- Wichtiges Signal für die gesamte Internetbranche: »Bundesregierung muss jetzt reagieren«.
- SpaceNet AG: Vorratsdatenspeicherung ist falsches Instrument zur Verbrechensbekämpfung.
- Verwaltungsgericht Köln entscheidet: Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen europäische Grundrechte.
Die deutsche Vorratsdatenspeicherung ist nicht mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden. Der Internetprovider SpaceNet hatte, unterstützt von eco- Verband der Internetwirtschaft, bereits im April 2016 Klage erhoben (Az. 9 K 3859/16). Ziel der Klage ist, die Vorratsdatenspeicherung durch eine Grundsatzentscheidung endgültig zu stoppen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln hat eine zentrale Bedeutung für die betroffenen Internet- und Telekommunikationsunternehmen.
Wichtiges Signal für die gesamte Internetbranche: »Bundesregierung muss jetzt reagieren«
»Wir freuen uns über den Ausgang des Verfahrens und über das Urteil, das ein so wichtiges Signal an die gesamte Internetbranche sendet. Wir sehen unsere grundsätzlichen Bedenken, hinsichtlich der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, damit bestätigt. Die Bundesregierung muss jetzt umgehend reagieren und diese kostspielige Odyssee für die Unternehmen beenden. Wir brauchen endlich Rechts- und Planungssicherheit«, fordert Oliver Süme, eco-Vorstandsvorsitzender.
Bei der Vorratsdatenspeicherung werden die Verkehrs- und Standortdaten der Nutzer der meisten Telekommunikationsdienste auf Vorrat ohne Anlass gespeichert.
SpaceNet AG: Vorratsdatenspeicherung ist falsches Instrument zur Verbrechensbekämpfung
Aufgrund ihrer tiefgreifenden Grundrechtseingriffe ist die Vorratsdatenspeicherung äußerst umstritten, gleichzeitig konnte der tatsächliche Nutzen zur Verbrechensbekämpfung bislang nicht belegt werden. Die technische Umsetzung hingegen, ist gleichermaßen aufwendig wie teuer und kostet die Unternehmen geschätzt über 600 Millionen Euro.
Sebastian von Bomhard, Vorstand des klagenden Unternehmens SpaceNet AG, sieht die Position seiner Firma bestätigt. »Bei massiven Eingriffen in bürgerliche Grundrechte, vor allem im Digitalen, waren wir schon immer wachsam und haben eindeutig Stellung bezogen.« sagt von Bomhard. »Mit der Vorratsdatenspeicherung kann man zwar Bürger ausspähen, aber sicher keine Terroristen fangen. Daher freuen wir uns sehr über das Urteil. »
Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen europäische Grundrechte
Das Verwaltungsgericht Köln hat mit der Entscheidung festgestellt, dass die §§ 113ff TKG nicht den Vorgaben des Europäischen Gerichthofs (EuGH) genügen.
»Eine nationale Regelung, die eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung vorsieht, ist laut Urteil des Verwaltungsgerichts Köln unzulässig. Aus der Gesamtheit der gespeicherten Daten könnten nämlich sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben von Personen gezogen werden und die Speicherung auf Vorrat ist geeignet, den Eindruck ständiger Überwachung des Privatlebens zu erzeugen. Jeder Grundrechtseingriff, der mit einer nationalen Regelung einhergeht, die eine Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsieht, ist als besonders schwerwiegend anzusehen. Allein die Bekämpfung schwerer Straftaten könnte einen solchen Grundrechtseingriff rechtfertigen.«, erklärt Prof. Dr. Matthias Bäcker, Prozessbevollmächtigter.
Der EuGH hat schon Ende 2016 zu vergleichbaren Regelungen in Schweden und Großbritannien geurteilt, dass das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens verlangt, dass die Speicherung personenbezogenen Daten eine Ausnahme bleiben müsse und nicht die Regel. Die Speicherung sei auf das absolut Notwendigste zu beschränken.
Hintergrund:
Europäische und nationale Regelungen der Vorratsdatenspeicherung wurden mehrfach durch Gerichte für rechtswidrig erachtet: Im Jahr 2010 der erste deutsche Anlauf durch das Bundesverfassungsgericht. 2014 hob der EuGH die europäische Richtlinie (EG/2006/24) zur Vorratsdatenspeicherung auf.
Ende 2015 verabschiedete die deutsche Regierungskoalition dann eine Neuauflage des umstrittenen Vorhabens. Gegen dieses Gesetz erhob der Internetprovider SpaceNet AG, unterstützt von eco, am 25. April 2016 Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln. Ziel dieser Klage war es zunächst insbesondere durch die Vorlage grundlegender Rechtsfragen eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen, die in letzter Konsequenz nur der EuGH treffen kann.
Dies tat der EuGH Ende 2016 bezüglich Regelungen in Schweden und Großbritannien, die im Wesentlichen vergleichbar mit den deutschen Bestimmungen sind. Zu diesem Ergebnis kam auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen und beschloss am 22. Juni 2017 im einstweiligen Rechtsschutz, dass die deutsche Vorratsdatenspeicherung nicht mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist.
In ihrem aktuellen Urteil vom 20.04.2018 folgten die Kölner Richter heute im vollen Umfang der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, das bereits am 22.06.2017 die SpaceNet AG von der Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung befreit hatte. Nur wenige Tage später setzte damals die Bundesnetzagentur die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung auch für alle anderen Provider aus.
Gegen das aktuelle Urteil des Verwaltungsgerichts Köln kann Berufung eingelegt werden, die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ist zugelassen.