Internationaler Vergleich: Bundesbürger nutzen digitale Verwaltung verhalten

»Digital Government Barometer« untersucht Digitalisierung in fünf Ländern.

 

Jeder zweite Bundesbürger hat in den vergangenen zwölf Monaten für seine Behördenangelegenheiten Digitalangebote der öffentlichen Verwaltung genutzt, 17 Prozent haben die Online-Portale häufiger angesteuert als ein Jahr zuvor. Umgekehrt haben allerdings 48 Prozent der Bürgerinnen und Bürger noch nie einen der digitalen Verwaltungsdienste in Anspruch genommen. Zum Vergleich: In Frankreich, Großbritannien, Norwegen und Spanien nutzen rund 70 Prozent das Online-Angebot der Behörden, mehr als jeder Dritte häufiger als im Jahr davor. Das ergibt die Studie »Digital Government Barometer 2018« von IPSOS im Auftrag von Sopra Steria.

 

Diese Ergebnisse sind eine Herausforderung für Bund, Länder und Kommunen in Deutschland. Dabei genießt die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in der Bevölkerung durchaus einen großen Stellenwert. Aus Sicht von fast drei Vierteln der Befragten sollte der Ausbau der Online-Dienste der Behörden Priorität haben – Tendenz steigend. 73 Prozent wären sogar bereit, Verwaltungsangelegenheiten ausschließlich online durchzuführen, und zwar quer durch alle Alters- und Einkommensgruppen.

 

»Aus dem eher schleppenden Anstieg der Online-Nutzung lässt sich ein gewisses Akzeptanzproblem ableiten«, sagt Ronald de Jonge, Leiter Management Consulting für den Geschäftsbereich Public Sector von Sopra Steria Consulting. »Vielen Deutschen gehen die vorhandenen Online-Dienste der öffentlichen Verwaltung nicht weit genug. Sobald Angelegenheiten, wie bei der Steuererklärung und der Kfz-Zulassung, komplett oder weitgehend elektronisch erledigt werden können, ist die Akzeptanz größer«, so de Jonge.

 

Bürger nehmen punktuelle Verbesserungen im Online-Angebot wahr

An durchgängig digitalen Verfahren und Serviceleistungen arbeiten Verwaltungen in allen untersuchten Ländern. Die Bürgerinnen und Bürger bestätigen überall mehrheitlich, dass es mit dem digitalen Angebot schrittweise aufwärtsgeht. In Deutschland verläuft die Kurve allerdings deutlich flacher als in Frankreich, Großbritannien, Norwegen und Spanien. 52 Prozent der Bundesbürger, vier Prozentpunkte weniger als im Vorjahr, sagen, dass sie heute mehr Behördenleistungen online in Anspruch nehmen können als vor einigen Jahren. In Frankreich und Norwegen sind es mehr als 80 Prozent, in Großbritannien und Spanien mehr als 70 Prozent.

 

Die gute Nachricht für Deutschland: Einzelbereiche der öffentlichen Verwaltung bewerten in diesem Jahr mehr Bundesbürger positiv als noch 2017. Dabei stechen die Finanzverwaltungen hervor. Leistungen wie das Erstellen und die Abgabe der elektronischen Steuererklärung kommen in der Bevölkerung gut an. Etwas getan hat sich in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger im Vergleich zur Vorjahresbefragung unter anderem beim Online-Angebot von Justiz und Polizei. Die Nutzung schneller digitaler Kommunikationskanäle und Analysemethoden bei der Polizei sowie Fortschritte beim elektronischen Rechtsverkehr kommen bei der Bevölkerung an. Vereinfachungen in Einwohnermeldeangelegenheiten wie in der Stadt Düsseldorf werden ebenfalls wahrgenommen. Dort gibt es beispielsweise einen online buchbaren Kurierservice für Ausweisdokumente, und Fotografen können digitale Passbilder direkt und medienbruchfrei in die Antragsvorgänge des Einwohnermeldeamtes übermitteln.

 

»Bund, Länder und Kommunen arbeiten intensiv an diversen Programmen, wenn auch nicht immer für die Bürgerinnen und Bürger sichtbar«, erklärt Ronald de Jonge von Sopra Steria Consulting. »Investitionen in datengetriebene Organisationsmodelle, Prozessmanagement, Strategieentwicklung und Aufgabenpriorisierung stehen bei den Verantwortlichen weit oben auf der Agenda. Sie bilden die Basis für den Portalverbund und das Nutzerkonto. Beide Vorhaben sind für mehr digitalen Service unverzichtbar. Angesichts der großen Erwartungen gilt es, der Bevölkerung diese nötigen Schritte zu einer digitalen öffentlichen Verwaltung besser zu erklären.«

 

[1] Über die Studie: Sopra Steria veröffentlicht zum vierten Mal in Folge in Zusammenarbeit mit IPSOS eine Umfrage zur digitalen Transformation des öffentlichen Sektors. Die Umfrage wurde von IPSOS im Auftrag von Sopra Steria im Zeitraum 25. September bis 3. Oktober 2018 durchgeführt. 5.001 Personen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Norwegen und erstmals Spanien wurden nach Geschlecht, Alter, Beruf, Stadt und Region ausgewählt und online befragt.
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Von wegen digital: Großteil der Bürger erledigt Behördengänge noch persönlich

Rund zwei Drittel der Deutschen (69 %) haben in den letzten 12 Monaten Angelegenheiten bei Behörden oder öffentlichen Verwaltungen erledigt. Laut einer repräsentativen Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos war dafür jeder zweite (55 %) persönlich vor Ort, 14 Prozent bedienten sich des Postwegs, 12 Prozent wählten den elektronischen Postweg und nur 10 Prozent nutzten das Internet und 9 Prozent das Telefon [1].

 

 

In Berlin prozentual mehr digitale Behördengänger

Allerdings gibt es regionale Unterschiede. Während in Nordrhein-Westfalen Behörden besonders häufig persönlich aufgesucht werden (63 %), nutzen in Berlin überdurchschnittlich viele Befragte das Internet (16 %) oder E-Mails (15 %) für ihre Anliegen. Die E-Government Initiative des Senats, die den Einsatz von digitalen Informations- und Kommunikationsmedien in der Verwaltung vorantreibt, scheint hier Früchte zu tragen.

 

Berliner am wenigsten zufrieden mit Behördenservice

Allerdings bildet Berlin das Schlusslicht, was die Zufriedenheit mit der Abwicklung und vor allem mit der Bearbeitungsdauer angeht. Jeder vierte Berliner (24 %) hält diese nicht für ausreichend, etwa ebenso viele (26 %) sind mit der Erreichbarkeit der Behörde unzufrieden.

In Nordrhein-Westfalen und Hessen ist die Zufriedenheit dagegen hoch: je 45 Prozent der Befragten vergeben die Noten 1 oder 2 für die Gesamtabwicklung in der Behörde. Ebenso ist in NRW die Zufriedenheit mit der Beratungsqualität hoch, 45 Prozent benoten mit 1 oder 2, in Baden-Württemberg sind es 43 Prozent. Grundsätzlich sind es die kleineren Orte mit weniger als 20.000 Einwohnern, in denen die Zufriedenheit mit der Abwicklung im Bürgerservice am höchsten ist.

 

Gute Noten für Behördenservice

Fast die Hälfte der Befragten (48 %), die in den letzten 12 Monaten bei einer Behörde waren, ist insgesamt zufrieden mit der Abwicklung der zuletzt getätigten Behördenangelegenheit und vergibt auf einer Schulnotenskala die Note »gut« oder »sehr gut«. Nur 12 Prozent bewerten mit den Noten 5 oder 6. Gut vier von zehn kürzlichen Behördengängern (46 %) zeigen sich vor allem mit der Beratungsqualität der Behördenmitarbeiter zufrieden, ähnlich viele vergeben die Bestnoten 1 und 2 für Erreichbarkeit (43 %) und Bearbeitungsdauer (41 %).

 

Hohe Zufriedenheit mit persönlichem Kontakt und Internetkontakt

Ein persönlicher Behördengang macht ebenso zufrieden wie die Abwicklung per Internet. Jeweils über die Hälfte der Nutzer der jeweiligen Services vergeben hier die Noten 1 und 2 (persönlicher Besuch 55 % / Internet 54 %). Die Kommunikation per Telefon (38 %) oder per Post (32 %) bewertet nur jeweils etwa jeder Dritte so gut.

 

[1] Methode: repräsentative Online-Befragung über den ipsos i:omnibus von Ipsos Observer
Stichprobe: 2.000 Personen zwischen 16 und 70 Jahren
Feldzeit: 26. – 30. Januar 2018.