Massenkundenabrechnung – Mengenlehre

h_11-12-2015_240

Logistik- und Finanzdienstleister, TV- und Telekommunikationsunternehmen – sie alle stehen meist vor einer Herausforderung: Der Bewältigung von Massen. Im Massenkundengeschäft sind etwa die Bereiche Consume-to-Cash, Debitoren- und Prozessmanagement von herausragender Bedeutung.

Die GTW Management Consulting GmbH, Wien, ist ein internationales IT-Beratungsunternehmen mit dem Fokus auf Massenkundenabrechnung mittels SAP und SAP-Implementierungen im Massenkundengeschäft. Peter Wagner, als Manager bei GTW für die strategische Ausrichtung sowie Account und Product Management verantwortlich, klärt über die Besonderheiten auf.

Herr Wagner, Ihr Unternehmen ist spezialisiert auf das Massenkundengeschäft. Warum braucht man GTW?

Wir verstehen uns als Spezialisten für das Massenkundengeschäft, also Telekommunikationsunternehmen, Energieversorger, Kabelanbieter, aber auch Finanzdienstleistungsanbieter und Logistiker. Dort implementieren wir SAP FI-CA als Massenkontokorrent, also die gesamten Prozesse, die mit Abrechnungen und Einhebungen der Entgelte zu tun haben. Wenn Sie einen Mobiltelefonanschluss haben und Leistungen konsumieren, dann sorgen wir dafür, dass diese Daten im Billing-System, also dem Abrechnungssystem des Telekommunikationsanbieters, verbucht werden. Außerdem beraten wir auch in den Forderungsmanagementprozessen.

Sie implementieren also SAP-Software?

Ja, wir beraten üblicherweise im Bereich von SAP und wir implementieren SAP FI-CA, das ist das Vertragskontokorrent, und die umliegenden Module der Order-to-Cash-Kette, die mit dem Erstellen und Zusammenführen von Rechnungen und der Bezahlung von Rechnungen zu tun haben, etwa das als Billing and Revenue Innovation Management bekannte BRIM, inzwischen SAP hybris Billing genannt. Das ist quasi unser Kerngeschäft. Und da beraten wir in den Prozessen und in buchhalterischen Fragen und implementieren diese Prozesse dann innerhalb von SAP. Wir wollen so die strategischen Ziele unserer Kunden auf konkrete IT-Maßnahmen und -Lösungen umlegen.

Welche besonderen Anforderungen gibt es im Massenkundengeschäft?

Also grundsätzlich haben wir gesehen, dass die Stammdaten von Kunden im Massenkundengeschäft in den Systemen nie so sauber gepflegt sind. Häufig gibt es bei der Erstregistrierung, wenn sich ein Kunde anmeldet, Probleme bei der Datenerfassung. Das heißt, entweder hat der Kunde unleserlich geschrieben oder der Mitarbeiter, der es aufgenommen hat, hat teilweise Buchstaben vergessen oder es wurden Zweit- oder Doppelnamen nicht mit erfasst. Dann treten natürlich in den Stammdaten Probleme auf. Man möchte den Kunden normalerweise in SAP oder in Nebenbuchsystemen einmal anlegen, und sollte sich der Kunde abmelden und später wieder anmelden, möchte man das natürlich auf einem Kundenkonto fortschreiben. Wenn aber diese Daten nicht konsistent sind, kann es dazu führen, dass man einen Kunden, der sich nach einiger Zeit wieder mit gewissen Produkten anmeldet, nicht erkennt, weil zum Beispiel der Johann Müller jetzt mit ue geschrieben wurde oder weil jemand einen Tippfehler gemacht hat oder sich irgendwo noch ein H eingeschmuggelt hat. Oder die Kundin hat vielleicht geheiratet, trägt einen Doppelnamen.

Und für diese Herausforderungen haben wir unsere GTW Master Data Consolidation Suite entwickelt, die eigentlich als Stammdaten-Pool dient, in den alle Kundenstammdaten eingespielt werden. Diese werden dann normalisiert, das heißt, es werden entsprechende, verkürzte Match Codes aufgebaut. Wenn sich der Kunde dann über ein Internetportal oder den Postweg mit Scannererfassung anmeldet, oder er geht in einen Point of Sale und meldet sich an, kann er mit dieser Master Data Consolidation Suite mit einer Unschärfesuche ermittelt werden, auch wenn seine Stammdaten der Anmeldung nicht genau entsprechen.

Das sind jetzt aber Entwicklungen von GTW, also GTW auf SAP abgestimmt?

Genau, die Software ist von GTW innerhalb von SAP entwickelt. Das ist ein Framework, da hängt Customizing mit drin, bestimmte sprachspezifische Einstellungen und Regeln, welche Werte in den Stammdaten ersetzt werden sollen. Also wenn es auf Deutsch Straße heißt, das kann mit Str abgekürzt werden, aber auch mit Str. angegeben sein. Da gibt es verschiedene Schreibweisen, je nachdem wie es der Agent oder der Kunde erfasst. Wir ersetzen einfach alle Möglichkeiten, die es da gibt und schneiden generell zum Beispiel Str, Str. und Straße einfach weg hinter der Kundenadresse. So bleibt eigentlich nur der Stamm der Straße, also statt Goethestraße steht in der Datenbank nur Goethe drin. Diese Software ist zwar in SAP entwickelt, kann aber auch, wenn einmal in SAP installiert, von weiteren Systemen angesprochen werden, etwa einem Web-Portal, einem CRM-System oder einer Scanning-Software.

Sie sagten, Sie wollen die strategischen Ziele Ihrer Kunden auf IT-Lösungen umlegen. Wie sehen diese strategischen Ziele aus?

Die sind natürlich ganz individuell. Aber grundsätzlich sind heutzutage alle Unternehmen daran interessiert, ihren Kunden den besten Service zu liefern, gerade wenn der Wettbewerb in einem Markt sehr groß ist. Meldet sich heute ein Kunde über eine Internet-Plattform oder es geht eine Abmeldung oder ein anderes Dokument im Unternehmen ein, wird es gescannt und der Kunde ist stets direkt identifiziert. Der Geschäftsvorfall wird automatisch im CRM- oder Ticketsystem angelegt und wenn sich der Kunde beispielsweise eine Woche später über eine Hotline meldet, ist der gesamte Geschäftsprozess sofort parat. So hat beispielsweise die Billag AG, das schweizerische Äquivalent zur deutschen GEZ, mit unserer Software in nur sechs Monaten das Volumen ihrer offenen Kundenanfragen um 80 Prozent senken können.

Neben der Beratung bieten Sie drei eigene Produkte an. Könnten Sie die kurz skizzieren? 

Unsere ATS, Advanced Test and Migration Solution, ist ein Tool innerhalb von SAP. Ein SAP-System besteht meist aus einem Systemstrang, dazu gehören eine Entwicklungsumgebung, ein Testsystem, ein Qualitätssicherungssystem und eine Produktion. Die Herausforderung bestand darin, dass auf den Testsystemen und auf den Entwicklungssystemen durch die Vielzahl der Tests und Entwicklungen die Daten nicht valide waren und viel Datenmüll entstand, der nicht mehr dem wirklichen Systemszenario einer Produktion entsprach. Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Programm für die Zahlungseingangsverarbeitung eines elektronischen Kontoauszugs regressiv testen. Dann müssen Sie die Daten normalerweise manuell aufbereiten. Dafür transferieren wir jetzt direkt von der Produktion oder einem QS-System anonymisierte Daten, die der Echtwelt entsprechen. So kann ich einen Geschäftsvorfall mit Echtdaten, die aber anonymisiert sind, vollständig durchtesten.

Über die MDACS, die Master Data Consolidation Suite, haben wir ja eigentlich schon gesprochen?

Genau, das ist eine Standardharmonisierung, mit der Sie Kunden identifizieren und Dubletten vermeiden, aber in einem bestimmten Sinn Dubletten auch zusammenfassen können. Das heißt, ich habe jetzt den Hans Mueller mit ue und den Hans Müller mit ü, die habe ich jetzt erkannt, und nun führe ich die zusammen und kann theoretisch auch die Rechnungen von dem einen zum anderen umbuchen oder andere Folgeaktionen auslösen, das geht alles.

Und dann gibt es noch die Credit Limit Control.

Die Credit Limit Control ist eine Software, die wir ursprünglich für einen österreichischen Telekommunikationsanbieter entwickelt haben. Das ist ein Regelwerk, mit dem Sie anhand der Zahlungsmoral von Kunden in der Vergangenheit gewisse Kreditlimits festlegen können, ab wann Kunden aufgrund ihres Konsums einen Alarm auslösen.

Welche Daten liegen da zugrunde? Nur die Daten innerhalb eines Telekommunikationsanbieters oder werden da Fremddaten herangezogen?

In diesem Fall nur Daten innerhalb eines Telekommunikationsunternehmens. Da werden die eigenen Daten zu Risikoclustern verarbeitet und anhand dieser Risikocluster kann man dann Schwellen einbauen und sagen, ab hier gib mir einen Alarm.

Ihre Lösungen sind aber nicht auf den deutschsprachigen Raum beschränkt?

Nein, ich sehe uns als europäisches Unternehmen mit österreichischen Wurzeln, das von Wien aus den gesamten europäischen Markt bedient. Wir haben Kunden von Island und Schweden bis Kroatien und Griechenland, aber die meisten schon in der DACH-Region. Dazu gehören etwa die Deutsche Telekom, Vodafone Kabel Deutschland, die Österreichische Post und die schon erwähnte Billag AG.

Herr Wagner, wir bedanken uns für das Gespräch.


Das Gespräch führte Volker Vorburg.
Bild: Jürgen Hofer