Deutsche Wirtschaft setzt zum Jahresendspurt an

Im Oktober weist das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) für das dritte Quartal einen Indexstand von 104 Punkten auf – geringfügig weniger als für das zweite Quartal, in dem die deutsche Wirtschaft um knapp ein halbes Prozent gegenüber dem Vorquartal zulegen konnte. Für das Schlussquartal steigt der Index auf 107 Punkte an. »Zuletzt fielen wichtige Konjunktursignale enttäuschend aus – Produktion und Bestellungen in der Industrie sinken, die Unternehmensstimmung trübt sich ein. Die Konjunktur in Deutschland bricht aber nicht ein. Sie nähert sich vielmehr allmählich einer Normalauslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten an«, kommentiert DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen die aktuelle Entwicklung. Das Konjunkturbarometer signalisiert ein solides Wachstum von knapp 0,4 Prozent für das dritte und sogar von 0,6 Prozent für das vierte Quartal 2018.

Vor dem Hintergrund der Engpässe beim neuen Modell-Zertifizierungsverfahren, mit denen die Autohersteller – zumindest im Sommer – zu kämpfen hatten, könnte das Barometer die Entwicklung im dritten Quartal möglicherweise überschätzen. »Trotz der leichten Konjunkturdelle im Sommer bleiben aber wichtige Treiber der deutschen Konjunktur intakt«, so DIW-Konjunkturexperte Simon Junker. »Der Arbeitsmarkt läuft rund, die Löhne steigen merklich, und für das kommende Jahr stehen unter anderem Erleichterungen bei den Sozialabgaben auf dem Programm, die den Konsum zusätzlich ankurbeln werden.« Unter diesen Vorzeichen dürfte die Binnennachfrage kräftig bleiben, und auch die Impulse aus dem Ausland schwächen sich im Einklang mit einer sich insgesamt leicht entschleunigenden Weltkonjunktur nur nach und nach ab.

 


 

Konjunkturprognose: Der Wirtschaftsaufschwung geht in die Verlängerung

  • DIW Berlin erhöht BIP-Wachstumsprognose auf 2,4 Prozent für 2018 und 1,9 Prozent für 2019.
  • Geplante Maßnahmen der neuen Bundesregierungen heben Wachstum nächstes Jahr um 0,3 Prozentpunkte an.
  • Konjunktur läuft auch so sehr gut dank florierender Exporte und kräftiger Binnennachfrage.
  • Arbeitsmarkt bleibt stark.
  • Protektionismus stellt hohes Risiko für deutsche Wirtschaft dar.

 

In diesem Jahr dürfte die deutsche Wirtschaft um 2,4 Prozent wachsen, im nächsten Jahr um 1,9 Prozent, so die neue Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die um 0,2 beziehungsweise 0,3 Prozentpunkte höher ausfällt als im Dezember. Die Erhöhung für das kommende Jahr spiegelt im Koalitionsvertrag der neuen Großen Koalition vereinbarte Maßnahmen wider, deren Umsetzung hier für das kommende Jahr unterstellt wird.

 

Quelle: DIW Frühjahrsgrundlinien 2018

Die DIW-Konjunkturforscherinnen und -forscher gehen davon aus, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen zu erheblichen Entlastungen der privaten Haushalte führen. So zieht die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung eine Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von fast sechs Milliarden Euro im Jahr 2019 nach sich; zwar geht ein Teil davon wegen weniger stark steigender Unternehmensgewinne wieder verloren, per saldo verbleibt den Menschen in Deutschland aber ein spürbares Plus. Auch die Erhöhung des Kindergeldes und die geplanten Maßnahmen bei den Renten steigern die verfügbaren Einkommen in der Summe um mehrere Milliarden. Das wiederum dürfte den privaten Konsum ankurbeln. Dieser dürfte dieses Jahr um 1,2 Prozent und im Jahr 2019 um 1,8 Prozent steigen. Auch die anhaltend günstige Lage auf dem Arbeitsmarkt begünstigt den privaten Verbrauch. Die Arbeitslosigkeit wird laut Prognose weiter abnehmen, auf 5,2 Prozent in diesem Jahr und 4,8 Prozent im nächsten Jahr.

Insgesamt befindet sich die deutsche Wirtschaft in einer Hochkonjunktur, getragen von der kräftigen Binnenkonjunktur und einer starken Expansion der Exporte. Insbesondere in die Vereinigten Staaten und in die Länder der EU exportieren die deutschen Unternehmen kräftig. Dies kommt vor allem der Industrie zu Gute, die verstärkt in Maschinen und Ausrüstungen investiert. Im Dienstleistungssektor profitieren die Unternehmen vom dynamischen Konsum. Lediglich in der Bauwirtschaft verlangsamt sich das Tempo etwas.

Quelle: DIW Frühjahrsgrundlinien 2018

Leichte Abkühlung wäre auch ohne Stimulus zu verschmerzen

Ohne den zusätzlichen Stimulus aus dem Programm der neuen Bundesregierung würde die Konjunktur im Jahr 2019 abflachen, unter anderem weil die geldpolitische Wende – die Zinsen werden in den USA schrittweise steigen, in Europa perspektivisch auch – das Wachstumstempo der Weltwirtschaft und somit die Auslandsnachfrage leicht dämpfen dürfte.

Angesichts der guten Verfassung des deutschen Arbeitsmarkts wäre eine leichte Abkühlung der Konjunktur nach DIW-Einschätzung aber durchaus verschmerzbar. Auch wenn die nötigen finanziellen Spielräume vorhanden sind – der öffentliche Gesamthaushalt dürfte in diesem Jahr ein Plus von fast 50 Milliarden Euro ausweisen –, die deutsche Wirtschaft hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinerlei konjunkturellen Schub durch die Regierung nötig. Vielmehr sollte sich die Politik darauf konzentrieren, den längerfristigen Wachstumspfad positiv zu beeinflussen, das heißt die Rahmenbedingungen für Investitionen attraktiver zu gestalten und Deutschland für den demografischen Wandel zu rüsten.

Die deutsche Wirtschaft zukunftsfest und das deutsche Wachstum nachhaltiger zu machen sind in einer von hohen Risiken geprägten Zeit umso mehr geboten. Die Gefahr eines protektionistischen Wettlaufs hat durch die Ankündigungen der US-Regierung zu Strafzöllen stark zugenommen, auch die noch unklaren Modalitäten des Brexit und die Ergebnisse der italienischen Parlamentswahl stellen Risiken für die deutsche Konjunktur dar.

Direkte Auswirkungen dürfte die Einführung von US-Einfuhrzöllen auf Stahl und Aluminium auf die deutsche Konjunktur erstmal kaum haben: Der Anteil dieser beiden Produkte an den deutschen Warenausfuhren liegt bei lediglich drei Prozent und die Exporte in die USA machen davon nur viereinhalb Prozent aus. Auch indirekte Effekte dürften sich ersten Einschätzungen zufolge im Zaun halten. Allerdings würde sich das Bild sehr schnell ändern, wenn es zu einer Ausweitung der protektionistischen Maßnahmen auf andere Sektoren und Produkte käme. Auch ein schnellerer als erwarteter Ausstieg der weltweiten Zentralbanken aus der expansiven Geldpolitik stellt ein Risiko für die deutsche Wirtschaft dar.

 

 

Marcel Fratzscher (DIW-Präsident): »Die neue Regierung schickt den Aufschwung in die Verlängerung und setzt durch eine Reihe von Maßnahmen auf eine bereits sehr erfreuliche Konjunktur noch mal einige Zehntel-Prozentpunkte Wachstum drauf. Die Bundesregierung sollte mit ihrer Politik kein Strohfeuer in der Konjunktur verursachen, sondern diese goldenen wirtschaftlichen Jahre für kluge Zukunftsinvestitionen nutzen. Die Große Koalition sollte der Umsetzung ihrer Versprechen der langfristigen Investitionen in Bildung, Innovation, Digitalisierung und Europa oberste Priorität geben.«

 

Ferdinand Fichtner (DIW-Konjunkturchef): »Die Weltwirtschaft ist in guter Verfassung und Deutschland als Exportnation profitiert davon. Das befeuert die Investitionen, während der Konsum von dem starken Arbeitsmarkt angekurbelt wird. Auch von den US-Zöllen auf Stahl und Aluminium ist zunächst mal keine spürbare Wirkung auf die Konjunktur zu erwarten. Ein protektionistischer Wettlauf, wie er sich daraus entwickeln könnte, wäre aber Gift für die deutsche Wirtschaft. Die neue deutsche Regierung muss sich einbringen, um dies zu vermeiden.«

 

Simon Junker (Experte für die deutsche Wirtschaft): »Der deutsche Arbeitsmarkt zeigt sich dieses Jahr und nächstes Jahr weiterhin in bester Form, die Arbeitslosigkeit kann voraussichtlich trotz eines langsameren Beschäftigungsaufbaus weiter gedrückt werden und dürfte 2019 unter die Marke von fünf Prozent fallen. Das Erwerbspersonenpotenzial steigt immer noch, aber nur dank der anhaltenden Zuwanderung, vor allem aus anderen EU-Ländern.«

 

Malte Rieth (Experte für die Weltwirtschaft): »Die Weltwirtschaft dürfte in diesem Jahr um gut vier Prozent wachsen, im kommenden Jahr etwas weniger. Zwar ist der Aufschwung intakt, doch verliert die Expansion an Schwung, da die zunehmend expansivere Geldpolitik das Wachstum in den USA und im Euroraum etwas entschleunigen dürfte. Risiken für die globale Wirtschaft gehen vor allem von den protektionistischen Bestrebungen der USA und politischen Unwägbarkeiten im Euroraum aus.«

 


Konjunkturprognose 2018: Fachkräftemangel bremst Wachstum

Die deutsche Wirtschaft kann momentan wenig aufhalten – weder die Brexit-Verhandlungen noch Donald Trump. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) rechnet daher mit einem robusten Wachstum von zwei Prozent im kommenden Jahr. Fehlende Fachkräfte werden aber immer mehr zu einer hausgemachten Wachstumsbremse.

 

Die deutsche Konjunktur läuft deutlich besser als in den ersten Monaten dieses Jahres zu erwarten war. Vor allem der Wahlausgang in den USA und die Gefahr eines sich verstärkenden Nationalismus in Europa hatten zunächst für eine zunehmende wirtschaftliche Verunsicherung und eine zurückhaltende Konjunkturbewertung gesorgt. Im Jahresverlauf 2017 haben sich jedoch einige Befürchtungen – vor allem eine Abschwächung der Weltwirtschaft infolge zunehmender Protektionismen – nicht bewahrheitet. Im Gegenteil, die Weltwirtschaft hat trotz weiter bestehender politischer Risiken an Fahrt aufgenommen.

Damit hat auch die konjunkturelle Dynamik in Deutschland wieder an Breite gewonnen. Die anziehende Weltkonjunktur belebt die Exporte. Wegen der gleichzeitig stark ansteigenden Importe bleibt der Außenbeitrag weitgehend konjunkturneutral. Neben dem kräftigen Konsumwachstum treiben auch die Anlageinvestitionen die Konjunktur an. Die Beschäftigung steigt von Rekord zu Rekord. Dieses Konjunkturbild hat weiterhin Bestand: Das reale Bruttoinlandsprodukt wird 2017 um gut 2 ¼ Prozent auf breiter Front expandieren. Im Jahr 2018 wird sich das Wachstumstempo leicht verlangsamen und das reale BIP wird um rund 2 Prozent ansteigen. Die Bauwirtschaft wird weniger stark zulegen. Auch beim Konsum und Export ist mit leichten Abstrichen zu rechnen. Es bleibt jetzt abzuwarten, ob die politische Lage in Deutschland die wirtschaftliche Unsicherheit erhöht.

Diese Robustheit bestimmt derzeit die Diskussion darüber, ob die deutsche Wirtschaft Gefahr läuft, sich zu überhitzen. Eine rein makroökonomische Klärung dieser These ist schwierig. Deshalb hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Rahmen seiner Konjunkturumfrage im Herbst 2017 knapp 2.900 Unternehmen in Deutschland bezüglich ihrer betrieblichen Kapazitätsbeanspruchung konsultiert. Diese Ergebnisse, die wir Ihnen heute mit der Konjunkturumfrage vorstellen, sind ein wichtiger qualitativer Erklärungsbeitrag zur Überhitzungsgefahr mit hoher wirtschaftspolitischer Relevanz.

Die gesamtwirtschaftliche Dynamik wurde im bisherigen Jahresverlauf 2017 von allen großen Wirtschaftsbereichen getragen. Die deutsche Wirtschaft expandiert derzeit auch produktionsseitig in der gesamten Breite: Den kräftigsten Zuwachs konnte das Baugewerbe verbuchen: Seit Anfang 2014 steigt die industrielle Wertschöpfung an – abgesehen von immer wieder kurzen Unterbrechungen. Mit schwachen Stockungen legte auch der Dienstleistungssektor in den letzten Jahren zu.

Daran wird sich im Prognosezeitraum nichts ändern. In 2018 expandieren gemäß der IW-Konjunkturumfrage alle Branchen:

 

  • 52 Prozent der Industriefirmen erwarten 2018 eine höhere Produktion. Nur gut 10 Prozent sehen einen Rückgang.
  • Bei den Dienstleistern gehen 48 Prozent von einem höheren und nur 8 Prozent von einem rückläufigen Umsatz aus.
  • Unter den Baufirmen prognostizieren 43 Prozent einen Zuwachs und nur 6 Prozent sehen ein schlechteres Geschäft.

 

Insgesamt geht somit knapp die Hälfte aller befragten Unternehmen von einer höheren Produktion im kommenden Jahr aus und knapp 9 Prozent erwarten einen Rückgang. Der Saldo aus positiven und negativen Meldungen liegt mit knapp 41 Prozentpunkten aber nur leicht höher als im Frühjahr 2017, jedoch um rund 15 Prozentpunkte über den Werten der beiden Umfragen im Jahr 2016.

 

Die Konjunkturdynamik könnte noch stärker sein, doch der Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften bremst die Unternehmen. Viele arbeiten bereits am Limit – gut ein Drittel spricht sogar von einer Überauslastung. 47 Prozent der Firmen bestätigen, dass fehlende Fachkräfte die Produktionsmöglichkeiten begrenzen. Unter den Betrieben, die bereits eine Überauslastung feststellen, sprechen sogar zwei Drittel von einem Fachkräftemangel. Das Fehlen von qualifizierten Mitarbeitern hemmt zudem die Investitionsanreize: »Die Unternehmen würden in Deutschland mehr in Sachkapital und Technologie investieren, wenn sie mehr Fachkräfte in den meisten Wirtschaftsbereichen zur Verfügung hätten«, sagt IW-Direktor Michael Hüther.

 

 

Ein Video mit einem Kommentar von IW-Direktor Michael Hüther zu den Ergebnissen der IW-Umfrage finden Sie hier.

 


 

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