ERP, BI, CRM, ECM – es gibt auch noch ein Leben außerhalb dieser Business-IT. Im PSI-Konzern, IT-Profis vor allem bekannt durch Psipenta, gibt es einen IT-Spezialisten, dessen Produkte vielen von uns tagtäglich oder auch im Urlaub begegnen: PSI Transcom. Was es mit der Software dieser Konzerntochter auf sich hat, erläutert Torsten Vogel, Geschäftsführer der PSI Transcom GmbH.
Herr Vogel, den Namen PSI dürften die meisten mit Energieleitsystemen oder Energiemanagement sowie dem Fertigungsspezialisten Psipenta in Verbindung bringen. Was verbirgt sich hinter PSI Transcom?
Der PSI-Konzern gliedert sich in verschiedene Aufgabenfelder. Und eines der Themen, das im Gesamtkonzern behandelt wird, ist das Thema ÖPNV, der öffentliche Personennahverkehr. Ähnlich wie andere Geschäftseinheiten Software für Kontrollraumtechniken zur Verfügung stellen, ist es unsere Spezialität, Softwarelösungen zu entwickeln und einzuführen, mit denen man Betriebsabläufe im ÖPNV beobachten und steuern kann.
Was heißt das in der Praxis?
Verkehrsunternehmen, ob mit Bussen oder Bahnen, haben neben kaufmännischen Prozessen auch Betriebsprozesse, die den täglichen Ablauf bestimmen. Befinden sich die Fahrzeuge auf der Strecke, muss man bei Störungen schnell reagieren, nach Alternativen suchen und dabei kontinuierlich und zuverlässig die Fahrgäste informieren. Es ist ja schon eine Herausforderung, den Regelbetrieb sicherzustellen und so umzusetzen, wie er geplant ist. Aber wenn Dinge außerplanmäßig laufen – ob Unwetter oder Streik –, muss man trotzdem den Betrieb aufrechterhalten und seine Kunden aktuell informieren. Da helfen Systeme, die den Mitarbeitern in den Leitzentralen Informationen zur Verfügung stellen: Wie ist die Situation, wie sollte sie sein, und welche Möglichkeiten gibt es, den Betrieb zu gewährleisten.
Auch am Abend, wenn die Fahrzeuge in den Betriebshöfen ankommen, gibt es Aufgaben wie die Überwachung gesetzlicher Fristen oder außerplanmäßige Kontrollen durch Schäden, die während des Betriebs aufgetreten sind. Ist eine Scheibe defekt oder macht der Motor Geräusche, müssen die Fahrzeuge in die Werkstatt zur Instandsetzung. Anschließend werden sie gereinigt und für den nächsten Tag bereitgestellt. Dazu gehört die Planung, was das Fahrzeug am nächsten Tag machen soll. Das alles sind Dinge, die man heutzutage mit IT-Systemen unterstützt. Dafür haben wir eine Softwareplattform geschaffen, aus der man verschiedene Lösungen zusammenstellen kann. Das sind einzelne Module für verschiedene Aufgabenstellungen, je nach Art und Weise der betrieblichen Anforderungen – ein S-Bahnunternehmen hat ja andere Arbeitsabläufe als ein Straßenbahn- oder ein Busunternehmen.
Gibt es jetzt individuelle Lösungen oder für alles eine Plattform, aus der sich jeder rauspicken kann, was er braucht?
Wir haben unsere Softwareplattform PSItraffic, die über alle erdenklichen Funktionskomponenten für den ÖPNV verfügt. Unsere Lösungen stellen wir dann nach der Aufgabenstellung unserer Kunden zusammen. Meist werden im Rahmen von Ausschreibungen oder Workshops die Aufgaben und Anforderungen definiert und danach gemäß klassischer Projektmanagementmethoden spezifiziert. Dann werden die Systeme von uns konfiguriert und beim Kunden eingeführt. Anschließend stehen wir natürlich im Rahmen der Wartung bei betrieblichen und technischen Fragen weiterhin zur Verfügung.
Wie sieht so ein Auftrag in der Praxis aus?
Eine der komplexesten Aufgabenstellungen finden wir im Bereich des Bus-Betriebshofs, weil hier die Vielfalt der beteiligten Mitarbeitergruppen am größten ist. Da sind die Dispatcher, die die Arbeitsvorbereitungen machen. Dann sind da die Busfahrer, die informiert werden müssen, welchen Bus sie wann auf welcher Linie fahren sollen, wo er steht, in welchem Zustand er ist. Am Ende des Tages muss die Werkstatt über planmäßige oder außerplanmäßige Instandsetzungen oder Reparaturen informiert sein. Und schließlich ist da auch noch das Management, das anhand von Kennziffern über die Effizienz in den Abläufen informiert sein will.
Diese vier unterschiedlichen Nutzergruppen mit ihren verschiedenen Ansprüchen und Aufgabenstellungen so mitzunehmen, dass sie ihre Informationen aus einem System generieren können, ist unsere Spezialität. Das kann ein grafischer Report für die Betrachtung von Kennziffern oder eine Oberfläche sein, mit der jeder Werkstattmitarbeiter auch ohne spezielle EDV-Ausbildung seine Aufgabe erkennen und lösen kann. Und auch der Busfahrer, der ja andere Aufgaben als die Arbeit mit IT-Systemen hat, erhält seine Informationen über leicht zu bedienende Displays.
Gibt es da bekannte Projekte, die wir kennen?
In jüngerer Zeit haben wir zwei größere Betriebshof-Projekte fertig gestellt. Da ist einmal die Rheinbahn, die den Straßenbahn- und Busbetrieb im Großraum Düsseldorf betreibt. Das zweite Projekt betrifft die Hamburger Hochbahn mit dem Bus- und U-Bahn-Betrieb für den Bereich Hamburg. Bei der Rheinbahn ging es darum, ein vorhandenes IT-System durch ein neues abzulösen, während es bei der Hochbahn bis dato für die Ablaufsteuerung noch kein durchgängiges IT-System gab. Bei dem einen steht also die Migration im Vordergrund mit dem Anspruch, die Arbeitsabläufe wieder ähnlich zu gestalten, während die Kollegen, bei denen man etwas auf der grünen Wiese bauen kann, etwas offener in der Gestaltung sind. Aber die Anforderungen an das IT-System sind stets, alles möglichst mit Standardlösungskonzepten umzusetzen.
Aber ihre Software ist nicht nur für die großen Verkehrsunternehmen interessant?
Nein. Wir haben PSItraffic mittlerweile auch bei vielen mittelständischen Verkehrsunternehmen etabliert. Dort sind die Aufgabenstellungen ja ähnlich, aber in ihrer Komplexität vielleicht etwas differenzierter zu betrachten. So spielt etwa die genaue Abstellung der Fahrzeuge auf definierten Plätzen nicht die große Rolle, wenn ausreichend Abstellflächen vorhanden sind. Dann muss man diese Abläufe nicht zwingend durch Automatisierung optimieren.
Sie bedienen Kunden in der ganzen Welt?
Aktuell liegen unsere Schwerpunkte in Deutschland und der Schweiz. Aber es gibt auch abgeschlossene Projekte in anderen Ländern, etwa in Polen. Dort haben wir in Pozna/Posen das erste automatisch gesteuerte Straßenbahndepot in Polen umgesetzt, eine der größten derartigen Investition in Osteuropa überhaupt. Und wir richten unsere Aufmerksamkeit verstärkt auf den skandinavischen und westeuropäischen Markt, da wir glauben, dass unser PSItraffic auch dort seine Bedeutung hat.
Es gibt doch auch ein großes Projekt in Malaysia?
Das stimmt. Durch die Auslandsgesellschaften des PSI-Konzerns haben wir immer wieder die Möglichkeit, im asiatischen oder pazifischen Raum Projekte zu realisieren. Dort arbeiten wir dann mit den lokalen PSI-Töchtern zusammen. So gibt es in Malaysia mittlerweile zwei Bahnstrecken, für die wir auf der Basis von PSItraffic die Managementsysteme und ein mehrsprachiges, schlüsselfertiges Fahrgastinformations- und Kommunikationssystem geliefert haben.
Auch in der Schweiz haben Sie bereits etliche Kunden?
Ja. Aktuell erhielten wir vom Regionalverkehr Bern-Solothurn den Auftrag zur Lieferung eines Zugmanagementsystems. Dort besteht die Herausforderung vor allem in der begrenzten Kapazität des unterirdischen Kopfbahnhofs Bern. Dort braucht man zeitnah eine effiziente Steuerung der Züge, um dem überproportional gestiegenen Fahrgastaufkommen gerecht zu werden. Dieses Projekt beinhaltet innovative Aspekte durch die Berücksichtigung unterschiedlicher Fahrzeugprofile. Ein lokbespannter Zug verhält sich beispielsweise im Geschwindigkeits- und Bremsprofil anders als ein modernes Shuttlefahrzeug. Die Herausforderung besteht nun vor allem darin, unter diesen Bedingungen die Zugsteuerung zu optimieren, also das Maximale aus den Möglichkeiten der vorhandenen Infrastruktur herauszuholen.
Wir konnten zuvor schon bei der Rhätischen Bahn, der Matterhorn Gotthard Bahn und der Aare Seeland Bahn unsere Kompetenz im Eisenbahnbereich unter Beweis stellen. Bei den Schweizer Projekten steht in der Regel das Thema Zugsteuerung und Fahrgastinformation im Vordergrund. Wegen ihrer touristischen Attraktivität brauchen diese Linien beispielsweise mehrsprachige Systeme, also nicht nur Deutsch und Englisch, sondern auch Italienisch und Rätoromanisch. Und man darf nicht vergessen, dass etwa die Rhätische Bahn pro Tag mehr Zugfahrten hat als die Hamburger S-Bahn und das zum Teil über eingleisige Strecken, so dass die Verspätung eines einzelnen Zuges oft Auswirkungen auf das gesamte Netz hat.
Neuentwicklungen und Trends, ist das auch bei Ihnen ein Thema?
Natürlich. Darin unterscheiden wir uns gar nicht so sehr von anderen IT-Sparten. Neben der ständigen Optimierung ist auch bei uns das Thema Usability ein wesentlicher Aspekt. Wir haben unsere Systeme auf den Prüfstand gestellt und Untersuchungen durch externe Fachleute direkt bei unseren Kunden durchführen lassen. Dabei hat sich schon die ein oder andere Verbesserung oder Raffinesse ergeben.
Das zweite Schwerpunktthema ist die Nutzung des Datenbestands, den unsere Kunden im Laufe der Jahre sammeln. Das kann im Bereich Depotmanagement die Qualität einzelner Fahrzeugtypen betreffen oder den Vergleich der Baujahre. Auch die Pünktlichkeit an bestimmten Tagen – etwa dem ersten Schneetag im Jahr – lässt sich so über Jahre auswerten. Diese Daten, die ja in allen Systemen vorhanden sind – aus anderen IT-Bereichen kennt man die Begriffe Big Data und Data Warehouse –, wollen wir so präsentieren, dass sich aus ihnen profunde Prognosen erstellen lassen. Wir führen gerade einen ersten Prototypen ein, der die Flexibilität bietet, mit minimalem Aufwand schnelle Auswertungen aus großen Datenmengen zu erzeugen. Das testen wir zurzeit bei einem Kunden im Rahmen eines Referenzprojekts auf Praxistauglichkeit.
Aber vor allem legen wir bei der Entwicklung unserer Systeme großen Wert darauf, den Anwender im Auge zu behalten. Darum liegt bei uns der Fokus eher auf Usability und nicht auf der ganz schlanken Programmierung oder der neuesten Technologie. Die Nutzer sollen gerne mit den Systemen arbeiten und ein Mehr an Flexibilität und Vorteilen für ihren täglichen Arbeitsprozess erhalten.
Herr Vogel, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Volker Vorburg.