Fachkräftemangel: Starkes regionales Gefälle

Die Fachkräfteengpässe auf dem deutschen Arbeitsmarkt nehmen zu, sie sind aber nicht flächendeckend. Tatsächlich entscheiden die Region, die gewünschte Fachrichtung und das Qualifikationsniveau darüber, ob ein Unternehmen Schwierigkeiten hat, passende Bewerber für offene Stellen zu finden.

 

Der Fachkräftemangel, der lange nur für Berufe im mathematisch-naturwissenschaftlichen und technischen Bereich ausgerufen wurde, erfasst inzwischen immer mehr Branchen: Ingenieure, Pflegekräfte und Lehrer fehlen ja schon länger, doch mittlerweile sind in einigen Regionen Deutschlands auch Fachkräfte in der öffentlichen Verwaltung, Softwareentwickler und Speditionskaufleute knapp. Garten- und Landschaftsbauer sucht so mancher Arbeitgeber derzeit ebenfalls vergeblich.

Rein rechnerisch liegt ein Fachkräfteengpass vor, wenn das Verhältnis von Arbeitslosen zu gemeldeten Stellen weniger als zwei zu eins beträgt. Klingt unlogisch, ist aber der Tatsache geschuldet, dass die Unternehmen der Bundesagentur für Arbeit nur etwa jede zweite vakante Stelle melden.

Engpassquoten nach Regionen

Nun sagt allerdings die Engpassrelation für einzelne Berufe noch nichts darüber aus, wie groß die Besetzungsprobleme der Unternehmen in einer Region oder in Deutschland insgesamt sind. Darüber informiert die sogenannte Engpassquote. Sie gibt an, wie viele Stellen innerhalb einer Region in Engpassberufen im Verhältnis zu Nicht-Engpassberufen ausgeschrieben wurden.

Blickt man auf die Quote in den einzelnen Bundesländern, dann zeigt sich, dass vor allem viele Arbeitgeber im Süden Deutschlands händeringend nach Arbeitskräften suchen (Grafik):

 

Im Jahr 2016 waren im Durchschnitt aller Monate in Baden-Württemberg über 70 Prozent der Stellen schwer zu besetzen, in Bayern wurden fast zwei Drittel aller Jobs in Engpassberufen ausgeschrieben.

Auch im Ost-West-Vergleich gibt es Unterschiede. Aktuell ist die Situation für Arbeitgeber im Osten etwas weniger angespannt als in Westdeutschland. Doch das wird nicht so bleiben. Bereits in den vergangenen fünf Jahren hat sich die Situation deutlich verschärft. Und innerhalb der nächsten zehn Jahre wird in Ostdeutschland fast eine halbe Million sozialversicherungspflichtig Beschäftigter das gesetzliche Rentenalter erreichen – das ist jeder fünfte Arbeitnehmer.

Hinzu kommt, dass junge Leute aus ländlichen Regionen vermehrt in größere Städte ziehen. Für ostdeutsche Betriebe abseits der Ballungszentren dürfte die Personalgewinnung also zusehends schwieriger werden.

Engpassquoten nach Qualifikationsniveaus

Eine große Rolle für die künftige Engpassentwicklung spielt aber auch das Qualifikationsniveau. Obwohl immer mehr junge Leute einen Hochschulabschluss erwerben, ist der Stellenmarkt für Akademiker aus Arbeitgebersicht besonders angespannt (Grafik):

 

 

Noch schneller ist in den vergangenen vier Jahren allerdings die Lücke für Fachkräfte gewachsen, also für jene Personen, die einen Ausbildungsabschluss haben. In diesem Segment vergrößerte sich der Engpass bundesweit um fast 13 Prozentpunkte auf nunmehr rund 60 Prozent.

Betrachtet man nicht den Anteil, sondern die Zahl der Stellen, die schwer zu besetzen sind, entfielen die meisten – mehr als 240.000 – im Jahr 2016 auf Jobs für beruflich Qualifizierte.

Doch auch nach Spezialisten wie Meistern und Technikern halten viele Unternehmen vergeblich Ausschau: Auf diesem Qualifikationsniveau wird mittlerweile rund die Hälfte aller offenen Stellen in Engpassberufen ausgeschrieben.

Insgesamt waren im Jahr 2016 deutschlandweit im Schnitt 269 Berufe von Fachkräfteengpässen betroffen, 58 Berufe mehr als noch vor fünf Jahren. Besonders groß sind die Engpässe in technischen Berufen wie dem Elektrotechniker und in Gesundheitsberufen wie dem Hörgeräteakustiker. Doch auch in den Sicherheitsberufen fehlen Bewerber, zum Beispiel als Detektive und im Brandschutz.

Drei Kriterien ergeben vollständiges Bild

Um Fachkräfteengpässe vollständig darzustellen, sind also drei Kriterien nötig: die Region, die Qualifikation und die Fachrichtung. Dies zeigt folgendes Beispiel in Schleswig-Holstein: In Elmshorn kamen im Monatsdurchschnitt 2016 auf 100 gemeldete Stellen in der Metallerzeugung und -bearbeitung 69 Arbeitslose mit einer passenden beruflichen Qualifikation, im nur etwa zwei Autostunden entfernten Flensburg waren es 652 Arbeitslose je 100 gemeldete Arbeitsstellen. Dennoch herrscht in Elmshorn kein berufsübergreifender Fachkräftemangel, wie der Blick auf eine andere Berufsgruppe zeigt: In der Touristik- und Hotelwirtschaft standen dort nämlich je 100 Stellen 397 Arbeitslose gegenüber, in Flensburg hingegen nur 190, was einem leichten Engpass entspricht.

Wer gegen den Fachkräftemangel vorgehen möchte, muss also je nach Region und Beruf nach passgenauen Lösungen suchen. So empfiehlt es sich für Unternehmen, die in ihrer näheren Umgebung keine Fachkräfte finden, Stellen auch überregional auszuschreiben. Bewerbungsgespräche mit Kandidaten, die weiter entfernt wohnen, können über Videotelefonie realisiert werden. Wird ein Bewerber tatsächlich eingestellt, bietet sich für die Arbeitsorganisation das fallweise Arbeiten von Zuhause an, um den Pendelaufwand zu reduzieren.

Wie Betriebe die Mobilität ihrer Mitarbeiter bestmöglich unterstützen können und welche externen Angebote es gibt, zeigt das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung. https://www.kofa.de/


 

Fachkräfteengpass: Mangel ist die Regel

Unternehmen finden hierzulande immer schwerer Fachkräfte: Deutschlandweit können Firmen bereits etwa jede zweite Stelle nur schwer besetzen. Dabei gibt es aber große regionale Unterschiede, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt. Unternehmen, Jugendliche und Arbeitslose müssen flexibler werden.

Der Süden leidet besonders: In Baden-Württemberg schrieben Unternehmen 2016 rund 72 Prozent aller Stellen in sogenannten Engpassberufen aus – hier gibt es mehr offene Stellen als Bewerber. In Bayern waren es 65 Prozent, in Hessen 58 Prozent. Die Entwicklung ist nicht neu: In Baden-Württemberg fehlen bereits seit fünf Jahren in rund der Hälfte der Berufe Fachkräfte. In Bayern liegt der Wert bei 38 Prozent. Nordrhein-Westfalen steht mit rund 16 Prozent noch relativ gut da.

Eine Verbesserung ist nicht in Sicht, zeigen die IW-Forscher. In Westdeutschland geht voraussichtlich rund jeder dritte Arbeitnehmer in den kommenden 15 Jahren in Rente. In Ostdeutschland sind es in manchen Regionen sogar bis zu 42 Prozent – besonders die ländlichen Gebiete sind stark betroffen. Und im Osten wird sich die Lage zudem noch schneller zuspitzen, denn dort können die Unternehmen auch überdurchschnittlich viele Ausbildungsplätze nicht besetzen. In manchen Regionen blieben 2016 bis zu 25 Prozent aller Lehrstellen unbesetzt.

Abhilfe schaffen könnte eine stärkere Mobilität von Auszubildenden und Arbeitslosen. Denn oft gibt es zwar geeignete Kandidaten und Fachkräfte – nur nicht immer in der Region, in der sie gesucht werden. So zeigt die IW-Studie, dass deutschlandweit rund 42.700 Stellen besetzt werden könnten, wenn Arbeitslose und Jugendliche mobiler wären und das Bundesland wechseln würden. Deshalb sollte die Politik handeln und Arbeitslose bei Umzügen stärker unterstützen. Auch die Unternehmen können mehr tun. »Mittelständler müssen überregional suchen und Kandidaten bei der Wohnungssuche helfen«, sagt IW-Wissenschaftlerin Paula Risius.

Alexander Burstedde / Paula Risius: Fachkräfteengpässe in Unternehmen. Regionale Fachkräftesituation und Mobilität; KOFA-Studie 1/2017

iwkoeln.de/fachkraefteengpaesse

https://www.iwkoeln.de/studien/gutachten/beitrag/alexander-burstedde-paula-risius-fachkraefteengpaesse-in-unternehmen-regionale-fachkraeftesituation-und-mobilitaet-328843


 

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