Digitalisierung der Lieferkette: Es ist an der Zeit, die Beziehung neu zu gestalten

Illustration: Absmeier

Einkäufer und Lieferanten leben in einer Symbiose. Wenn beide Seiten nicht in Harmonie arbeiten, kommen die Räder des Handels zum Stillstand. Jede gute Beziehung ist auf ein Maß an Geben und Nehmen angewiesen. Die Digitalisierung der Lieferkette spielt hierbei eine wichtige Rolle.

 

Für Lieferketten bedeutet das, dass sowohl der Einkäufer als auch der Lieferant das Gefühl haben müssen, dass sie mehr herausbekommen als sie hineinstecken. Das war früher ziemlich einfach, als der Handel noch weitgehend von Angesicht zu Angesicht und zwischen zwei Parteien stattfand. Aber die Dinge haben sich geändert.

Das vergangene Jahr hat gezeigt, wie brüchig und unzusammenhängend die Beziehungen geworden sind, auf denen der globale Handel beruht. Es mehren sich die Stimmen, die eine Neuordnung der Beziehungen zwischen Käufern und Lieferanten fordern. Es fällt schwer, dem zu widersprechen. COVID-19 hat gezeigt, wie schnell das Gleichgewicht in den Lieferketten aus den Fugen geraten kann.

 

Die falschen Werkzeuge für die richtige Aufgabe

Vor der Pandemie wurde die Beziehung zwischen Käufern und Lieferanten weitgehend durch den Austausch von Dokumenten auf Papier geregelt. Die meisten Unternehmen sind hier einstimmig für eine Veränderung. Die Digitalisierung dieser Prozesse hat Priorität, um Transparenz, Flexibilität und ein stabiles Lieferantenbeziehungsmanagement entlang der Lieferketten zu gewährleisten.

Trotz aller Versprechungen hinsichtlich größerer Transparenz und Flexibilität hat die Mehrheit der Unternehmenssoftware Schwierigkeiten, die komplexe und vernetzte Architektur moderner Lieferketten abzubilden. Anstatt es Käufern und Lieferanten leicht zu machen, miteinander in Verbindung zu treten, dreht sich das Design dieser Systeme um eine Reihe von Eins-zu-eins-Beziehungen. Jede neue Verbindung zwischen einem Käufer und einem Lieferanten ist ein Projekt für sich. Das bedeutet für den Käufer als auch für den Lieferanten einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand.

Die Vorteile solcher Systeme liegen fast ausschließlich auf der Seite des Käufers. Lieferanten wenden Zeit und Geld für die Anbindung an komplexe Systeme auf, nur um bezahlt zu werden. Selbst die erfolgreichsten Lieferantenanbindungs-Initiativen liegen bei einer Akzeptanzrate von 20 Prozent. Die Grundlage für eine ausgewogene und kooperative Beziehung sieht anders aus.

 

»Der Wert für den Lieferanten ist ein wichtiger Bestandteil.«

 

Ein globales Netzwerk für die Lieferkette

Viele Unternehmen erkennen die Bedeutung des Aufbaus einer kooperativeren Beziehung zu den Lieferanten. Dies beinhaltet Maßnahmen zur Unterstützung von Lieferanten, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden sowie eine stärkere Diversifizierung der Beschaffung, damit ein einzelner Lieferant nicht zu einem Single Point of Failure wird. Das neue Modell für Käufer-Lieferanten-Beziehungen wird von der flächendeckenden Einführung digitalisierter Prozesse abhängen.

Die Art und Weise, wie im Privatleben Beziehungen aufgebaut und gepflegt werden, wird zunehmend von sozialen Medien bestimmt. Diese Form kann auch als Inspiration für die Interaktion zwischen Einkäufer und Lieferanten dienen. Eine neue Art von Cloud-basierten Supply-Chain-Plattformen lässt sich von Websites wie LinkedIn inspirieren. Sie ermöglichen es Einkäufern und Lieferanten über ein Netzwerk miteinander in Kontakt zu treten und Informationen auszutauschen.

Die Schaffung dieser digitalen Grundlage eröffnet eine ganzheitlichere Sicht auf die Handelsbeziehungen. Sie spiegelt die stark vernetzte Natur moderner Lieferketten wider. Schwachstellen lassen sich schneller erkennen. Entscheidungsträger können schneller handeln. Das Netzwerk liefert zuverlässigen Daten über die Beziehungen zwischen Käufern und Lieferanten. Das öffnet die Tür zu einer Reihe von Innovationen. Lieferanten erhalten einen echten Mehrwert, wie zum Beispiel Zugangs zu vorhersehbarem Betriebskapital.

Banken verzeichnen eine verstärkte Nachfrage nach strukturierten Handelsfinanzierungen, Betriebskapitalfinanzierungen, Akkreditiven und Garantien. Viele kleinere Unternehmen sind von diesen Vereinbarungen ausgeschlossen. Sie sind können keine ausreichenden Bonitätsnachweis liefern. Die Digitalisierung schließt diese Lücke, indem sie einen vollständigen digitalen Fußabdruck der Beziehung zwischen Käufern und Lieferanten liefert.

 

 

Eine Chance, die Wettbewerbsbedingungen auszugleichen

Die Grundlage jeder guten Beziehung beginnt damit, dass jeder die Chance erhält, an einem Tisch zu sitzen. Die Technologie ist in der Lage, dafür zu sorgen, dass die Zukunft der Beziehungen zwischen Einkäufern und Zulieferern auf gleichen Voraussetzungen beruht. Die Digitalisierung der Käufer-Lieferanten-Beziehung setzt voraus, dass beide Parteien das Gefühl haben, dass sie aus der Umstellung einen echten Nutzen ziehen. Der Wert für den Lieferanten ist ein wichtiger Bestandteil. Erst dieser Ansatz ermöglicht es, ganze Lieferketten schnell und in großem Umfang zu digitalisieren.

 

Uwe Stroh ist Sales Director DACH & Eastern Europe bei Tradeshift.

Er hat mehr als 15 Jahre Erfahrung im Design und Implementierung von Digitalisierungs- und Automatisierungsprojekten im Bereich Corporate Finance (S2P, O2C).