Aldi in China: Was uns die Expansion des Unternehmens über Privatsphäre im E-Commerce lehrt

Prof. Dr. Renata Thiébaut ist Professorin für E-Commerce an der GISMA University for Applied Sciences in Potsdam. Als Sinologin und langjährige China-Expertin versucht sie, erfolgreiche Methoden aus west- und östlichen Geschäftsmodellen zu kombinieren, denn mit Blick auf die moderne Wirtschaft gibt es dort Entwicklungen, von denen Deutschland und Europa weit entfernt sind.

Angesichts der aktuellen Insolvenz von Peek & Cloppenburg oder etwa Galeria Kaufhof Karstadt, einst Deutschlands größte Modehändler und Warenhäuser, stellt sich die Frage, wie Unternehmen hierzulande ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten und stärken können. Ein Blick Richtung Osten könnte Aufschlüsse über den Status Quo geben.

 

Aldi setzt Trends auf dem asiatischen Markt

Aldi war im Vergleich zu seinem deutschen Pendant Metro und anderen Akteuren wie Costco und Auchan ein Nachzügler auf dem chinesischen Markt. Sein Geschäftskonzept, mit einer reinen E-Commerce-Strategie zunächst im Test, um dann die vollständige Expansion durch den physischen Einzelhandel mit prägnanten kassenlosen Geschäften zu vollenden, war jedoch bahnbrechend. Im Fall von Aldi war ein integriertes System, das stark auf verschiedenen Datenanalyseansätzen basiert, entscheidend für den Erfolg.

Dank der Implementierung eines SaaS-Systems, das Daten über verschiedene Verkaufs- und Social-Media-Kanäle sammelt, um diese Bedürfnisse vollständig zu verstehen, konnte das Unternehmen die Produktion rationalisieren und sich auf Produkteinführungen konzentrieren, die auf den Bedürfnissen der Verbraucher basieren.

Prof. Thiébaut gibt folgendes Beispiel: »Nach der Datenanalyse haben wir an der Produktauswahl für die Aldi-Filiale auf der Alibaba-Plattform in China gearbeitet. Diese Auswahlphase erfolgte durch eine eingehende Analyse der Branchendaten und des Verbraucherverhaltens. Anstatt wie andere Marken 1 Liter UHT-Milch zu verkaufen, nahmen wir beispielsweise auch 250 ml SKUs auf, da die meisten chinesischen Verbraucher 250 ml bevorzugen, um sie den ganzen Tag über in der Tasche zu haben. Der Absatz von UHT-Milch stieg um 20 %. Wir beschlossen außerdem, Drittmarken mit hoher Nachfrage aufzunehmen, da die Eigenmarken von Aldi auf dem chinesischen Markt nicht bekannt waren. Durch die Aufnahme von Aptamil-Säuglingsnahrung in unser Sortiment konnten wir innerhalb eines Monats eine Umsatzsteigerung von 25 % verzeichnen«.

In Europa wohl undenkbar, vermutet die Handelsexpertin Prof. Dr. Renata Thiébaut: »Die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse sind – ohne zu werten – einfach sehr unterschiedlich. Während es in China schon seit langer Zeit völlig normal ist, eine Vielzahl von Daten zu sammeln, um optimal digital agieren zu können, geht Europa viel strenger mit dem – aus westlicher Sicht – hohen Gut der Privatsphäre um. Das hat in diesem Fall natürlich auch Auswirkungen auf wirtschaftlichen Erfolg. Jede Gesellschaft muss letztendlich für sich klären, welche Prioritäten sie bevorzugt«.

 

Asien und Europa: Die Gesellschaften ticken unterschiedlich

Diese gesellschaftlichen Faktoren spielen hier eine sehr große Rolle. In China ist es schon seit Jahren völlig normal, viele Prozesse digital abzuwickeln. Die Menschen haben sich bereits daran gewöhnt.

Neue Technologien, die in Deutschland oft durch Datenschutzbedenken gebremst werden, wie die Bezahlung per Gesichtserkennung oder Fingerabdruck, sind in Asien bereits weit verbreitet und etabliert. »Die Frage, ob wir hier Nachholbedarf haben und ob wir diesen Preis des ›gläsernen Kunden‹ auf Kosten der Technik zahlen möchten, muss jede Gesellschaft für sich klären«, sagt GISMA Professorin Renata Thiébaut. Sie fügt einen Ausblick hinzu, wie beides kombiniert werden könne:

»Es gibt bestimmte Möglichkeiten, die Interaktion mit dem Verbraucher durch Live-Commerce und Metaverse-Commerce – beides boomende Branchen in China – zu fördern und gleichzeitig den Verbraucherschutz zu berücksichtigen.«

 


 

Was muss ein deutsches Unternehmen beim E-Commerce in China beachten?

 

E-Commerce ist in China ein wichtiger und wachsender Markt, der viele Chancen für deutsche Unternehmen bietet. Allerdings gibt es auch einige Herausforderungen und Besonderheiten, die man kennen und beachten sollte, bevor man sich in das Abenteuer stürzt. Hier einige Tipps und Ratschläge, wie man erfolgreich im chinesischen E-Commerce agieren kann.

 

  1. Kenne deine Zielgruppe

China ist ein riesiges Land mit einer vielfältigen und anspruchsvollen Kundschaft, die hohe Erwartungen an Qualität, Service und Innovation hat. Um sich von der Konkurrenz abzuheben, muss man seine Zielgruppe genau verstehen und auf ihre Bedürfnisse und Präferenzen eingehen. Dazu gehört auch, die kulturellen Unterschiede zu berücksichtigen, die sich zum Beispiel in der Sprache, den Zahlungsmethoden oder den sozialen Medien widerspiegeln.

 

  1. Wähle die passende Plattform

China hat eine eigene und dynamische E-Commerce-Landschaft, die von lokalen Tech-Giganten wie Alibaba, Tencent oder JD dominiert wird. Diese bieten verschiedene Plattformen an, die unterschiedliche Segmente und Nischen bedienen. Zum Beispiel ist Taobao die größte C2C-Plattform, auf der fast alles verkauft wird, während Tmall eine B2C-Plattform ist, die vor allem Markenprodukte anbietet. Um die richtige Plattform für sein Produkt oder seine Dienstleistung zu finden, muss man die Vor- und Nachteile sowie die Kosten und Anforderungen jeder Option abwägen.

 

  1. Nutze die Kraft des Social Commerce

Social Commerce ist ein Trend, der in China immer mehr an Bedeutung gewinnt. Dabei werden soziale Medien wie WeChat, Weibo oder Xiaohongshu genutzt, um Produkte oder Dienstleistungen zu bewerben, zu empfehlen oder direkt zu verkaufen. Social Commerce ermöglicht es, eine persönliche Beziehung zu den Kunden aufzubauen, ihr Vertrauen zu gewinnen und ihre Loyalität zu erhöhen. Außerdem kann man von der Mundpropaganda und dem Einfluss von Meinungsführern oder Influencern profitieren.

 

  1. Biete einen exzellenten Kundenservice

Kundenservice ist in China ein entscheidender Faktor für den Erfolg im E-Commerce. Die chinesischen Kunden erwarten eine schnelle, einfache und sichere Abwicklung ihrer Bestellungen sowie eine hohe Verfügbarkeit und Erreichbarkeit des Verkäufers. Dazu gehört auch, einen effizienten und kundenfreundlichen Versand- und Rückgabeprozess anzubieten sowie einen professionellen und hilfsbereiten Kundensupport zu gewährleisten.

 

  1. Halte dich an die gesetzlichen Vorschriften

E-Commerce in China unterliegt einer Reihe von gesetzlichen Vorschriften, die je nach Branche oder Produkt variieren können. Dazu gehören zum Beispiel Steuern, Zölle, Lizenzen, Zertifikate oder Datenschutzbestimmungen. Um rechtliche Probleme oder Strafen zu vermeiden, muss man sich über die geltenden Regeln informieren und sie einhalten.

 

Fazit

E-Commerce in China ist eine spannende und lukrative Möglichkeit für deutsche Unternehmen, die jedoch auch einige Herausforderungen mit sich bringt. Mit einer guten Vorbereitung, einer klaren Strategie und einer Anpassung an den lokalen Markt kann man jedoch erfolgreich im chinesischen E-Commerce bestehen.

 


 

Welchen Unterschied gibt es beim E-Commerce in China und Deutschland?

E-Commerce ist der elektronische Handel von Waren und Dienstleistungen über das Internet. China und Deutschland sind zwei wichtige Akteure im globalen E-Commerce-Markt, aber sie unterscheiden sich in vielen Aspekten.

China ist das Land mit dem größten Anteil am weltweiten E-Commerce-Umsatz und gehört aufgrund der Marktgröße und des Innovationspotenzials zu den attraktivsten E-Commerce-Märkten weltweit. Im Jahr 2020 wurden im Online-Einzelhandel in China rund 2,16 Billionen US-Dollar erwirtschaftet. Der Umsatz soll kontinuierlich steigen und sich im Jahr 2025 auf knapp 3,79 Billionen US-Dollar belaufen. China hat den Mehrwert des Messagings für den Online-Handel erkannt und umgesetzt. Konzepte wie Digital Wallets und Mobile Payment sind in China weitläufig akzeptiert. Die chinesische Regierung zählt zu den Early Adopters und Siegern des E-Commerce und fördert die digitale Entwicklung mit verschiedenen Initiativen und Investitionen.

Deutschland ist der fünftgrößte E-Commerce-Markt der Welt und der zweitgrößte in Europa. Im Jahr 2020 betrug der Umsatz im Online-Einzelhandel in Deutschland rund 92,5 Milliarden Euro. Der Umsatz soll bis 2025 auf rund 118,8 Milliarden Euro ansteigen. Deutschland ist ein reifer und wettbewerbsfähiger Markt mit hohen Qualitätsstandards und Verbrauchererwartungen. Die deutschen Online-Käufer sind anspruchsvoll und preisbewusst. Sie legen Wert auf Sicherheit, Datenschutz, Transparenz und Nachhaltigkeit. Die deutschen E-Commerce-Anbieter müssen sich ständig an die sich ändernden Kundenbedürfnisse anpassen und sich von der internationalen Konkurrenz abheben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass China und Deutschland zwei sehr unterschiedliche E-Commerce-Märkte sind, die jeweils ihre eigenen Herausforderungen und Chancen bieten. Um in beiden Märkten erfolgreich zu sein, müssen die E-Commerce-Anbieter die lokalen Besonderheiten verstehen und eine maßgeschneiderte Strategie entwickeln.