte Anbieter.

Solche Marktbegleiter nutzen Software, um mit neuen Ideen und Geschäftsmodellen etablierte Playern in lukrative Nischen oder auch in ganzen Marktsegmenten Konkurrenz zu machen. Sie formen Leistungsangebote und demnach auch ihre Software primär aus der Kundenperspektive. Häufig adressieren sie Endverbraucher-Bedürfnisse nach Transparenz, einfacher Handhabung und einen größtmöglichen Nutzen für das tägliche Leben. Diese Art der Softwaregestaltung wird auch bei etablierten Unternehmen das Portfolio und damit die Wertschöpfung bestimmen. Das verändert das Anforderungsprofil an Entwicklungsteams.

Softwarespezialisten müssen nicht mehr nur Projektmanagement-Skills verfügen, sondern insbesondere auch Produktmanagement-Kompetenzen. Zudem setzen sich in digitalen Organisationen agile Softwareentwicklungsmethoden noch weiter durch, mit denen Software permanent weiterentwickelt beziehungsweise in sehr kurzen Zyklen neu erfunden wird. Darüber hinaus verfügen sie im Rahmen der datenschutzrechtlichen Bestimmungen über ausgeklügelte Mechanismen, um Daten zu sammeln, auszuwerten und dadurch Produktrelevante Informationen zu gewinnen.

Veränderte Zusammenarbeit. Marktorientierte und auch konzernzugehörige IT-Dienstleister entwickeln derzeit Kompetenzen für die anstehenden Herausforderungen in Unternehmen. Parallel zu den vergleichbaren Entwicklungen in Unternehmen bauen IT-Provider profunde Branchenkompetenzen, zeitgemäße Softwareentwicklungskompetenzen und analytische Fähigkeiten auf. Damit positionieren sie sich als Business-Process-Outsourcing-Partner, der Unternehmen bei der Gestaltung der digitalen Transformation unterstützt. Sie stärken die CIOs bei ihrer Aufgabe, die IT und hier speziell die Rolle der Business-zentrierten Softwareentwicklung im Sinne des Geschäftsmodelles eines Unternehmens adäquat zu managen.

Die neue Ausrichtung und Positionierung der IT-Provider verändert auf Dauer die Art der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und ihren Outsourcing-Partnern. Dafür müssen Aufgabenteilung sowie die Rollen in der Zusammenarbeit neu definiert werden. Sourcing Advisor, wie die Information Services Group, begleiten diesen Wandel auf beiden Seiten. Sie beraten Unternehmen und Dienstleister, in dem sie ihre Erfahrung bei der Definition und Vereinbarung bedarfsgerechter Leistungsschnitte sowie der dafür angemessenen Konditionen einbringen. Damit begleiten sie den Prozess der disruptiven Veränderungen und stärken dabei die Bedeutung des CIO im digitalen Unternehmen.


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Frank Bastian,
Partner,
Information Services Group (ISG)

 

Titelbild: © patpitchaya/shutterstock.com