In diesen Tagen stehen viele Unternehmen unter Druck – Lieferengpässe sind in nahezu allen Branchen an der Tagesordnung. Die digitale Transformation, insbesondere der Aspekt des IoT, soll hier den Unternehmen dabei helfen, besser auf Marktverwerfungen, wie wir sie gerade beobachten müssen, vorbereitet zu sein und gleichzeitig selbige zu meistern. Ein Ansatz, der in der Öffentlichkeit viel Beachtung findet, ist Edge Computing. Doch nicht alles, was schon heute öffentlich diskutiert wird, findet sich schon breit im Markt. manage IT hat sich daher zu diesem Themenfeld mit Markus Fleischer, Head of Strategy & New Markets, bei A1 Digital unterhalten.
Herr Fleischer, lassen Sie uns doch direkt mit dem Thema Edge Computing einsteigen. Wo steht der Markt heute?
Nun, im Gegensatz zur allgemeinen Wahrnehmung ist Edge Computing heute keineswegs ein technologischer Ansatz, den man in vielen Unternehmen finden kann. Es gibt einige Unternehmen, die damit experimentieren, erste Erfahrungen sammeln, aber es gibt bisher keinen flächendeckenden Einsatz. Dennoch arbeiten sehr viele Unternehmen – auch wir bei A1 Digital – an der Weiterentwicklung bisheriger Ansätze in Richtung Edge. Und das wird sicherlich für viele Unternehmen ein wichtiger, nächster Schritt.
Markus Fleischer,
Head of Strategy & New Markets,
bei A1 Digital
Woran liegt es, dass Edge noch nicht so weit verbreitet ist?
Zuerst muss man verstehen, an welcher Stelle Edge Computing sinnvoll genutzt werden sollte. Das ist erstens dann der Fall, wenn es um geringe Latenz in kritischen Anwendungen geht und wo Ad-hoc-Entscheidungen getroffen werden müssen. Dies ist beispielsweise in einem Produktionsbetrieb zur Qualitätskontrolle oder anderen komplexen Umfeldern der Fall, um agil auf Unvorhergesehenes reagieren zu können.
Der zweite Fall sind sicherheitskritische Anwendungen, um ein lokales, geschlossenes Netzwerk aufzusetzen. Dabei gibt es in der Regel Abhängigkeiten zu diversen Technologien und Lieferanten, wie für eine Edge-Cloud-Zone, einem Campus-5G-Netzwerk und Anwendungen im Bereich Machine Learning.
Um das Potenzial von Edge Computing auszuschöpfen, sollte man als Anwender daher seine Strategie im Bereich der digitalen Transformation in weiten Teilen umgesetzt haben. Aktuell sind es aber nur wenige Unternehmen, die man hier als führend bezeichnen kann. Aber der Markt ist vorhanden, zweifellos.
Die beiden wichtigsten Voraussetzungen für Edge Computing sind die Cloud und IoT-Lösungen. Sind beide Technologien für Edge Computing bereit?
Auf jeden Fall. Aber betrachten Sie die Cloud. Auch hier hat es etliche Jahre gebraucht, bis die Mehrheit das Unternehmen sich für den Einsatz entschieden hatte. Das gleiche ist auch im IoT-Segment der Fall. Wir reden zwar schon einige Jahre darüber, aber bis all die Sensoren in neue, beispielsweise Fertigungssysteme integriert sind, vergehen etliche Jahre. Die Produzenten nutzen ihre Maschinen schließlich über viele Jahre.
Bei IoT sind wir jetzt mittendrin in der Implementierung der Geräte und beim Sammeln der Daten. Derzeit befinden sich die sogenannten Data Lakes erst in der Entstehung. Die neu implementierten Sensoren liefern erst seit zwei bis drei Jahren die Daten. Die großen Datenmengen kommen in der nahen Zukunft. Und erst wenn ausreichend große Datenmengen vorhanden sind, ist es sinnvoll mit der Analyse zu beginnen.
Das ist übrigens ein Thema, über das sich nicht alle Unternehmen ausreichend Gedanken machen, wenn sie ihre IoT-Strategie aufsetzen. Es reicht eben nicht, nur Daten zu sammeln. Sie müssen die Fähigkeit haben, diese Daten auch sinnvoll zu nutzen, daraus Erkenntnisse zu ziehen, um bessere Entscheidungen für Ihr Unternehmen zu treffen.
Heißt das, die Unternehmen planen falsch?
So weit würde ich nicht gehen, nein. Aber es ist in jedem Fall nur zu empfehlen, dass Fach- und IT-Abteilung ein IoT-Projekt gemeinsam konzipieren. Was nützen Ihnen die besten Analysten gigantischer Datenmengen, wenn die Art der Analyse für die Fachabteilung komplett irrelevant ist? Es geht darum, konkreten Nutzen zu generieren. IoT, das Sammeln der Daten und ihre Auswertungen dürfen kein Selbstzweck sein.
Können Sie das anhand konkreter Beispiele näher erläutern?
Gern. Nehmen wir das Beispiel IoT zur Kontrolle des Energiebedarfs von Produktionsanlagen. Mit Hilfe der Sensoren erhalten die Unternehmen ein genaues Bild, wann welche Anlage wieviel Strom über welchen Zeitraum verbraucht. Gleichzeitig wissen sie, was genau zu welchem Zeitpunkt in welcher Menge, Geschwindigkeit und Qualität produziert wird. Damit können sie – ohne Raten – ihre Produktionsprozesse weitaus besser planen, nicht nur um günstiger zu fertigen, sondern auch, um der wachsenden Verantwortung in Sachen Nachhaltigkeit nachzukommen. A1 Digital stellt seinen Kunden solche Lösungen als fertige Lösung zur Verfügung. Denn hier muss man nicht immer bei null anfangen. Ob sie ein Auto fertigen oder im Bereich Chemie unterwegs sind: Ihre Maschinen benötigen Energie, unsere Lösung ist übertragbar.
Ein anderes Beispiel sind IoT-Lösungen in der Baubranche. Der Lösung ist es egal, ob sie Ihre Maschinen managen und daher wissen wollen, wo sich die Geräte befinden, oder Ihren Kunden die Möglichkeit geben wollen, neue Verrechnungs- beziehungsweise Geschäftsmodelle zu verfolgen. Die dahinterstehende Logik ändert sich nicht so sehr.
Das funktioniert im Übrigen auch bei Lösungen, die sich mit Prognosen befassen. Wenn ein Unternehmen hierbei seine Produktionsmaschinen überwacht, erhält es über definierte Parameter entsprechende Verbrauchswerte über diese Maschine oder den Maschinenpark. Eine vergleichbare Logik finden sich auch im Einzelhandel, wenn es um die Vorhersage geht, wann ein Unternehmen was, wo, in welcher Menge und in welchem Zeitraum nachbestellt werden muss.
Diese Beispiele zeigen deutlich, dass nicht jedes IoT-Projekt komplett individuell die Entwicklung neuer Produkte erfordert, sondern vorkonfigurierte Lösungen es ermöglichen, sehr schnell mit der Implementierung zu beginnen. Nebenbei sind fertige Lösungen in den meisten Fällen bereits erprobt und skalieren besser, da die Anbieter von vornherein die Option einer breiten Nutzung einkalkuliert haben.
Abschließend noch eine Frage zur Infrastruktur: All die Daten, die für IoT erzeugt werden, müssen ja auch transportiert werden. Können die Cloud-Anbieter dieses heutzutage überhaupt leisten?
Eine berechtigte Frage! Allerdings ist das gegenwärtig kein Problem – und wir erwarten auch nicht, dass das künftig eines sein wird. Junge Technologien wie 5G bieten genau hierfür die passende Lösung dank ausreichender Bandbreite und hoher Zuverlässigkeit.
Zudem gewinnt auch das Edge Computing – wie bereits zu Beginn unseres Gesprächs festgestellt – immer mehr an Bedeutung. Das heißt, die Unternehmen müssen nicht Unmengen an Rohdaten über das Netz schicken. Kleine, lokale Clouds oder Rechenzentren machen das direkt dort, wo die Daten entstehen. Lediglich die Auswertungen müssen dann weitergeschickt werden. Probleme sind also nicht zu erwarten. Im Gegenteil, die verteilte Intelligenz entlastet das Netz und ermöglicht auch in Zukunft die produktive Nutzung der Cloud für IoT.