Das Sechseck des Stillstands erkennen und durchbrechen – Zeichen des Stillstands

Die Geschäfte laufen wie geschmiert, und plötzlich bricht der Umsatz weg – so oder so ähnlich ergeht es vielen Unternehmen. Was wie eine Klippe anmutet, entspricht in Wahrheit einem seichten Abhang. Welche Vorzeichen deuten das nahende Ende des Firmenwachstums an und wie beugen Leitende diesem vor?

Lange bevor Probleme sich in den Zahlen reflektieren, erkennen aufmerksame Leader erste Hinweise. Es gibt sechs Schwerpunktbereiche die als Wurzeln des Stillstands betrachtet werden können: Finanzen, Produkte, Mitarbeitende, Einstellung, Recruiting, Problembehandlung.

1. Ohne Glacéhandschuhe: Finanzen.

Verfallen Positionen in höheren Rängen der Versuchung der Harmonie, lauern finanzielle Notstände. »Hinter vielen Insolvenzen steckt eine harmoniesüchtige Leitungsperson«, fasst Grundl zusammen. Bedürfnis nach Eintracht verhindert offene Gespräche und schwerwiegende, schmerzende Entscheidungen – auch und gerade in Bezug auf Monetäres. Klarheit räumt auf: Ein deutliches Profil der internen Ziele und Leitmotive bahnt den Weg und schenkt Mut fürs Aussprechen von Unbequemem. Schwachstellen kommen offen, wertschätzend und frühzeitig zur Sprache, um aktiv Verbesserungen anzustoßen.

2. Das Produktkarussell dreht sich wieder.

Bisherige Kassenschlager verlieren ihren Glanz oder scheitern wegen mangelnder Skalierbarkeit; neue Ideen kleben an Altbewährtem. Der Grund liegt am Umgang mit Fehlern. »In vielen Unternehmen interpretieren Führungspersonen Fehlerkultur als Vermeidungsstrategie. Dabei spornt nur Fehlerlernkultur das Wachstum an.« Fehlervermeidekultur schafft eine Atmosphäre der Angst: Fehler dürfen passieren, werden aber bis ins Detail seziert und dann einem oder einer Schuldigen zugeordnet. Um Kritik vorzubeugen, verzichten Mitarbeitende daher lieber auf unkonventionelle Ideen. Anders verhält es sich in einem Arbeitsumfeld, das Fehler als Basis zum Lernen begreift. Statt einen Prozess ad acta zu legen, weil beim ersten Versuch etwas schief ging, tüfteln Teammitglieder gemeinsam aus, welche einzelnen Elemente gut funktionierten und implementieren diese im nächsten Projekt. Ganz wichtig: nicht nachtragend sein! Positive Fehlerlernkultur kurbelt Kreativität, Zugehörigkeitsgefühl und Verantwortungsbewusstsein an – was neue Produkte generiert.

3. Systematisch Talente halten: Recruiting.

Schon wieder die Stelle der mittleren Leitungsebene zu besetzen? Der letzte Neuzugang lief schon vor Ende der Probezeit davon? Unsystematische oder den Launen Einzelner unterworfene Firmenstrukturen schüren Abhängigkeiten von Individuen und vergrätzen neu eingestiegene Talente. Entscheidungen dürfen keinen Alleingängen der Führungsriege erwachsen – hageln Ankündigungen ohne Vorwarnung von oben herab, entsteht schnell Frustration auf den Fluren. Statt dessen verleihen transparente Standards und nachvollziehbare Systeme Orientierung und objektive Vergleichbarkeit. Sie ermuntern dazu, sich als Teil des Systems zu fühlen und überdurchschnittliche Leistung für Team und Firma erbringen zu wollen. Führung bedeutet, Systeme mit eindeutigen Abläufen und Zuständigkeiten zu schaffen, die das Selbstlaufen fördern.

4. Die Kunst der Problembehandlung.

Aufmerksame Mitarbeitende beschleicht früh eine Ahnung über stockende Entwicklungen. Bei anderen Teammitgliedern nagt familiäre Pflege oder ein persönliches Desaster am Kraftreservoir. Statt nach vorne zu schauen, erscheinen sie lustlos zur Arbeit oder hangeln sich gereizt von Meeting zu Meeting, worunter bald die gesamte Kollegenschaft leidet. Greift niemand ein, windet sich die Abwärtsspirale weiter nach unten. Abhilfe schafft mentale Transformation: weg von diffuser Aufgaben- hin zur zielgerichteten Ergebnisorientierung. Statt Punkt für Punkt einer Liste abzuarbeiten und sich im Tagwerk zu verzetteln, rufen Gewillte sich vor Augen, welches Ergebnis sie am Ende des Tages erzielt haben wollen, und behalten das Ziel im Auge. Das befeuert beherztes Agieren und eine positive Grundhaltung – Tag für Tag. Für befähigende Leader gilt, diese mentale Landkarte bei jedem einzelnen Mitarbeitenden abzustecken und mit den Zielen der Firma in Einklang zu bringen. Mit ergebnisorientierten Aufgabenbeschreibungen, aufmerksam und regelmäßig im gemeinsamen Gespräch gecheckt, schüren sie Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit. Sorgfältige Projektführung verdeutlicht die Sinnhaftigkeit eines Projekts und die Wichtigkeit des oder der Zuständigen.

5. Einstellung.

Kennen alle Firmenmitglieder ihren Aufgabenbereich und begreifen, was sie zum Unternehmensziel beitragen, übernehmen sie euphorisch Verantwortung. Diese Begeisterung zu vermitteln fällt leicht, wenn die Organisation ein klares Bild ihrer Kerns vermittelt. Erfolgreiche Betriebe zeichnet eine klare und spitze Positionierung aus; alle Mitarbeitenden wissen, wo sich das Unternehmen auf dem Markt einordnet, welche Werte es vertritt und was sein Alleinstellungsmerkmal darstellt. Dabei hilft es die klaren Visionen unter folgender Frage schriftlich festzuhalten: Was strahlt nach innen, was strahlt nach außen? Die Antwort sowie eine spitze Positionierung fördern einen hohen Grad an Identifikation der Mitarbeitenden. Ich weiß, für wen ich arbeite – ich spüre Sinn in meinem Tun. Ohne diese Antriebsfeder fahren Menschen selbst bei gutem Gehalt auf Dauer nur mäßige Ergebnisse ein. Eine weitere wichtige Rolle spielt, verbindende und trennende Aspekte zwischen sich und ihrem Betrieb zu erkennen. Konzentrieren sich eifrige Mitarbeitende auf das Verbindende, fördert dies die Entwicklung der eigenen Stärken.

6. Performer statt Poser: Mitarbeitende.

Gehaltserhöhung, Firmenwagen, Boni oder VIP-Karten: Führungspersönlichkeiten verfallen leicht dem Sehnen nach Status. Persönliche Erfolge und exzellentes Image glänzen für sie im Scheinwerferlicht. Ihre Energie kanalisieren sie ins persönliche Fortkommen. Doch Selbstbezüglichkeit senkt auf Dauer das Leistungsniveau – und steckt an. Wer seinem Team das Ego-Posen vorlebt, erntet als Belohnung seinerseits Statusgierige. Positive Kräfte setzt der intrinsische Wunsch frei, Anerkennung für Ergebnisse zu erringen und seinen Ehrgeiz nach dem Besten für die Organisation zu richten. Leitende ermutigen zu dieser Einstellung durch Aufzeigen des Sinns, des Zusammenhalts und durch die eigene Performance.

 


Boris Grundl,
Führungsexperte
www.grundl.de
www.verantwortungsindex.de

 

 

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