Zuwanderung von Fachkräften nach Deutschland steigt

Der Zuzug von Geflüchteten hat in den letzten Jahren die Migration nach Deutschland dominiert. Aktuelle Zahlen zeigen, dass seit 2017 wieder die Einwanderung aus EU-Staaten überwiegt. Zudem kommen mehr Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland – wenn auch weiter auf relativ niedrigem Niveau.

Die Jahre 2015 und 2016 waren durch die starke Fluchtmigration geprägt. Unsere Auswertung der aktuellen Zahlen des Ausländerzentralregisters zeigt: Die Zuwanderung nach Deutschland normalisiert sich. Denn es kommen seit 2017 anteilig wieder mehr Menschen aus EU-Staaten in die Bundesrepublik – wie vor den Jahren 2015/16. Aus Nicht-EU-Staaten kamen 2017 knapp 545.000 Menschen, aus EU-Ländern rund 635.000.

Viele der Zugewanderten sind Fachkräfte: Mehr als 60 Prozent der in Deutschland lebenden Zuwanderer aus EU-Staaten haben einen Hochschul- oder Berufsabschluss. Unter den Zuwanderern aus Nicht-EU-Staaten stieg die Zahl derjenigen, die als Fachkräfte einen Aufenthaltstitel erhielten, auf rund 38.000 Personen. Somit bewegt sich die Fachkräftezuwanderung von außerhalb der EU aber weiterhin auf einem niedrigen Niveau und macht nur sieben Prozent der gesamten Nicht-EU-Zuwanderung aus. Auch im Vergleich zum gesamtdeutschen Arbeitskräfteangebot von 47 Millionen ist sie mit 0,1 Prozent sehr gering. Im Vergleich zu Australien, Frankreich, den Niederlanden oder Spanien aber ist die Erwerbszuwanderung aus Nicht-EU-Staaten nach Deutschland zwischen 2014 und 2016 deutlich gestiegen. In Großbritannien, Italien oder Kanada ließ sich in diesem Zeitraum sogar ein Rückgang beobachten. Deutschland ist zudem das mit großem Abstand beliebteste Zielland für Zuwanderer aus EU-Staaten.

 

Bundesweit sind aktuell 1,2 Millionen Stellen unbesetzt, die geburtenstarke Generation der »Babyboomer« wird in den nächsten Jahren in den Ruhestand eintreten. Angesichts dessen kommt der Fachkräftemigration nach Deutschland zukünftig eine größere Bedeutung zu – neben einer gesteigerten Ausbildung einheimischer Fachkräfte.

 

Deutschland hält vermehrt internationale Studierende im Land

Auffällig ist, dass Studierende aus dem Ausland nach ihrem Studium vermehrt in Deutschland bleiben und ihrer Qualifikation entsprechend arbeiten. So sind im vergangenen Jahr mehr als 9.200 Personen von einer Aufenthaltserlaubnis für ein Studium oder für die Arbeitsplatzsuche für Absolventen deutscher Hochschulen in einen Aufenthalt zur Erwerbstätigkeit für Fachkräfte gewechselt. Auch sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung und sind bereits mit Sprache und Kultur vertraut.

Auch für geringqualifizierte Zuwanderer eröffnet der deutsche Arbeitsmarkt Chancen. 22.800 Geringqualifizierte aus Nicht-EU-Staaten, die ein Arbeitsplatzangebot erhalten hatten, zogen 2017 nach Deutschland. Vor allem die sogenannte Westbalkan-Regelung eröffnet diese Perspektive. Sie ermöglicht Staatsangehörigen von Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien die Zuwanderung nach Deutschland, sofern sie ein Angebot eines deutschen Arbeitgebers für einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildung haben.

 

»Wir brauchen ein wirksames Einwanderungsgesetz, das in eine Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung für alle Menschen eingebettet ist.«

Matthias Mayer, Migrationsexperte der Bertelsmann Stiftung

 

Fünf Punkte für ein wirksames Einwanderungsgesetz

Unser Migrationsexperte und Autor des Factsheets Matthias Mayer hält es deshalb für notwendig, dass sich Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat zügig auf ein wirksames Fachkräfte-Einwanderungsgesetz verständigen. Es sollte auf fünf Prinzipien aufbauen:

  • Erstens: Effektivität. Deutschland sollte damit jene Personen gewinnen, die der Arbeitsmarkt nachfragt. Da auch Fachkräfte mit Berufsausbildung dazugehören, sind ausländische Berufsqualifikationen besser anzuerkennen. Zudem ist die bisher auf ausländische Akademiker beschränkte Einwanderungsmöglichkeit zur Jobsuche auf Ausbildungsberufe auszuweiten.
  • Zweitens: Transparenz. Die bisherigen Zuwanderungsmöglichkeiten müssen zusammengefasst und mit einprägsamen Titeln versehen werden. Zum Beispiel empfehlen wir neben der bestehenden »Blauen Karte EU« für Hochqualifizierte eine »Schwarz-Rot-Gold-Karte« für Personen mit Berufsausbildung, die für den deutschen Arbeitsmarkt von besonderer Bedeutung sind.
  • Drittens: Attraktivität. Menschen, die sich für ein Leben in der Bundesrepublik entscheiden, sollten eine klare Perspektive auf ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und eine Einbürgerung haben.
  • Viertens: Effizienz. Die Migrationsverwaltung ist zu optimieren und zu beschleunigen.
  • Fünftens: Legitimation. Noch immer wird in Deutschland zu verkrampft über Einwanderungszahlen gesprochen. Ein offener Austausch über Zielvereinbarungen könnte die teilweise überhitze Diskussion abkühlen – also beispielsweise die Zielvereinbarung »Wir möchten zwischen X und Y zugewanderte Fachkräfte pro Jahr gewinnen«.

 

Letztlich sollte das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz eine pragmatische Lösung für gut integrierte Geflüchtete mit Arbeitsplatz finden.

 

https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/fachkraeftezuwanderung-aus-drittstaaten-nach-deutschland-2017/

 

Ein Gesetz allein schafft noch kein attraktives Einwanderungsland

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass es nicht allein Einwanderungsgesetze sind, die Fachkräfte anziehen. Denn Attraktivität entsteht auch durch das Zusammenspiel von Faktoren, die die Politik zum Teil nur schwer oder gar nicht gestalten kann oder die sie zumindest nicht direkt mit Einwanderungspolitik in Verbindung bringt. Zu diesen Faktoren zählen: die Verbreitung von Deutsch als Fremdsprache, die Höhe der Gehälter und Steuern, Perspektiven, an der Gesellschaft teilhaben zu können, Möglichkeiten für Familienmitglieder, ebenfalls in Deutschland Fuß zu fassen, die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben, die Einstellung der Gesellschaft gegenüber Vielfalt sowie die Möglichkeit, Englisch als Arbeitssprache zu nutzen.

Matthias Mayer betont, dass das Einwanderungsgesetz in eine Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung eingebettet sein muss, die sich neben Zuwanderung aus EU- und Nicht-EU-Ländern auch um benachteiligte Gruppen im Inland kümmert, insbesondere um Ältere, Frauen, Mütter, (Langzeit-)Arbeitslose, Geringqualifizierte und Menschen mit Behinderungen.

 

https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/migration-fair-gestalten/

 


 

Zuwanderung: Mehr EU-Binnenmobilität und Fachkräfte aus Drittstaaten

 

Die Zuwanderung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten ist laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung gestiegen, wenn auch auf niedrigem Niveau. Außerdem machen aus dem EU-Ausland zugewanderte Personen wieder den größten Teil an Zuzügen nach Deutschland aus – dabei sind die Länder Rumänien, Polen, Bulgarien, Kroatien und Italien am stärksten vertreten. Die meisten Fachkräfte aus Drittstaaten kommen aus Indien, Bosnien-Herzegowina, den USA, Serbien und China.

Die Bundesregierung will noch in diesem Jahr ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz verabschieden, durch das mehr qualifizierte Erwerbstätige aus den EU-Ländern und Drittstaaten für den deutschen Arbeitsmarkt gewonnen werden können. Hedda Nier

https://de.statista.com/infografik/16190/zuwanderung-nach-deutschland/?utm_source=Statista+Global&utm_campaign=1bbbe5ea9f-All_InfographTicker_daily_DE_AM_KW472018_MO_COPY_0&utm_medium=email&utm_term=0_afecd219f5-1bbbe5ea9f-297819997

https://de.statista.com/infografik/16190/zuwanderung-nach-deutschland/

 


 

Zuwanderung aus anderen EU-Ländern hat Deutschland seit 2011 zusätzliches Wirtschaftswachstum beschert

Seit dem Jahr 2011 sind über fünf Millionen Zuwanderer aus anderen EU-Ländern nach Deutschland eingewandert. – DIW-Simulation zeigt, dass diese Zuwanderung das BIP-Wachstum um durchschnittlich 0,2 Prozentpunkte pro Jahr erhöht hat. – Es muss mehr für qualifikationsgerechte Erwerbschancen getan werden, zum Beispiel über bessere Anerkennung ausländischer Abschlüsse.

Die Zuwanderung aus anderen Ländern der EU hat das BIP-Wachstum Deutschlands in den Jahren 2011 bis 2016 um durchschnittlich 0,2 Prozentpunkte pro Jahr verstärkt – für einzelne Jahre wie zum Beispiel 2015, den Höhepunkt der EU-Zuwanderung, sogar um mehr (0,3 Prozentpunkte). Die Besetzung von Stellen durch Zuwanderer erhöht die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung und führt zu einer zusätzlichen Konsumnachfrage. Sie vermeidet zudem Engpässe auf dem Arbeitsmarkt, die zu höheren Produktionskosten und höheren Preisen geführt und das Wachstum entsprechend reduziert hätten. Das haben der Konjunkturforscher Marius Clemens vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und seine Koautorin Janine Hart von der Universität Potsdam in einer neuen Studie herausgefunden.

»Ohne die Zuwanderung aus der restlichen EU wäre das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahr 2015 nicht um 1,5 Prozent, sondern lediglich um 1,2 Prozent gewachsen«, erläutert Marius Clemens. »Das ist ein nicht unerheblicher Beitrag, den die EU-Zuwanderung hier geleistet hat – und weiterhin leistet.«

 

EU-Zuwanderer kommen nach Deutschland, um Arbeit zu finden

Seit dem Jahr 2011 sind jedes Jahr im Durchschnitt über 720 000 Bürgerinnen und Bürger aus anderen Ländern der EU nach Deutschland gezogen, in der Summe über 5,1 Millionen. So sind mehr Europäerinnen und Europäer nach Deutschland gezogen als Personen aus anderen Ländern inklusive Fluchtherkunftsländern – und dass, obwohl die Fluchtmigration in den vergangenen Jahren die öffentliche Debatte im Wesentlichen geprägt hat. Die Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt und von Eurostat und sind als Grundlage für ökonomische Analysen etwas aussagekräftiger als Wanderungssalden. Diese werden nämlich nur unvollständig erfasst, weil bei weitem nicht alle sich abmelden, wenn sie das Land verlassen.

Ein wesentlicher Grund für die Zuwanderung aus dem restlichen Europa war die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürgerinnen und Bürger aller EU-Mitgliedsländer ab dem Jahr 2011 (für alle im Jahr 2004 der EU beigetretenen Länder) beziehungsweise 2014 für Rumänien und Bulgarien und 2015 für Kroatien. Die in einigen südeuropäischen Ländern des Euroraums (Spanien, Italien, Griechenland) besonders ausgeprägte Wirtschaftskrise hat auch dazu geführt, dass viele Menschen ihr Glück in Deutschland gesucht haben.

Über diese allgemeinen Erklärungen hinaus hat das DIW Berlin anhand eines makroökonomischen Modells die Bedeutung verschiedener Faktoren für die Migration nach Deutschland quantifiziert: Die Konjunktur und der Arbeitsmarkt in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern spielen hierbei eine Rolle, aber auch die sogenannten »Migrationskosten«. Darunter werden die tatsächlichen Umzugskosten erfasst (darunter auch Visagebühren und bürokratische Kosten), aber auch ein monetärer Wert für alle Faktoren, seien sie juristisch oder psychologisch, die die Migration erschweren. Gesetzliche Barrieren sind hier von Bedeutung, aber auch zum Beispiel das Fehlen von direkten Flugverbindungen zwischen zwei Ländern.

Die Berechnungen ergeben, dass Verschlechterungen der gesamtwirtschaftlichen Situation im Herkunftsland im Vergleich zu Deutschland der Haupttreiber für die Migration sind – sie erklären mehr als die Hälfte der Veränderungen der EU-Zuwanderung (60 Prozent). Entwicklungen, die allein vom Arbeitsmarkt ausgehen, haben einen Anteil von rund einem Viertel an der Zuwanderung aus der restlichen EU. Darüber hinaus erklärt auch die Entwicklung der Migrationskosten einen merklichen Anteil von 16 Prozent der EU-Zuwanderung.

»Unsere Analyse zeigt, dass die nicht asylbedingte Zuwanderung nach Deutschland eng an den Verlauf der deutschen Konjunktur und die Lage auf dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu den Herkunftsländern gekoppelt ist«, so Janine Hart. »EU-Zuwanderer kommen zu uns, um Arbeit zu finden – und meistens geschieht das auch, wie viele Statistiken zeigen.«

Die meisten der EU-Zuwanderer sind jung, gut qualifiziert und haben eine hohe Erwerbsbeteiligung. Im Jahr 2017 betrug die Erwerbsquote von Bürgerinnen und Bürgern aus der restlichen EU 74,6 Prozent – bei Deutschen waren es 70,6 Prozent.

 

Mehr Erwerbschancen, die den Qualifikationen von Zuwanderern entsprechen

Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung und zunehmender Fachkräfteengpässe auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist es wichtig, das Zuwanderungspotenzial aus anderen EU-Ländern weiter heben zu können. »Um weiterhin attraktiv für Zuwanderer aus Europa zu bleiben, wird sich Deutschland noch etwas mehr anstrengen müssen, denn in vielen Ländern vor allem im Euroraum geht es mit der Wirtschaft mittlerweile wieder bergauf«, so Marius Clemens. »Wichtig ist, dass Zuwanderer mehr Möglichkeiten bekommen, Jobs zu finden, die ihren Qualifikationen entsprechen.«

Dafür sind zum Beispiel pragmatischere Verfahren bei der Anerkennung von Qualifikationen notwendig. Dies gilt übrigens nicht nur für Zuwanderung aus der EU, sondern auch mit Blick auf Zuwanderer aus anderen Ländern der Welt, so Marius Clemens und Janine Hart. Hier ist das, vom Bundesinnenministerium vor kurzem in seinen wesentlichen Punkten vorgestellte, geplante Einwanderungsgesetz sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, weitere Anstrengungen sind aber nötig. Diese müssen auch darauf abzielen, die Willkommenskultur in Deutschland zu verbessern.

 

Studie | PDF, 2.63 MB

https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.605455.de/18-44.pdf


 

Zuwanderung: Mehr Menschen, mehr Geld, mehr Konsum

Wirtschaft fürchtet um Attraktivität für ausländische Fachkräfte

Arbeitslosigkeit sinkt im Jahresdurchschnitt 2019 auf 2,23 Millionen

Kampf um Know-how: Den Auswirkungen des Fachkräftemangels entgegenwirken

Start-ups: Freie Stellen bleiben oft unbesetzt