Von digitalen Disruptoren lernen – Wie aus alten Hasen junge Hüpfer werden

Alteingesessenen Unternehmen fällt es oft schwer, mit heutigen digitalen Herausforderern mitzuhalten. Dies betrifft alle Branchen, von Tesla im Automobilbereich über Airbnb auf dem Wohnungsmarkt oder Uber im Personenbeförderungssegment. Vor allem beim Umgang mit Daten können sich traditionelle Unternehmen viel von den »jungen Hüpfern« abschauen. Denn Daten zu erzeugen ist nur der erste Schritt. Um auch künftig wettbewerbsfähig zu bleiben, gilt es, Informationen klug zu speichern, zu analysieren und die gewonnenen Erkenntnisse für zukunftsfähige Geschäftsmodelle oder Use Cases anzuwenden.

Traditionelle Unternehmen haben hier gegenüber Startups mit mindestens einem großen Nachteil zu kämpfen: Anders als bei Jungunternehmen sind ihre IT-Infrastrukturen über Jahre gewachsen und können dementsprechend komplex und heterogen sein – und sind manchmal auch veraltet. Dadurch kann ein bunter Flickenteppich an Hard- und Softwarelösungen entstehen, bei dem der Überblick vielleicht längst verloren gegangen ist. Hinzu kommt, dass unterschiedliche Abteilungen oft zahlreiche Programme und Workloads am Laufen haben und das manchmal ganz ohne das Wissen und die Koordination der internen IT. Diese Silos stellen heute mehr denn je eine Herausforderung dar, wenn es um die unternehmensweite Nutzung von Daten geht.

Disruptive digitale Unternehmen auf dem Vormarsch. Digitale Disruptoren können mit innovativen, datengetriebenen Lösungen und Angeboten branchenübergreifend ihre erfahrene Konkurrenz übertrumpfen. Die junge Konkurrenz digitalisiert ihr Geschäftsmodell von Anfang an und optimiert so klassische bewährte Abläufe. In der Finanzwelt etwa bieten Online-Broker per App Wertpapierdepots an – und das zu extrem günstigen Konditionen. Aktien lassen sich dort für einen Euro verkaufen oder erwerben. Möglich machen dies digitale Technologien, eine vergleichsweise kleine Belegschaft und ein Gespür dafür, was sich Kunden wünschen. Weitere Disruptoren gibt es zuhauf. Paypal und Klarna, die den Zahlungsverkehr revolutioniert haben, dürfen hier zu den bekanntesten gehören.

Diese Unternehmen stellen ihre Services nicht nur bereit, sondern sammeln gleichzeitig Daten über das Verhalten und die Vorlieben ihrer Kunden. Oft kommt der Druck auf ein Unternehmen, sich zu digitalisieren, sogar in erster Linie durch die Kunden. Mit Hilfe dieser gewonnenen Erkenntnisse lassen sich neue Geschäftsmodelle generieren, die den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe entsprechen und so einen klaren Wettbewerbsvorteil bringen. Obwohl traditionelle Unternehmen durch jahrelange Datensammlung und Branchenerfahrung eigentlich im Vorteil sind, fehlt es an den richtigen Lösungen, Methoden und dem Verständnis zur erfolgreichen Datennutzung.

Hier können die »alten Hasen« durchaus etwas von den »jungen Hüpfern« lernen. Denn um Informationen sinnvoll zu nutzen, sind einige zentrale Punkte ausschlaggebend.

Datensilos aufbrechen und gemeinsam den Erfolg vorantreiben. Es gibt viele Gründe, warum Datensilos entstehen. Dazu gehören die bereits genannten technischen und organisatorischen, aber auch menschliche und unternehmenskulturelle Aspekte. Etwa wenn Mitarbeiter ungern Daten teilen, auf die nur sie oder ihre Abteilung Zugriff haben. Daher gilt: Bevor Daten sinnvoll genutzt werden können, muss klar sein: Welche Daten sind vorhanden? Wo liegen diese aktuell? Und wer hat Zugriff?

Im ersten Schritt braucht es einen Wandel in der Unternehmenskultur. Mitarbeitern muss vor Augen geführt werden, wie ihre Daten abteilungsübergreifend eine positive Auswirkung auf den Konzernerfolg haben können. Dazu braucht es eine Bereitschaft, Daten zur Verfügung zu stellen, auch wenn es zunächst mehr Aufwand bedeutet. Ebenso ist es nötig, klare Zuständigkeiten für den Umgang mit den Daten und IT-Systemen zu definieren. Hilfreich ist hier etwa die Stelle eines Chief Data Officers (CDO) oder eine ähnliche Position; unabdingbar ist es, eine Datenstrategie mit konkreten Zielen zu formulieren. Das übergeordnete Ziel ist ein ganzheitlicher Blickwinkel, aus dem sich die Erkenntnisse auf einer Ebene zusammenführen lassen. Ein solcher Change-Prozess funktioniert jedoch nur, wenn ihn die Führung vorlebt und vorantreibt.

Ist erst einmal klar, wo die Daten sinnvoll abgelegt sind, gilt es, sie verfügbar zu machen. Hier wartet der nächste große Schritt: Die makro- und mikroökonomischen Daten müssen so verknüpft werden, dass sich daraus bestmögliche unternehmerische Entscheidungen treffen lassen. Erst dann können Unternehmen ihre Prozesse beschleunigen, zum Beispiel indem sie ihre Go-to-Market-Abläufe oder den Kundenservice optimieren.

Übergreifende Datenplattform als Basis. Damit diese Prozesse überhaupt in Gang gesetzt werden können, braucht es eine übergreifende Datenplattform, die die jeweiligen Informationen aus unterschiedlichen IT-Umgebungen – sei es On-Premises oder Hybrid-Cloud – abruft und auf einen einheitlichen Standard bringt. Erst dann ist die Grundlage für die Analyse und eine sinnvolle Weiterverarbeitung der Daten gegeben. Gleichzeitig hat das Unternehmen stets den Überblick über seine Daten. Dazu gehört auch, dass ein Vendor-Lock-In möglichst zu vermeiden ist. Sprich, die Plattform sollte offen gegenüber anderen Anbietern sein und entsprechende Schnittstellen zu diesen besitzen. Oft wird sich für eine Lösung entschieden, die zu dem Zeitpunkt für eine bestimmte Anforderung am besten geeignet ist. Langfristig ist jedoch eher ausschlaggebend, wohin sich das Unternehmen perspektivisch bewegen will. Hier eignet sich vor allem eine Plattform, die all diese künftigen Ansprüche abdecken kann. Dies sollten Unternehmen daher mit bedenken.

Schritt für Schritt zum Erfolg. Was hier nach bloßer Theorie klingt, funktioniert auch in der Praxis. Ein Beispiel: Ein international tätiger Reifenhersteller hatte unlängst beschlossen, seine jahrzehntelang gesammelten Produktions- und Testdaten zu digitalisieren und auf ein einheitliches Level zu bringen. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz optimierte er die Abläufe so weit, dass seine Produkte nun deutlich schneller auf dem Markt verfügbar sind. Seine Konkurrenzfähigkeit konnte er damit weiter ausbauen.

Um ein vermeintliches Mammutprojekt zu einem erreichbaren Ziel zu machen, sind kleine Schritte mit überschaubaren Einheiten zu empfehlen. Zum Beispiel kann erst einmal mit einem Archivierungsprojekt gestartet werden: Daten werden geordnet, vereinheitlicht, und Duplikate gelöscht – schon entsteht ein erster Überblick über die wahren Schätze des Unternehmens.

Die Erfahrung aus solchen Transformationsprojekten zeigt: Obwohl der Aufwand zur allumfassenden Digitalisierung zunächst enorm scheint, zahlt er sich durch die gewonnenen Erkenntnisse und neu hervorgebrachte Chancen, die sich mit einer übergreifenden Plattform ergeben, aus.

 


Philippe Picalek,
Regional Vice President Schweiz und Deutschland
bei Cloudera

 

 

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