Transfergesellschaften vor neuen Aufgaben – Digitale Kompetenzen vermitteln

Transfergesellschaften nach betriebsbedingten Kündigungen sollen dafür sorgen, Beschäftigte gezielt zu qualifizieren, um sie für den beruflichen Neustart vorzubereiten. Dabei ist es heute eine originäre Aufgabe, Mitarbeiter an die Digitalisierung heranzuführen.

Im Rahmen von Personalabbau und betriebsbedingten Kündigungen kann im Sozialplan die Gründung einer Transfergesellschaft unter den Voraussetzungen der §§ 110,111 SGB III beschlossen werden, um den Mitarbeitenden den Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis zu erleichtern. Ihr Träger übernimmt die Belegschaft: Die Mitarbeiter können sich so aus einem Beschäftigungsverhältnis heraus neu bewerben und zu 100 Prozent der Jobsuche und Weiterbildung widmen. Transfergesellschaften bieten hierfür eine individuelle Betreuung in Einzel- und Gruppencoachings, unterstützen beim Verfassen des Lebenslaufs und der Bewerbung oder bei der Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche.

Es zeigt sich dabei, dass Kenntnisse digitaler Prozesse als Qualifikation immer wichtiger werden: Der Lagerarbeiter muss seinen Computer für die elektronische Lagerverwaltung bedienen können und der Lkw-Fahrer hat ein Navigationssystem und eine mobile Ressourcenplanung, um sich mit seinem Disponenten zu verbinden. Auch der Bewerbungs- und Einarbeitungsprozess findet oft vollständig digital statt: Wo früher Kennenlerngespräche vor Ort geführt wurden, stellen viele Unternehmen seit der Pandemie auf Videotelefonkonferenzen mittels Online-Tools um.

Transfergesellschaften müssen digitale Kompetenzen schulen. Digitale Kompetenzen sind also eine zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermittlung. Transfergesellschaften stellt das vor die neue Aufgabe, Weiterbildungsangebote zu schaffen, um den Betroffenen die Einstiegshürden in die digitale Welt zu ebnen. Denn oft ist die mangelnde Erfahrung im Umgang mit digitaler Technologie der Grund, warum Angestellte ihre Arbeitsstelle verlieren. Häufig besteht eine große Berührungsangst der älteren Generation der »neuen« Technik gegenüber.

Ein Fehler, der auch nach dem Verlust des Jobs zu Problemen führt: Behörden und Ämter zum Beispiel verlangen eine digitale Authentifizierung, um sich arbeitssuchend zu melden; auch der Rentenantrag wird digital eingereicht – all das kann in einer Krisensituation zu großer Überforderung führen. Die erste Hürde stellt bereits der Zugang zum Internet und den Systemen dar, etwa bei den gängigen Tools für Videomeetings. Dazu gehört unter anderem das Herunterladen der benötigten Software, die Registrierung mit dem Anlegen eines Benutzerkontos und der Anmeldung. Funktioniert die Technik nicht, streikt die Kamera oder der Ton, werden unerfahrene User schnell nervös.

Hier kommt die Beratung der Transfergesellschaft ins Spiel: So sollte vor dem ersten Gespräch mit dem Klienten geklärt werden, welche Hard- und Software zur Verfügung steht. Für den Einstieg ist dann ein Tool hilfreich, das niederschwellig ist und keinen Termin, keine Zugangsdaten und keine Installation erfordert. Wie im normalen Büro können die Interessierten dann mit einem Klick anklopfen und werden vom Berater digital eingelassen. Auf diese Weise findet eine erste Gewöhnung statt, der sich dann der Umstieg auf gängige Konferenztools anschließt – und damit ein etwas erhöhter Schwierigkeitsgrad. Erst dann erfolgt die Einführung in verschiedene Tools, die im Homeoffice benötigt werden.

Wesentlicher Bestandteil sollte das Üben des digitalen Bewerbungsprozesses samt Vorstellungsgespräch vor der Kamera sein. Der Berater unterstützt dabei mit praktischen Tipps, wie sich der Kandidat ins rechte Licht rücken kann – und zwar im Wortsinn, etwa mit einer optimalen Einstellung und Positionierung der Lampe oder vor einem passenden Hintergrund. Bei einer Live-Schaltung suchen Klient und Berater dann gemeinsam den optimalen Ort und eine vorteilhafte Kameraperspektive aus. Damit wird ein 360-Grad-Feedback möglich.

Oft reicht es bereits, Angst und Respekt vor der Technik zu nehmen, so dass sich die Betroffenen sicherer fühlen und einen guten Einstieg finden. Der gelingt am besten, wenn er über den Zugang durch ein Hobby erfolgt, um Motivation und Interesse zu erhöhen. So kann zum Beispiel zu Übungszwecken eine private Feier wie eine Hochzeit oder Taufe mit Trello oder einem Canban-Board geplant werden. Der Bewerber lernt dabei, wie man die Organisationstools einsetzt und in welcher Reihenfolge man am besten vorgeht.

Auch in Sachen Datenschutz müssen die Mitarbeitenden sensibilisiert werden. Oftmals ist ihnen nicht klar, dass auch HR-Abteilungen Social-Media-Profile durchforsten, um einen Eindruck über einen potenziellen Mitarbeiter zu gewinnen. Wichtig ist daher, eine gewisse Sensibilität dafür zu schaffen, welche Daten Bewerber wie und wo preisgeben können – und welche lieber nicht.

Individuelle Beratung und Förderung. Transfergesellschaften sollten in der Lage sein, umfangreiche digitale Inhalte anzubieten: So sollten zum Beispiel online Bewerbungstrainings in mehreren Sprachen möglich sein. Wenn in einem Beratungsgespräch ein Muttersprachler individuell zugeschaltet werden kann, vereinfacht dies die Prozesse maßgeblich.

Die Arbeitsweise in Unternehmen hat sich in den letzten zwei Jahren enorm verändert und auch nach der Pandemie ist davon auszugehen, dass viele Unternehmen ihre eingeführten digitalen Prozesse beibehalten werden. Arbeitnehmer können flexibler entscheiden, ob sie vor Ort oder im Homeoffice arbeiten wollen. Dies setzt aber die digitale Bearbeitung ihrer Aufgaben voraus. Daher sollten digitale Trainings auch in Zukunft zum Alltag in Transfergesellschaften gehören.

Fazit. Transfergesellschaften machen Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote für Menschen, die ihren Job verloren haben. Doch viele Arbeitssuchende haben Berührungsängste mit digitaler Technologie. Hier können Transfergesellschaften konkrete Angebote machen, um Hürden ab- und Wissen und Routine aufzubauen. Denn der Umgang mit digitalen Tools wird immer mehr zur Voraussetzung im Job.

 


Martin Büch,
Senior Partner
bei EL-NET GROUP
www.elnet.group

 

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