Wie mittelständische Unternehmen Energiemanagement und CO2-Tracking effizient umsetzen können.
Die Weltwirtschaft befindet sich derzeit an der Schwelle eines neuen Zeitalters: Die Corona-Pandemie, Klimawandel sowie der Ukraine-Krieg wirken sich auf Lieferketten, Energieversorgung und Digitalisierungsinitiativen aus. Auch der deutsche Mittelstand bleibt von diesen Veränderungen nicht verschont und bekommt bereits erste Konsequenzen zu spüren. Mittelständler sollten sich deshalb schon jetzt für die Zukunft rüsten, indem sie ihre ERP-Lösung überprüfen und zu einem integrativen und KI-gestützten System ausbauen, das ein durchgängiges CO2-Tracking und Energiemanagement beinhaltet. So können Potenziale zur Reduzierung von Energieverbrauch und -kosten effizient genutzt werden.
In vielen Ländern Europas herrschen derzeit Dürre, Missernten und Waldbrände – direkte Auswirkungen des Klimawandels. Doch damit nicht genug: Noch immer beeinträchtigen die Konsequenzen der Pandemie und neuerdings auch des Ukraine-Krieges die Lieferketten mittelständischer Unternehmen. Die Energiepreise schnellen in ungeahnte Höhen. Die Inflation macht sich zudem beim betrieblichen Einkauf bemerkbar: Im Vergleich zum Vorjahr sind die Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte im Jahr 2022 laut Statistischem Bundesamt um rund 33 Prozent gestiegen, wobei die Energiekosten mit einem Zuwachs von 86 Prozent als Haupttreiber zu nennen sind [1].
Angesichts dieser Entwicklungen sollten Unternehmen erörtern, wie sie ihre Prozesse optimieren können. Die Notwendigkeit eines stärkeren Umweltbewusstseins, insbesondere im Sinne der Energieeinsparung, kann nicht länger ignoriert werden und sollte auf den Agenden des Top-Managements zur Chefsache erklärt werden.
Nachhaltigkeit wird sich für Mittelständler in sehr naher Zukunft von einem mittelbaren zu einem unmittelbaren Thema entwickeln, da die behördlichen Regulierungen auf nationaler wie europäischer Ebene immer engere Leitplanken setzen: So wird aus der freiwilligen Eigenverpflichtung in den nächsten Jahren eine Berichtspflicht. Sei es, weil der große Konzernpartner aufgrund seiner eigenen Berichtspflichten mehr Nachhaltigkeitsdaten zum CO2-Ausstoß verlangt oder weil das Unternehmen aufgrund zunehmender und strengerer EU-Vorschriften selbst von der Berichterstattungspflicht betroffen ist. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Kommission wurde am 21. April 2021 vorgelegt [2]. Im Juni 2022 erreichten der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament eine vorläufige politische Einigung und beschlossen neue Vorschriften für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen [3]. Diese besagen, dass ein Nachhaltigkeitsbericht nun schon für Unternehmen ab einer Zahl von 250 Mitarbeitern verpflichtend sein wird und dass voraussichtlich auch kleine und mittelständische Unternehmen ab dem Jahr 2026 der Berichtspflicht werden nachkommen müssen.
Um die Pflicht oder Selbstverpflichtung zur Erstellung einer CO2-Bilanzierung erfüllen zu können, benötigen Unternehmen eine verlässliche Quelle: das ERP-System. Denn als Drehscheibe für alle Unternehmensdaten stellt es die beste Option dar. Schließlich sind Excel-Listen ab einer gewissen Komplexität und Größe nicht mehr sonderlich wirtschaftlich und zudem fehleranfällig. Ein ERP-System, das die Energieflüsse im Unternehmen transparent darstellt und im nächsten Schritt die Energieverbräuche optimieren hilft, ist daher unverzichtbar.
Transparenz über Treibhausgasemissionen innerhalb des eigenen Unternehmens kann unter Berücksichtigung verschiedener Emissionskategorien, sogenannter Scopes, gewährleistet werden. So hat proALPHA mit der Übernahme des Energiemanagement-Experten ENIT eine CO2-Bilanzierung nach GHG-Standard für Unternehmen in seine ERP-Lösung integriert.
Mehr Nachhaltigkeit geht zugleich mit mehr Resilienz einher. Diese bezieht sich stark auf den Zustand einer Lieferkette, weshalb nicht nur das Reporting an den Konzernpartner, sondern auch die Erfassung von Lieferantendaten zur Ökobilanz von Vorprodukten eine bedeutende Rolle einnimmt. Es gilt: Was innerhalb eines Unternehmens wichtig ist, hat auch außerhalb seinen Stellenwert.
KI sorgt für Transparenz
Damit diese Aufgaben so smart wie möglich von statten gehen, ist es nicht ausreichend, das ERP-System nur punktuell mit Tools zur Feststellung und Optimierung von Emissionen auszustatten. Der Fluss von Daten und Informationen muss im Ganzen intelligenter werden – hier kommt künstliche Intelligenz (KI) in Spiel.
Vom Vertrieb über die Konstruktion und Beschaffung bis hin zum Service – Transparenz muss über alle Bereiche hinweg gegeben sein. Allein damit sind Resilienz und Nachhaltigkeitsinitiativen allerdings noch nicht zukunftsfähig aufgebaut. Vielmehr ist es essenziell, ineffiziente Geschäftsprozesse zu identifizieren und diese schließlich im Kontext der gesamten Geschäftsprozesslogik intelligenter zu machen und geschickter agieren zu lassen. Dies wirkt sich auch positiv auf die Tragfähigkeit und Genauigkeit von Prognosen aus.
KI lässt sich aber nicht ohne Weiteres in ein ERP-System injizieren. Unternehmen sollten das im Hinterkopf behalten und berücksichtigen, dass KI-geeignete Prozesse und Anwendungsszenarien erst identifiziert werden müssen – hier ist es für Anwender und Endkunden empfehlenswert, sich die Expertise erfahrener Anbieter von ERP+ Lösungen ins Haus zu holen. Insbesondere für mittelständische Unternehmen ist es ein wesentlicher Vorteil, wenn sie sowohl in der Analytik als auch in Geschäftsprozessen – darunter semantische Wissensaufbereitung und digitale Assistenten – auf Dienste wie ein KI-gestütztes ERP-System zurückgreifen können. Damit wird das Fundament gelegt, um wertschöpfende KI-Anwendungen für spezifische Abläufe, Prozesse oder Funktionalitäten zum Einsatz zu bringen.
Alle Informationen laufen schließlich im ERP-System zusammen, das als digitaler und mit KI angereicherter Prozess- und Daten-Hub fungiert. Damit der Einsatz von KI echte Mehrwerte schafft, sollten zudem folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Die Produktionsdaten müssen in Echtzeit erfasst, Abweichungen vom Plan identifiziert und die Daten als Ergebnis visualisiert dargestellt werden. Damit Schlüsseltechnologien wie KI und Mitarbeiter aber auch reibungslos zusammenspielen, ist Transparenz ein weiteres, zentrales Element, um auch die notwendige Akzeptanz zu schaffen.
Smarte ERP-Lösungen für mehr Nachhaltigkeit
Zukunftstechnologien schaffen demnach mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette [4]. Denn eine hochintegrierte CO2-Managementsoftware in Verbindung mit dem ERP-System als Rückgrat der gesamten Wertschöpfung erlaubt es Unternehmen, das Ziel der Klimaneutralität ganzheitlich zu verfolgen. Das Fundament für alle Analysen und Maßnahmen – vom ganzheitlichen CO2-Management bis hin zur Klimaneutralität – wird durch das ERP-System als Single Source of Truth gelegt. Dieses besteht aus folgenden Bausteinen:
- Kontinuierliches CO2-Tracking
- Erarbeitung von Reduktionsstrategien und
- Umsetzung von Reduktionsmaßnahmen
- Überwachung der Emissionsentwicklung
Dabei ist es notwendig, dass alle CO2-relevanten Datenpunkte angebunden sowie weitere Analyse-Applikationen wie etwa Business-Intelligence-Lösungen integriert sind. Mit den so generierten Daten aus ERP, MES (Manufacturing Execution System) und beispielsweise TMS (Transport Management System) als Basis, kann ein auf CO2-Neutralität spezialisiertes System umfangreiche Erst-Analysen des Energieverbrauchs und der damit einhergehenden Emissionen durchführen.
Daraufhin steuert das ERP-System die Reduktion der CO2-Emissionen in allen relevanten Bereichen – von der Lieferkettensteuerung, Materialdisposition, Produktentwicklung und Produktionsplanung über die Absatzplanung, Fahrzeugflotte und Transportsysteme bis hin zu sämtlichen Vertriebsaktivitäten.
Der Einsatz innovativer Technologien bringt handfeste Vorteile für alle Unternehmen, die sich Nachhaltigkeit zum Ziel gesetzt haben oder dazu verpflichtet werden. Hier sind vor allem die weitreichenden Vorteile im Hinblick auf eine effizientere Produktion hervorzuheben: Maschinen und Anlagen können mit einem KI-gestützten ERP-System besser gesteuert, gewartet und agil betrieben sowie Lasten bedarfsgerecht anpasst werden. Dank einer verbesserten Absatzplanung und Materialdisposition sind die Zeiten der Überproduktion gezählt.
Michael Finkler, Geschäftsführer proALPHA-Gruppe
[1] https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Erzeugerpreisindex-gewerbliche-Produkte/_inhalt.html [2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52021PC0189 [3] https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/06/21/new-rules-on-sustainability-disclosure-provisional-agreement-between-council-and-european-parliament/ [4] https://web.proalpha.com/trends/nachhaltigkeit-ein-trend-fuer-die-ewigkeit