Deutschland rutscht im Länderindex Familienunternehmen deutlich ab

Deutschland rutscht auf der Rangliste der für Familienunternehmen attraktivsten Standorte um vier Plätze ab und landet im unteren Tabellendrittel. Im Ländervergleich der Stiftung Familienunternehmen, den das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung erstellt hat, liegt Deutschland auf Platz 16 von 21 betrachteten OECD-Staaten – und damit auf der schlechtesten Position in der Geschichte des Rankings. An der Tabellenspitze steht die Schweiz, gefolgt von Großbritannien und den USA. Mit Portugal liegt erstmals ein früherer Euro-Krisenstaat auf einer besseren Position als Deutschland.

Besonders deutlich wird der Rangverlust Deutschlands in der Steuerpolitik. Eine Reihe von Ländern hat gegenüber Deutschland aufgeholt, weil sie in den vergangenen Jahren die Unternehmenssteuern gesenkt haben. Auch die Erbschaftsteuerreform, die für Familienunternehmen besonders bedeutsam ist, führt zu erheblichen Erschwernissen. Die Arbeitskosten in Deutschland sind vergleichsweise hoch und die Staatsausgaben für Bildung zu niedrig. In der Kategorie Strompreise fiel Deutschland auf den vorletzten Platz zurück. Die digitale Infrastruktur ist nur durchschnittlich. Als hervorragend werden hingegen die Finanzierungsbedingungen für Familienunternehmen bewertet. Die finanzielle Stabilität des Staates, der Banken und der Privatwirtschaft wird nach der internationalen Finanz- und Schuldenkrise inzwischen als großer Vorteil des deutschen Standorts empfunden. Etwas Boden gut gemacht hat Deutschland zudem im Themengebiet »Regulierung«, so ist beispielsweise die Gründung von Kapitalgesellschaften in Deutschland vergleichsweise unkompliziert.

»Deutschland hat im internationalen Vergleich insgesamt erheblich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, auch wenn das noch durch die gute Konjunkturlage verdeckt wird«, sagt Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. »Die Ergebnisse des Länderindex Familienunternehmen müssen ein Weckruf für die Bundesregierung sein. Die Politik muss endlich die Standortbedingungen Deutschlands wieder in den Fokus rücken. Dringend überfällig sind beispielsweise eine Senkung der effektiven Steuerbelastung von Unternehmen um mindestens fünf Prozentpunkte und ein Ausbau der digitalen Infrastruktur auch in ländlichen Regionen. Jetzt ist es an der Zeit zu handeln, sonst verliert Deutschland als Standort für Familienunternehmen weiter an Attraktivität.« 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland gehören diesem Unternehmenstypus an, rund 60 Prozent aller Beschäftigten sind in Familienunternehmen angestellt.

 

Der Studie zufolge drohen weitere Rückschritte, sofern die Politik nicht gegensteuert. »Die Auswirkungen der umfassenden US-Steuerreform konnten in diesem Ergebnis noch nicht berücksichtigt werden – ebenso wenig wie die angekündigte Steuerreform in Frankreich«, erläutert Studienautor Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Forschungsbereichsleiter am ZEW. Die US-Steuerreform könne dazu führen, dass die Vereinigten Staaten künftig die Schweiz vom ersten Platz im »Länderindex Familienunternehmen« verdrängen. Großbritannien und die USA folgen derzeit der Schweiz auf der Liste der attraktivsten Standorte. Die gänzlich unberechenbaren Folgen des Brexit schlagen sich im Standortvergleich allerdings noch nicht nieder, so dass die noch sehr günstige Position des Vereinigten Königreichs mit erheblicher Vorsicht interpretiert werden muss.

 

Im Zeitverlauf der vergangenen zwölf Jahre – seit Erscheinen des ersten »Länderindex Familienunternehmen« – lassen sich die reformstarken und reformschwachen Länder gut identifizieren. Zu den Staaten mit der besten Entwicklung zählen Tschechien, die Niederlande und Polen. Tschechien konnte die Position im Länderindex durch den entschlossenen Ausbau einer sicheren Internet-Infrastruktur stark verbessern – ein wichtiger Standortfaktor bei dem Deutschland wenig entgegenzusetzen hat. Staaten wie Japan, die Niederlande aber auch Portugal reduzierten erfolgreich die Komplexität des Steuersystems, die in Deutschland im internationalen Vergleich als hoch gilt (Rang 18). Die Erhebung macht aber auch deutlich, dass nicht alle Staaten das volle Potenzial nutzten: die Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn wird etwa sehr negativ bewertet.

 

Das Tabellenende bildet nach wie vor die Ländergruppe Frankreich, Spanien und Italien. Die Entwicklung Italiens bereitet den Autoren vom ZEW besondere Sorge. »Dass die aktuelle italienische Regierung den moderaten Reformkurs der Vorgänger jetzt beendet und die Staatsschulden weiter steigen könnten, ist hochgradig riskant für die Überlebensfähigkeit dieses Standorts innerhalb des Euro-Währungsgebiets«, urteilt Heinemann.

 

Bemerkenswert ist die Position Portugals, das erstmals in dem Ranking betrachtet wird. Das einst krisengeschüttelte Euro-Land hat sich seine verbesserte Position auf Platz 15 vor allem in den Dimensionen »Steuern« und »Regulierung« erarbeitet. Portugal zählt zudem zu der Staatengruppe, die keine Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen erhebt.

 

[1] Der »Länderindex Familienunternehmen« untersucht mittels objektiv messbarer Daten die wichtigsten Standortfaktoren für Familienunternehmen anhand von sechs ausgewählten Themenfeldern: »Steuern«, »Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital«, »Regulierung«, »Finanzierung«, »Infrastruktur und Institutionen« und »Energie«. Die Untersuchung wird im Zweijahresrhythmus seit 2006 im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erstellt.
Mehr als 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen. Die gemeinnützige Stiftung Familienunternehmen setzt sich für den Erhalt dieser Familienunternehmenslandschaft ein. Sie ist der bedeutendste Förderer wissenschaftlicher Forschung auf diesem Feld und Ansprechpartner für Politik und Medien in wirtschaftspolitischen, rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen. Die Stiftung wird getragen von rund 500 Firmen aus dem Kreis der größten deutschen Familienunternehmen.
https://www.familienunternehmen.de/media/public/pdf/publikationen-studien/studien/Studie_Laenderindex-Familienunternehmen-07.pdf

 


 

Bronze für den Standort Deutschland

Ein internationaler Vergleich der Standortqualität von 45 Industrieländern zeigt: Was das aktuelle Niveau angeht, haben etablierte Staaten wie die Schweiz, die USA und Deutschland zwar die Nase vorn – doch die größere Dynamik zeigen Schwellenländer, allen voran China.

 

Wenn es um ökonomische Vergleiche geht, betrachten die meisten internationalen Studien die Volkswirtschaften als Ganzes – explizite Vergleiche einzelner Branchen gibt es kaum. Das IW hat sich deshalb speziell die Industrie vorgenommen und gefragt, wie es um deren Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität in 45 Ländern bestellt ist. Der IW-Standortindex untersucht sechs Kategorien, die den Industriesektor maßgeblich beeinflussen, mit insgesamt rund 60 Einzelindikatoren:

 

  • Staat: In dieser Kategorie geht es um die institutionellen Rahmenbedingungen, dazu gehören Indikatoren wie Bürokratie, Rechtssicherheit sowie Arbeitsmarkt- und Unternehmensregulierungen.
  • Infrastruktur: Neben der Internet- und Breitbandversorgung umfasst dieser Posten vor allem Straßen, Häfen und den Luftverkehr sowie die Leistungsfähigkeit der Logistiksysteme.
  • Wissen: Dazu zählen unter anderem das Humankapital, Innovationen und Patente sowie das Bildungsniveau der Bevölkerung.
  • Ressourcen: Hier geht es um den Zugang zu Rohstoffen und um Energieeffizienz, aber auch um die Verfügbarkeit von Krediten.
  • Kosten: Bewertet werden Steuer-, Arbeits-, Energie-, Zins- und Exportkosten.
  • Markt: Diese Kategorie verbindet Kennzahlen über die Größe und Entwicklung der Märkte mit Indikatoren zur Wertschöpfungskette und zum Außenhandel.

 

Die Bewertung dieser Indikatoren anhand von Statistiken und Umfragedaten von Institutionen wie Eurostat, OECD und Weltbank ergibt für jedes Land einen Index, der zwischen 0 und 200 (bester Wert) liegt. Daraus folgt das Standort-Ranking – in zwei Varianten:

Das Niveau-Ranking gibt die industrielle Standortqualität im Jahr 2015 wieder. Auf dem Siegertreppchen stehen mit der Schweiz, den USA und Deutschland drei etablierte Industrienationen.

Die zehn Länder mit der besten Standortqualität 2015

 

Der Industriestandort Deutschland erreicht in fast allen Kategorien überdurchschnittliche Ergebnisse, besonders ausgeprägt sind seine Stärken in drei Bereichen: In der Kategorie Infrastruktur (Platz 2) punktet Deutschland vor allem mit seiner guten Logistik, der Informations- und Telekommunikationsinfrastruktur sowie mit der guten internationalen Anbindung über Luft- und Seehäfen. Beim Wissen (Platz 6) stechen das Bildungswesen und das Innovationsumfeld hervor. Und in Sachen Staat (Platz 13) profitiert die deutsche Industrie von der hohen Regierungseffizienz und der lokalen Wettbewerbsintensität.

 

Deutschland punktet im IW-Standortindex vor allem in den Bereichen Infrastruktur und Wissen. Größte Schwäche sind die hohen Kosten.

 

Deutschlands größtes Manko sind – wie in den meisten klassischen Industrieländern – die im Vergleich zu den Schwellenländern hohen Kosten. Insbesondere wegen der hohen Arbeitskosten landet die Bundesrepublik in dieser Kategorie nur auf Platz 36 der 45 untersuchten Volkswirtschaften.

Auffallend im Niveau-Ranking ist zudem das relativ schlechte Abschneiden einiger EU-Staaten. Frankreich zum Beispiel landet als zweitgrößte EU-Volkswirtschaft – wenn man Großbritannien außen vor lässt – nur auf Platz 19; Spanien, Europas Nummer vier, muss sich mit Platz 23 zufriedengeben; und Italien, drittgrößte Volkswirtschaft in der EU, landet sogar nur auf Platz 29.

 

Dynamische Schwellenländer

Das Dynamik-Ranking bewertet zwar dieselben Indikatoren wie das Niveau-Ranking, es misst aber nicht die industrielle Standortqualität im Jahr 2015, sondern deren Entwicklung im Zeitraum 2000 bis 2015.

Weil klassische Industrieländer wie die Schweiz, Deutschland und die USA bereits ein hohes Niveau erreicht haben und sich deshalb nur noch in kleinen Schritten verbessern können, tauchen sie in den Top 10 der dynamischsten Industrieländer gar nicht erst auf. Dieses Ranking führen stattdessen ausschließlich Schwellenländer an: China, Rumänien und Kolumbien sind die drei Länder, die ihre industrielle Standortqualität in den Jahren 2000 bis 2015 am meisten verbessern konnten.

Die zehn Länder mit der höchsten Dynamik der Standortqualität zwischen 2000 und 2015

Die größten Fortschritte haben die Schwellenländer in der Kategorie Staat erzielt, insbesondere in Sachen Bürokratie und institutioneller Ordnungsrahmen – Felder, auf denen sie auch den größten Nachholbedarf hatten. Gleiches gilt für die Kategorie Ressourcen, in der ausschließlich Schwellenländer in den Top 10 zu finden sind.

Von den klassischen Industriestandorten haben im Dynamik-Ranking nur Belgien, Schweden, Deutschland und Norwegen mehr als 100 Indexpunkte und damit mehr als den Industrieländerdurchschnitt von knapp 94 Punkten erreicht.

Die Bundesrepublik nimmt im Dynamik-Ranking mit rund 101 Punkten den 19. Platz ein, in der EU schneiden nur Polen (106) die Slowakei (102), Belgien (101) und Schweden (101) etwas besser ab. Die Bundesrepublik punktet dabei mit ihren traditionellen Stärken. In der Kategorie Infrastruktur erreichte sie dank der gewachsenen Leistungsfähigkeit ihrer Logistiksysteme sowie Verbesserungen in der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur Platz 5; und Platz 9 in der Kategorie Wissen ist die Folge verbesserter Arbeitsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie einer verbesserten Ausstattung mit Humankapital und Fortschritten im Innovationsumfeld.

Wie im Niveau-Ranking schneiden auch im Dynamik-Ranking einige EU-Staaten schlecht ab. Für Italien reicht es nur für Platz 36 unter den 45 Ländern, Spanien landet sogar auf dem viertletzten Platz.


 

Die relevanten Standortbedingungen werden in sechs Themenbereiche geclustert und durch rund 60 Indikatoren für Deutschland und seine wichtigsten Wettbewerbsländer analysiert. Der Index wird in einer Niveausicht für das Jahr 2015 berechnet. Aus dem Vergleich der Jahre 2000 und 2015 ergibt sich die Dynamikvariante der Standortqualität. Die Analyse zeigt dabei sehr günstige Standortbedingungen für die Industrie in Deutschland. Im internationalen Vergleich mit seinen 44 untersuchten Wettbewerbsländern erreicht Deutschland Rang 3 hinter der Schweiz und den USA. Die besonderen Stärken hierzulande sind die Bereiche Wissen, Staat und Infrastruktur. Die vergleichsweise hohen Kosten stellen einen Standortnachteil dar. Trotz der guten Ausgangslage gelang es Deutschland als einem von wenigen klassischen Industriestandorten, seine Standortqualität in den vergangenen 15 Jahren zu halten. Eine tiefergehende Analyse ermittelt eine positive Korrelation zwischen der Entwicklung der Standortfaktoren und dem Industriewachstum im Zeitraum 2000 bis 2015. Die Dynamikvariante des Standortindexes kann daher als einer der Erklärungsfaktoren der Industrieentwicklung herangezogen werden. Die Variation des Referenzzeitpunkts zum Jahr 2009 zeigt, dass die Entwicklung der Standortqualität über den längeren Zeitraum nicht kontinuierlich verläuft.

 

 

 


 

 

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