5 Gründe, an denen Datenprojekte scheitern – Es geht nicht um Digitalisierung

Die letzten Jahre haben den Beginn und Abschluss vieler Datenprojekte in unterschiedlichsten Unternehmen gesehen. Vor allem in den Bereichen Data Analytics und Business Intelligence bieten neue Anwendungen den jeweiligen Fachabteilungen höhere Transparenz und somit die Möglichkeit, qualitativ hochwertigere Entscheidungen zu treffen. Obwohl die meisten dieser Projekte erfolgreich waren, stellt sich immer wieder heraus, dass die übergeordneten strategischen Vorhaben, in die diese Initiativen eingebettet waren, ins Stocken geraten. Warum passiert das?

Eine Datenstrategie ist ein Plan zur Etablierung und Umsetzung der Datenwertschöpfung in einem Unternehmen. Sie umfasst im Idealfall aber nicht nur den Umgang mit den Daten selbst, sondern auch die Zielsetzung, Ausrichtung, Prozesse und Organisation eines Unternehmens. Es gibt eine ganze Reihe an Gründen dafür, warum Datenstrategien in Unternehmen nicht den Erfolg haben, den sie haben könnten. 

Zu den meistgenannten zählen:

  • Die Unternehmenskultur passt nicht zu dem gewünschten Arbeitsmodell.
  • Das Management lebt das datenbasierte Arbeiten nicht vor.
  • Es gibt nicht ausreichend personelle Kapazität.

Die Datenstrategie steht nicht im Einklang mit der Unternehmensstrategie.

Da diese Punkte oft adressiert werden, fassen wir fünf weitere Aspekte ins Auge, die immer wieder auftreten, aber längst nicht dieselbe Prominenz erlangt haben.

1. Strategie zum Selbstzweck

Ein häufiges Problem bei vielen Strategieinitiativen ist der Hype. Man schwimmt auf einer Technologiewelle mit, erkennt einen Trend, an dem man partizipieren möchte, oder folgt einer verallgemeinernden Empfehlung. Zugegeben, oft finden sich riesige Potenziale für Early Adopter. Was Unternehmen dabei aber nicht aus den Augen verlieren dürfen, ist der echte Mehrwert und die Umsetzung konkreter Ziele, die die Datenstrategie verfolgt. Am Ende eines Projekts sollte greifbare Wertschöpfung stehen, für die Mitarbeiter und für das Unternehmen selbst – seien es sicherere Entscheidungen, höhere Kundenzufriedenheit oder direkter Verkauf von Unternehmensdaten.

Es gibt sehr nützliche Werkzeuge, die helfen können, das Potenzial datengetriebener Geschäftsmodelle und -prozesse zu identifizieren. Ziele, Methoden zu Erreichung dieser Ziele, die Einbettung eines Projekts in sonstige Unternehmensprozesse und dergleichen sollten transparent gemacht und kommuniziert werden, bevor ein Datenprojekt startet.

2. Fehlender Pragmatismus

In ersten Projektskizzen greifen Unternehmen oft direkt nach den Sternen. Sie schreiben zum Beispiel komplexe Projekte für den Einsatz künstlicher Intelligenz aus, um (auch intern) zu veranschaulichen, welche Bedeutung Datenwertschöpfung haben kann. Ich bin zwar ein Freund von »Think Big«, ich bin aber auch ein Befürworter des »Start Small«.

Oft gibt es eine Vielzahl von tiefhängenden Früchten, die sich ernten lassen, bevor man in die Baumkrone klettert. Wer diese ersten Ergebnisse erreicht hat, kann beweisen, dass Datenprojekte funktionieren, und findet vielleicht auch interne Unterstützung; jemanden, der beim nächsten Mal eine Leiter finanziert. Um aus der Metapher auszubrechen: Schnelle, positive Ergebnisse in kleineren Projekten sorgen für Rückhalt und Sicherheit bei Entscheidern und legen das Fundament für die großen Vorhaben in der datengesteuerten Digitalisierung.

3. Falsche Prioritäten

Datenstrategieprojekte erfordern die Mitwirkung vieler Stakeholder auf unterschiedlichen Ebenen. Auch hier helfen die »Quick Wins«, um Vertrauen zu schaffen, Verbündete zu generieren und ganz konkrete Hilfestellungen im Arbeitsalltag zu schaffen. Denn eine Fachabteilung, deren Leben beispielsweise durch Transparenz oder Automatisierung in einem abgesteckten Teilbereich leichter wird, kann sich auch eher für die großen Projekte begeistern und die Bereitschaft zur tatkräftigen Mithilfe entwickeln.

Dabei empfiehlt es sich, ganz konkret darüber nachzudenken, wie sich welche pragmatischen Mehrwerte schnell und kontinuierlich schaffen lassen. Ein solches Vorgehensmodell gehört an den Beginn eines jeden Datenstrategieprojekts, denn es ist davon auszugehen, dass alle Stakeholder auch vorher schon mit reichlich anderen Aufgaben beschäftigt waren. Erst wenn sich die Hilfestellung veranschaulichen lässt, ist mit Unterstützung zu rechnen.

4. Erwartungsmanagement

Damit ein Datenprojekt von allen Stakeholdern hinreichend priorisiert wird, müssen aber auch die Erwartungen an das Projekt frühzeitig adressiert werden. Gelegentlich fühlt man sich zu Projektbeginn an den bekannten, psychologischen »Marshmallow-Test« erinnert, bei dem Kinder vor die Wahl gestellt werden, eine Süßigkeit entweder sofort essen zu dürfen oder für einen gewissen Zeitraum der Versuchung zu widerstehen, um später insgesamt mehr Süßigkeiten zu erhalten. In Unternehmen kommen sehr schnell Fragen nach dem (möglichst sofortigen) ROI eines Datenprojekts auf oder danach, wann die große Vision vom digitalen Geschäftsmodell endlich erfüllt sei. Man gewinnt manchmal den Eindruck, die Unternehmen würden den Marshmallow lieber sofort verspeisen.

In der Praxis brauchen tiefgreifende Transformationen aber Zeit. Der Gegenwert einer Investition mag sich erst nach einer Weile einstellen: ein weiterer Grund, warum auch vorgeplante »Quick Wins« wichtig sind. Zu einer guten Planung und Strategie gehört aber auch dazu, in bestimmten Phasen auf den zweiten Marshmallow warten zu können, inkrementelle Fortschritte auszuhalten, die Stakeholder nach und nach mitzunehmen und sich so der großen Vision produktiv anzunähern.

5. Neues Personal ist nicht die (einzige) Antwort

Es ist natürlich richtig, fehlende Kompetenzen und Fähigkeiten im Unternehmen aufzubauen. Allerdings gibt es auch unter Data Scientists sehr unterschiedliche Fähigkeiten und Erfahrungen. Wurden außerdem die vorherigen Schritte nicht beachtet – so dass beispielsweise nicht die nötigen Mittel und Ressourcen für ein Projekt zu Verfügung stehen – führt auch eine Erweiterung der Belegschaft allein nicht zum Erfolg. 

Zu guter Letzt: Zahlt eine Datenstrategie wirklich auf die definierten strategischen Ziele des Unternehmens ein? Nur wer hier nicht zweigleisig fährt, wird die Umsetzung beider Ziele nachhaltig gewährleisten können.

 


Dr. Boris Michel,
Head of Sales and Strategy
bei INFORM DataLab

 

 

Illustration: © klee048/shutterstock.com