Cloud oder (Colocation-)Rechenzentren – Wohin mit den Unternehmensdaten?

Fünf Fragen an Wolfgang Kaufmann, Geschäftsführer des Rechenzentrumsanbieters Datacenter One.

Datensicherheit, künstliche Intelligenz, Automatisierung von Prozessen, Kostenreduktion oder Nachhaltigkeit: Das sind nur einige Stichworte, mit denen Unternehmen sich in der (digitalen) Arbeitswelt auseinandersetzen müssen. Gleichzeitig laufen in den Unternehmen mehr und mehr Daten auf, die möglichst effizient genutzt werden sollten – das verlangt enorme Kapazitäten. In diesem Zusammenhang sind viele strategische Entscheidungen zu treffen. Wo sollen die eigenen Daten sicher und schnell abrufbar liegen: in einem eigenen Rechenzentrum, Colocation-Rechenzentren oder in der Cloud? Was spricht für welche Lösung? Wie sollten sich Rechenzentren und Unternehmen für die Zukunft aufstellen? Ein Experteneinblick.


203 Milliarden Euro Schaden pro Jahr durch Cyberangriffe auf deutsche Unternehmen: Sicherheit ist ein großes Thema – zumal Unternehmen sich mehr und mehr datengetrieben aufstellen und darauf angewiesen sind, dass ihre IT-Lösungen zuverlässig laufen [1]. Herr Kaufmann, worauf sollten Unternehmen bei der Wahl des passenden Speicherorts achten?

Unternehmen müssen sich auf eine sichere Speicherung und schnelle Verfügbarkeit ihrer Daten verlassen können, da kann jeder Spionage-Angriff, Diebstahl oder eine Sabotage zu Umsatz- und Reputationsverlusten führen. Noch viel zu wenige Organisationen sind darauf eingestellt und selbst in der Lage, den reibungslosen Betrieb sicher zu gewährleisten. Untersuchungen zeigen, dass deutsche Unternehmen in Sachen Cybersecurity weltweit im Mittelfeld liegen [2]. In Europa nehmen sie zwar den Spitzenplatz ein, dennoch sehen sich nur 11 Prozent der Unternehmen bestmöglich auf Cyberangriffe vorbereitet. Werden die eigenen Rechenzentren angegriffen oder fallen aus, hat dies in der Regel erhebliche Konsequenzen: Kundendaten können in falsche Hände geraten, digitale Angebote oder Services für Kunden nicht mehr erreichbar sein – das ist nicht nur mit hohen Kosten verbunden, sondern bedeutet auch einen Vertrauensverlust bei Kunden, Investoren oder Partnern.

 

Wolfgang Kaufmann,
Geschäftsführer von
Datacenter One

 

Moderne, zertifizierte Colocation-Rechenzentren bieten hier gute und sichere Lösungen: vielseitig abgesicherte Gebäude, redundante und unterbrechungsfreie Stromversorgung, energieeffiziente Kühlsysteme, Connectivity-Lösungen und ein Supportteam, das rund um die Uhr zur Verfügung steht [3]. Die Unternehmen können ihre Daten dort komplett oder auch nur teilweise auslagern und entscheiden jederzeit, wer Zugriff auf ihre Daten haben darf. Damit erreichen diese Rechenzentren mit ihren umfangreichen technischen und organisatorischen Maßnahmen hohe Verfügbarkeitswerte der Daten und eine hohe Ausfallsicherheit. Sie garantieren Standards, die auch von Regulierern und Wirtschaftsprüfern anerkannt werden.


Die Cloud war für viele Unternehmen in der Pandemie die erste Wahl. Nun gibt es vereinzelt bereits Bestrebungen, Daten wieder aus der Cloud zu holen. Wie sehen Sie das und welches Modell würden Sie Unternehmen empfehlen?

Es kann sein, dass die Cloud-First-Strategie, sei es aus Kosten-, aber auch aus Sicherheitsgründen, nicht mehr so uneingeschränkt gilt. Vor allem die sich -verändernden Herausforderungen an den Arbeitsplatz und damit einhergehend die zunehmende remote Arbeit hat viele Unternehmen veranlasst, auf Cloud-Lösungen zu setzen. Aus meiner Sicht ist ein Mix aus Colocation-Rechenzentrum und Cloud von Vorteil, je nachdem um welche Unternehmensdaten es sich handelt und wie man strategisch mit diesen umgehen möchte. Lange standen Rechenzentren beziehungsweise Edge und Cloud Computing zumeist im Gegensatz zueinander. Mit dem Einzug von IoT in die Organisationen ergibt diese Trennung jedoch keinen Sinn mehr. Statt sich konträr gegenüberzustehen, bilden Edge und Cloud vielmehr eine sinnvolle Ergänzung – für viele Unternehmen sind hybride Lösungen so heute der Königsweg.


Die weltweite Datenmenge wird in den nächsten Jahren weiter steigen. KI und Machine Learning werden an Relevanz zunehmen, was mehr Rechnerkapazitäten bedeutet, die (zum Teil) ausgelagert werden müssen [4]. Sind Rechenzentren aktuell dieser Datenflut gewachsen?

Für das Jahr 2025 prognostiziert die International Data Corporation (IDC) ein gigantisches weltweites Volumen von jährlich 175 Zettabyte erzeugten, verbrauchten und gespeicherten Daten [5]. Das sind 175 Billionen Gigabyte oder um es noch anschaulicher zu machen: eine 175 mit 21 Nullen. 2020 waren es noch rund 64 Zettabyte. Diese Studie zeigt aber ebenfalls, dass künftig auch kleinere Rechenzentren am Rande des Internets – sogenannte Edge Datacenter – einen erheblichen Bedeutungszuwachs bekommen werden. Ein Aspekt wird in diesem Zusammenhang zunehmend wichtig: Die Verarbeitung der Daten vor Ort beziehungsweise dezentral am Rande des Netzwerks. IT-Ressourcen werden also weder in einem entfernten Rechenzentrum noch in der Cloud zur Verfügung gestellt.
Der Vorteil: eine geringere Latenz, also eine Antwortzeit, die nur wenige Millisekunden beträgt. Dabei gibt es drei verschiedene Kategorien: 

  • Legacy Edge Computing: Die Daten werden lokal in den Räumlichkeiten des Unternehmens verarbeitet. Diese Rechenzentren sind klein und bestehen meist nur aus wenigen einzelnen Servern. 
  • Geografisches Edge Computing: Hierbei handelt es sich um Content-Delivery-Netze und Cloud-Dienste, die überwiegend in Colocation-Rechenzentren gehostet werden.
  • Dynamisches Edge Computing: Diese Kategorie umfasst in erster Linie IoT- oder Streaming-Dienste. Dynamische Edge-Geräte verfügen in der Regel nur über eine mobile Internetverbindung und sind daher auf geeignete Datenverbindungen angewiesen.

Nach Angaben der Bitkom sind die Kapazitäten der Rechenzentren in Deutschland in den letzten fünf Jahren zwar kontinuierlich und erheblich gestiegen und ihre Effizienz wurde deutlich verbessert, doch angesichts der extremen Datenströme wird auch in Zukunft ein weiterer Ausbau der Rechenzentrumsinfrastruktur notwendig sein [6].


Rechenzentren stehen gerade beim Thema Nachhaltigkeit vor Herausforderungen. Stichwort: Energieeffizienz.

Der Energieverbrauch ist sowohl eine Frage der Nachhaltigkeit als auch ein zentraler Kostenfaktor [7]. Zertifizierte Rechenzentren rücken das Thema daher sehr in den Fokus. Sie werden inzwischen oft mit 100 % Ökostrom betrieben und verfügen über modernste Kühlsysteme. Zudem streben sie einen möglichst niedrigen PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) an. Dieser Wert gibt das Verhältnis zwischen dem Gesamtenergieverbrauch des Rechenzentrums und dem Energieverbrauch der gesamten IT wieder. Das bedeutet: Je niedriger der PUE-Wert, desto energieeffizienter der Betrieb. Im Durchschnitt liegt der Wert in deutschen Rechenzentren bei 1,8 – als effizient gelten Werte von unter 1,3, was wir in unseren Rechenzentren zum Beispiel erreichen.


Welche Trends sehen Sie für das Jahr 2024 und vielleicht auch schon darüber hinaus?

Mit drei großen Themen werden sich Rechenzentren auch zukünftig beschäftigen: KI, Nachhaltigkeit, Big Data – und in der Konsequenz mit steigenden Anforderungen an die Rechnerkapazitäten.

KI wird in vielen Bereichen immer mehr in den Fokus rücken. Automatisierung von Prozessen, verbesserte Sicherheit, Energieeffizienz – das sind einige Stichworte, für die KI in Rechenzentren von Nutzen ist. Sie ist da sinnvoll, wo sie die Betriebseffizienz sowie Geschäftsergebnisse verbessert und Kosten senkt. Auch für das Thema Sicherheit in und außerhalb von Rechenzentren wird KI in Zukunft mehr Bedeutung gewinnen. Besonders das Thema GenAI, also generative KI, steht zurzeit auf der Agenda von CEOs und Vorständen, die das transformative Potenzial dieser Technologie nutzen wollen – laut Gartner planen Unternehmen in diesem Bereich massive Investitionen [8]. Das bedeutet gleichzeitig die Verarbeitung und Nutzung enormer Datenmengen und für die Unternehmen eine massive Erhöhung ihrer Rechnerleistung.

Die regulatorischen Anforderungen an Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsinitiativen auch mit konkreten Zahlen zu belegen, also Nachweise zu liefern, werden weiterhin zunehmen. Um darauf vorbereitet zu sein, müssen Unternehmen ebenfalls große Datenmengen speichern, aufbereiten und auswerten. Rechenzentren müssen sich hierauf einstellen und proaktiv nach nachhaltigen Lösungen suchen, um selbst nachhaltig zu agieren. Hier gibt es viele Möglichkeiten, die auch schon zur Anwendung kommen: Kühlung über Luft/Luft-Wärmetauscher ausschließlich mithilfe der Außenluft, Einsparung von Wasser, Nutzungsmöglichkeiten für Abwärme und Wiederverwendung von Serverequipment, um nur einige zu nennen. Datacenter One ist zum Beispiel dem Climate Neutral Data Centre Pact beigetreten.

Es braucht also skalierbare Lösungen, die flexibel mit den Anforderungen der Unternehmen mitwachsen und schnell einsatzbereit sind – hier kann Colocation eine Lösung bieten.

Vielen Dank für das Interview.

 


Wolfgang Kaufmann ist Geschäftsführer des Rechenzentrumsanbieters Datacenter One und besitzt über 20 Jahre Erfahrung in Planung, Bau und Betrieb von Rechenzentren. Als Experte für innovative Infrastrukturlösungen hat er das erste komplett in modularer Bauweise errichtete Rechenzentrum in Deutschland realisiert. Datacenter One hat derzeit fünf Rechenzentren an den Standorten Stuttgart (2x), Düsseldorf, Leverkusen und Hamburg und mehr als 140 Kunden. Zusammen mit den bestehenden Rechenzentren von AtlasEdge in Hamburg und Berlin bieten Datacenter One und AtlasEdge gemeinsam ihre Rechen-zentrums-services in fünf deutschen Metropolregionen an.

 

[1] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Wirtschaftsschutz-2022
[2] https://b2b-cyber-security.de/cybersecurity-deutschland-weltweit-mittelfeld-in-europa-spitze/ 
[3] https://www.dc1.com/colo-connect/ 
[4] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Deutsche-Wirtschaft-drueckt-bei-Kuenstlicher-Intelligenz-aufs-Tempo 
[5] https://www.seagate.com/files/www-content/our-story/trends/files/idc-seagate-dataage-whitepaper.pdf 
[6] https://www.bitkom.org/sites/main/files/2022-02/10.02.22-studie-rechenzentren.pdf 
[7] https://www.dc1.com/nachhaltigkeit/
[8] https://www.bigdata-insider.de/die-investitionen-in-generative-ki-nehmen-zu-a-2a56206354375ec5fdfbaca07f822d26/?cmp=nl-274&uuid=3f7919a3c68ae4a2e7e0e085956e71b2

 

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