Textkernel, Daxtra, JoinVision oder Burning Glass revolutionieren den Human-Resources-Markt: intelligente Bewerbermanagementsysteme der neuesten Generation lesen Bewerbungen automatisch ein, verarbeiten sie und liefern so den Recruitern eine maßgeschneiderte Vorschlagsliste. Nicht nur die Anwender profitieren durch Zeit- und Ressourcenersparnis von der neuen Software, sondern auch die Bewerber. Intelligente Systeme können deren Fähigkeiten besser erkennen, so dass sie noch gezielter auf Shortlists von Recruitern oder Projektverantwortlichen landen.
Intelligente Bewerbermanagementsysteme setzen sich seit etwa zwei Jahren auch in Europa durch und bieten mittlerweile völlig neue Möglichkeiten der Bearbeitung und Klassifizierung eingehender Bewerbungen. Wurden Beraterprofile und CVs bislang manuell in Bewerbermanagementsysteme eingepflegt, geschieht dies mit den Programmen neuester Generation größtenteils automatisch – und das auch noch auf intelligente Art und Weise.
Kontextualität nennt man das neue Prinzip dieser Software, die einfaches semantisches Suchen – also das bloße Zählen von Suchbegriffen innerhalb des CVs – ablöst und die Systeme so zu lernenden Datenverarbeitern macht. Das Programm erkennt Kernkompetenzen, ordnet die Relevanz von Erfahrungen aufgrund der zeitlichen Abfolge beziehungsweise Intensität von Tätigkeiten ein und leitet auf dieser Basis eine Auswahl an Treffern ab. Dabei bewertet das System die CVs nicht anhand der Quantität von gefundenen Suchbegriffen, sondern ordnet diesen auch andere Objekte zu, die im Kontext zu den jeweiligen Suchwörtern stehen. So wird die Entwicklung von Social-Media-Strategien oder das Verfassen von Texten als Marketing-Skill erkannt. Außerdem weiß das System, dass eine Tätigkeit im Bereich Kommunikation vor zehn Jahren weniger aussagekräftig und relevant ist als eine entsprechende aktuelle Erfahrung.
Zeitersparnis, Effizienz und Treffsicherheit. Die anwendenden Unternehmen werden in Zukunft gleich in mehrfacher Hinsicht von den neuen Möglichkeiten profitieren: Zeitersparnis, Personaleinsatz für andere wichtige Aufgabenbereiche wie Kandidatenqualifizierung, persönliche Kandidatenbetreuung und eine deutlich feinere und genauere Suche. Aktuell operieren vor allem Großkonzerne, Personaldienstleister sowie Jobportale mit diesen Systemen.
Kleinere und mittlere Unternehmen, die über keine großen HR-Abteilungen verfügen, werden ihre Kandidaten auch weiterhin auf herkömmlichem Weg managen. Dennoch sollten sich Bewerber bereits frühzeitig auf das moderne Managementverfahren einstellen, um künftig von den Vorteilen zu profitieren. Denn sie können damit ihre Chancen signifikant steigern, in die Endauswahl des Bewerberprozesses zu kommen oder, im Fall von Freiberuflern, die begehrten Projektanfragen zu erhalten. Zudem entfällt damit künftig immer stärker die Notwendigkeit, bei Karriereportalen die Angaben zu Karrierestationen und Skills manuell einzugeben.
Im Klartext heißt das für den Bewerber aber auch, auf zu kreativ formulierte Beschreibungen und außergewöhnliche Layouts zu verzichten, denn für Großunternehmen und Personaldienstleister ist ein maschinenlesbarer, kontextualisierter Lebenslauf ideal. Doch um vom neuen Zeitalter profitieren zu können, muss der Kandidat zunächst wissen, wie er diese Chancen für sich nutzt.
Der Weg zum maschinenlesbaren Profil. Zunächst sollten Bewerber mit dem »Naturgesetz« des PDFs brechen – maschinenlesbare Profile werden in Word, Apple Pages, OpenOffice oder Rich Text Format als offene Datei bereitgestellt. Dafür sollte das Profil gut strukturiert und in die Bereiche persönliche Informationen, Ausbildung/Studium, Projekte/Berufserfahrung, Auszeichnungen und Interessen unterteilt sein. Wichtig: Alle Informationen werden auf einer Textebene dargestellt, nicht in Textfelder, Kopf- und Fußzeilen oder gar Tabellen untergliedert. Außerdem relevant: eine stringente Struktur der Informationen, das heißt, jedes Element wird in genau dem gleichen Layout wie das vorherige und nachfolgende Element angelegt. Das gilt besonders für den Bereich »Projekte/Berufserfahrung«. Hier sind die CV-Parser auf Kontextualität angewiesen, beispielsweise wird der Arbeitgeber meist im Kontext zwischen Firmenname, Unternehmensform und der Wortnähe zum Zeitraum erkannt. Bei der Profilstruktur helfen Zwischen-Headlines im selben Format für die entsprechenden CV-Bereiche. Bei Aufzählungen sollte nur das Bullet-Point-Format verwendet und – wenn möglich – auch nur eine Information pro Zeile hinterlegt werden, welche mit einem Satzzeichen endet. Eine der wichtigsten Regeln: eine Beschreibung jedes Projekts beziehungsweise jeder Arbeitsstelle mit den dazugehörigen Tätigkeiten, Skills und Zertifikaten, sodass das System die Intensität der Erfahrungen im Kontext bewerten kann. Durchläuft man mehrere Positionen in einem Unternehmen, sollten diese außerdem immer einzeln positioniert und mit den entsprechenden Tätigkeitsprofilen versehen sein. Last, but not least sollte man jeder Position auch die entsprechende Branche zuordnen und relevante Fachbegriffe der Branche nutzen.
Effektivität vs. Optik. Für viele Kandidaten mag dies im ersten Moment ungewohnt erscheinen. Im Zeitalter der digitalen Transformation rücken Optik und Layout in den Hintergrund – Konsistenz, Struktur und der Inhalt jenseits der Keywords gewinnen für die Kandidatensuche noch mehr an Bedeutung. Bis sich die neuen Systeme breit im Markt durchsetzen, werden noch ein bis drei Jahre vergehen. Dass sie die Arbeit von Personalern und der Recruiting-Branche weg von der manuellen Kandidatensuche hin zur umfassenderen Kandidatenqualifikation verändern werden, ist aber tatsächlich nur noch eine Frage der Zeit.
Hans-Joachim Jänichen,
Manager Academy & Innovation,
Goetzfried AG