LANCOM Systems wurde im Mai 20 Jahre alt – »Das Pendel schwingt in unsere Richtung«

Datensouveränität und Informationssicherheit verlangen nach hiesigen, unabhängigen Lösungen. LANCOM ist der einzige deutsche Hersteller von Netzwerklösungen für Geschäftskunden und den öffentlichen Sektor. Eine ideale Ausgangsposition? Firmengründer und Geschäftsführer Ralf Koenzen im Gespräch mit »manage it«.


Was war der Anlass für die Gründung von LANCOM Systems? 

Als es 2002 mit der ELSA AG zu Ende ging, fürchteten wir nicht in erster Linie um unsere Arbeitsplätze. Vielmehr dachten wir an die Kompetenzen und das Know-how, das verloren gehen würde, und an das Team, das dieses Know-how verkörperte. Als sich dann die Möglichkeit eines Management-Buy-Outs bot, ergriff ich sie. Ich war fest davon überzeugt, dass wir mit dem Gesamtpaket aus Team und Produkten eine realistische Chance im Markt haben würden. Und 20 Jahre später kann ich mit Stolz sagen: Genau so war es.


Wer ist von 2002 noch an Bord? 

Von der ursprünglich 25-köpfigen Anfangscrew, mit der wir den Neustart wagten, sind 20 Kollegen und Kolleginnen bis heute mit an Bord. Inzwischen zählen wir mehr als 400 Mitarbeitende an vier Standorten. Aber der Spirit aus der Anfangszeit wirkt immer noch nach. Im Herzen sind wir manchmal immer noch Start-up.


Was waren die Highlights in 20 Jahren LANCOM?

Da gibt es viele! Für mich persönlich war es ein Highlight, als uns die Kanzlerin 2010 und 2014 auf unserem Messestand auf der CeBIT besuchte. Angela Merkel wurde drei Jahre nach der Gründung von LANCOM Kanzlerin. Sie war die Frau an der Spitze Deutschlands, während wir LANCOM aufbauten. Auf der CeBIT traf sich damals das Who is Who deutscher IT-Unternehmen, doch die Kanzlerin kam zu uns.


Wie konnte sich LANCOM 20 Jahre erfolgreich behaupten?  

Wir haben LANCOM mit einer klaren Zielsetzung und Ausrichtung gegründet: IT-Netzwerke »Made in Germany«. Wir wollten eine Alternative zum außereuropäisch dominierten IT- und Netzwerkmarkt bieten. Heute erweist sich das mehr denn je als richtig: Die Debatten um US-amerikanische und asiatische Hersteller und den Datenschutz oder das Aus des US Privacy Shield machen deutlich, wie wichtig digitale Souveränität ist. Das gewachsene Bewusstsein für Datensouveränität und Informationssicherheit in Politik und Gesellschaft unterstreicht den Bedarf an hiesigen, unabhängigen Lösungen.


Was macht Ihr Unternehmen einzigartig?

LANCOM ist der einzige verbliebene deutsche Hersteller von Großserien-Netzwerklösungen für Geschäftskunden und den öffentlichen Sektor. Und das in einem Markt, der weitgehend von US-amerikanischen und asiatischen Anbietern geprägt ist. Die Nähe zu unseren Kunden ist für uns entscheidend. Nur im Dialog lassen sich individuelle Herausforderungen verstehen und passgenaue Lösungen finden. Ein »One size fits all« gibt es in unserem Marktumfeld nicht. Viele tausend Partner, Reseller und Systemintegratoren unterstützen uns dabei, so nah wie möglich an unseren Kunden und den Themen, die sie umtreiben, zu sein. Dieses über die Jahre gewachsene Ökosystem ist für uns unbezahlbar. 

LANCOM legt großen Wert darauf, Bereiche wie die komplette Produktentwicklung und den Support nicht aus der Hand zu geben. Bei der Fertigung kooperieren wir seit 20 Jahren mit denselben zwei Unternehmen in Süddeutschland. Auch für das Hosting unserer Cloud-Lösung arbeiten wir mit einem hiesigen Technologiepartner zusammen. Unsere Kunden wissen diese Beständigkeit zu schätzen.


Was waren oder sind die »Dauerbrenner« bei LANCOM?

Ganz allgemein gesprochen traditionell alle Produkte, die WLAN bieten, sowie Breitbandrouter mit VPN-Zugang. Hier liegen unsere Wurzeln. Natürlich haben wir unser Portfolio stetig erweitert. Heute bieten wir unseren Kunden Komplettlösungen für Netzwerk und Security (WAN, LAN, WLAN & Firewalls). Wir kombinieren unser Hardwaregeschäft mit virtuellen Netzwerkkomponenten und Cloud-basiertem Software-defined Networking (SDN). So entsteht ein einzigartiges Angebot aus On-Premises- und Cloud-Lösungen mit einer zentralen Plattform für SD-WAN, Cloud-managed Networks & Security und SD-Branch.


Gab es auch einen Flop in der Produkt-Historie?

Auch den gab es: die erste Generation unserer »Voice-Over-IP«-Router zur Ablösung der ISDN-Produkte. Nicht weil wir technisch grobe Fehler gemacht hatten. Wir waren im Jahr 2004 der Zeit einfach voraus. Die endgültige Abschaltung von ISDN kam dann doch deutlich später ab zirka 2014, mit einer neuen Generation der VoIP-Router konnten wir dann sehr erfolgreich unseren Kunden den weichen Umstieg von ISDN- auf »All-IP«-Anschlüsse ermöglichen.


Welchen Herausforderungen musste sich LANCOM stellen?

Geschäftlich gesehen ist die Akzeptanz nicht-europäischer Unternehmen als Lieferanten für kritische Infrastrukturen in Deutschland und Europa ebenso Herausforderung wie Ansporn für uns. In Deutschland tun wir uns mit Argumenten bezüglich digitaler Souveränität, Datensouveränität und Informationssicherheit immer noch schwer. Doch das Pendel schwingt zurzeit in unsere Richtung.

 

 


Was treibt Sie täglich an? 

Der Wettbewerbsdruck ist weiterhin ungebremst. Natürlich gehen auch weltwirtschaftliche und geopolitische Entwicklungen und die Pandemie nicht spurlos an uns vorüber. Das Navigieren durch diese turbulenten Zeiten treibt mich an. Gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden, Kunden, Partnern und Lieferanten nach Lösungen suchen, damit alle erfolgreich sind, wir gemeinsam Innovationen voranbringen und Digitalisierung aktiv gestalten – darum geht es. Als Firmenchef trage ich mit unserer Führungscrew Verantwortung für mehr als 400 Mitarbeitende, die sich täglich mit viel Engagement einbringen. Für sie soll LANCOM auch in 10 Jahren ein guter Platz zum Arbeiten sein.


Was bedeutet Führung für Sie? Welchen Stil pflegen Sie?

Kommunikation und der persönliche Kontakt sind mir in der Zusammenarbeit sehr wichtig. Trotz meines eng getakteten Zeitplans versuche ich, für Mitarbeitende immer ansprechbar zu sein. Einmal im Monat gibt es außerdem einen festen Nachmittag, an dem ich mir Zeit nehme, um mit Kolleg*innen aus den unterschiedlichsten Abteilungen bei Kaffee und Kuchen persönlich ins Gespräch zu kommen. Aber auch wer mich auf dem Flur oder in der Kaffeeküche trifft, kann mich jederzeit ansprechen. 


Was macht LANCOM, um ein guter Arbeitgeber zu sein? Stichwort Work-Life-Balance?

Flexibles Arbeiten und Homeoffice hatten bei uns schon vor der Pandemie einen festen Platz und Stellenwert. Mir ist aber auch der persönliche Austausch in den Teams sehr wichtig und dass wir uns regelmäßig sehen. Ich hoffe, die Umstände lassen es zu, dass dies Schritt für Schritt wieder mehr wird. Auch die persönliche Entwicklung im Sinn von Diversität, Weiterbildung, aber auch Teilzeitmodellen je nach individueller Lebenssituation ist bei uns fest verankert. Um auch Familien zu unterstützen, bieten wir Eltern zusätzlich einen monatlichen Zuschuss zur Kinderbetreuung. Unsere Mitarbeitenden erhalten außerdem weitere Benefits, die über das Übliche hinausgehen. Zum Beispiel können sie auf ein bedürfnisorientiertes Gesundheitsmanagement und unsere zahlreichen Fitness-Angebote, die sich sowohl aus dem Homeoffice als auch bald wieder in unserem eigenen Fitnessraum am Standort in Würselen nutzen lassen, zugreifen.


Gab es Fälle, wo Sie auf den Rat von Mitarbeitern gehört haben?

Die Arbeitswelt hat sich durch und mit den Technologien verändert und ist in ständiger Bewegung. Chefs und Chefinnen von heute müssen anders agieren als die von damals, die eher verwaltet und diskussionslos vorgegeben haben. Heute ist Führung agiler und offener. Da fließen natürlich Ideen von Kolleg*innen in Entscheidungen mit ein. Jeder Input kann wertvoll sein und zum Erfolg beitragen. Schließlich gibt es oft mehrere Wege zu einer Lösung. Vielleicht habe ich den schnelleren übersehen, oder es gibt Methoden und Prozesse, die Jüngere schon adaptiert haben. Warum soll ich sie dann nicht anwenden? Wichtig ist der offene Austausch – ich lasse mich gerne überzeugen, wenn die Argumente stimmen.


Gab es auch Momente des Zweifelns?

Ich bin im Herzen Unternehmer und treffe viele Entscheidungen mit Tragweite und Auswirkungen auf das Unternehmen. Ich muss zweifeln, um alle Argumente gründlich abzuwägen. Doch gehört es auch dazu, Risiken einzugehen, um wachsen zu können. Diese Verantwortung ist Ansporn, meinen Job so gut wie möglich zu machen.


Wie hat LANCOM die Herausforderungen der Pandemie gemeistert?

Die technischen Möglichkeiten für Remote Work waren bereits vorhanden, sodass wir im März 2020 weite Teile der Belegschaft buchstäblich von heute auf morgen ins Homeoffice schicken konnten. Das hat von Anfang an sehr gut geklappt. Als Hersteller von Vernetzungslösungen für eben solche Szenarien hatten wir hier natürlich einen Riesenvorteil.

Allerdings war die phasenweise Mehrfachbelastung durch Homeoffice und Homeschooling sowie die Wellen mit hohen Krankenständen für alle Mitarbeitenden belastend. Hier haben wir versucht, flexibel zu unterstützen.

Was das Geschäft betrifft, gab es während der Pandemie sowohl Ausschläge nach oben als auch nach unten. Einige Bereiche wie etwa die Hotelbranche waren zunächst in Schockstarre, dafür erhielt die Digitalisierung in den Schulen durch Corona einen echten Schub.


Gibt es neben dem Geschäftsmann auch die Privatperson Ralf Koenzen?

Natürlich gibt es die! Ich bin glücklich verheiratet und habe zwei Kinder. Zu meinen privaten Interessen gehört alles, was mit der Fliegerei zu tun hat.


Wo finden Sie einen Ausgleich zum Arbeitsalltag?

Ich bin seit vielen Jahren leidenschaftlicher Privat-Pilot. Im Cockpit über den Wolken, dort finde ich eine willkommene Abwechslung, und kann das sogar noch mit meinen Geschäftsterminen kombinieren.


Sind Sie schon mal in eine brenzlige Situation am Cockpit geraten?

Brenzlig möchte ich nicht sagen. Aber es gab schon Situationen, bei denen ich mir im Nachgang sagen musste, dass sich das anders oder besser hätte lösen lassen. Ein kurzes De-Briefing gehört zu jedem Flug, und bereitet einen auf die nächste Reise vor. Auch hier lernt man niemals aus.


Welchen Rat gibt Ralf Koenzen anderen Unternehmern und Unternehmerinnen, um erfolgreich zu sein?

Zuhören, entscheiden, nicht scheu, sondern mutig und gleichzeitig risikobewusst sein – das alles auf Basis fachlicher Kompetenz, und dabei immer die Menschen, die das Unternehmen ausmachen, im Blick behalten. Sich Freiräume für Persönliches und Privates zu erhalten, ist ebenso wichtig.


Treffen wir uns zum 30sten von LANCOM wieder?

Sehr gerne. Ich kann allerdings nicht versprechen, dass ich dann noch in der gleichen Position bei LANCOM bin. Aber es gibt keine Ausstiegsplanung, dafür ist das alles viel zu spannend und die Chancen zahlreich. Ich freue mich darauf, mit diesem LANCOM-Team und dieser Basis weiter zu wachsen.


Und was passiert mit LANCOM?

Mit dem Einstieg von Rohde & Schwarz bei LANCOM haben wir uns unter das Dach eines großen Partners begeben, zu dessen Portfolio und Werten wir perfekt passen. Kunden und Mitarbeitenden bieten wir so auch Sicherheit für die Zukunft. Hier sehe ich mich in der Verantwortung. Wir sind 20 Jahre jung, und stehen erst am Anfang unserer Möglichkeiten.

Vielen Dank für das Gespräch und weitere erfolgreiche 20 Jahre.