Mission Innovations­weltmeisterschaft

Illustration: Absmeier Hornbillstudio

In Deutschland wird Innovation großgeschrieben. Dennoch wirken Unternehmen hierzulande neuerdings zögerlich, kreative Projekte und Ideen voranzutreiben. Diesem Trend sollten wir entgegenwirken, schreibt Tim van Wasen, Geschäftsführer von Dell Technologies Deutschland, schließlich gefährdet innovativer Stillstand unseren Wohlstand.

 

Den hart erkämpften und wohlverdienten Titel »Innovationsweltmeister 2018« konnte Deutschland in den vergangenen Jahren leider nicht verteidigen. Glaubt man den rückläufigen Patentanmeldungen, herrscht in unserem sonst so ideenreichen Land eine gewisse kreative Flaute: über 15 Prozent weniger waren es 2022 im Vergleich zum Weltmeisterjahr. Doch woran liegt das? Der Blick über den geographischen Tellerrand hinaus enthüllt: Zwar sind wir im Bereich analoge Technologien nach wie vor führend, schwächeln dafür aber bei Patenten im digitalen Bereich.

Die Gründe für dieses partielle Leistungstief sind vielschichtig. Eine wichtige Rolle dürfte die schwierige Gemengelage aus Corona-Nachwirkungen, Energieknappheit, hoher Inflation, geopolitischer Unsicherheit und ausgebremstem Wirtschaftswachstum spielen. Eine reflexhafte Reaktion von Industrie und Wirtschaft auf die dadurch ausgelöste Zukunftsangst war, sich auf die Kerngeschäfte zu fokussieren und die Investitionen in digitale Innovation hintanzustellen. Die nachvollziehbare Entscheidung hat jedoch das Potenzial, eine Abwärtsspirale auszulösen: Je weniger hiesige Unternehmen in Innovation investieren, desto mehr verliert der gesamte Wirtschaftsstandort Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit und desto unattraktiver wird er am Ende auch für Investoren – egal welcher Provenienz. Dem müssen wir entgegenwirken.

Dass es übermäßig viel Zeit und Geld erfordert, um innovativ zu sein, ist glücklicherweise ein Mythos – jedenfalls wenn wir von digitalen Zukunftstechnologien sprechen. Deutschlands Wohlstand und Wirtschaftskraft basieren indes nicht auf digitalen Errungenschaften, sondern vorerst noch auf unseren Paradedisziplinen in der Chemie, Elektrotechnik oder im Automobil- und Maschinenbau. Diese Sektoren verwandelt man logischerweise nicht einfach in rein digitale Branchen – das ist auf die Schnelle aber auch gar nicht nötig. Denn schon kleine Fortschritte bringen uns voran. Auch in der Fertigung gibt es durchaus Möglichkeiten, Prozesse zu digitalisieren. Es muss ja nicht immer gleich eine Revolution sein.

Dennoch, Deutschland sollte wieder mehr Mut zur Innovation entwickeln. Sie ist nicht nur für den Wirtschaftsstandort als Ganzes essenziell, sondern auch für das Überleben eines jeden einzelnen Betriebs. Dessen sind sich die Unternehmen durchaus bewusst, wie eine aktuelle Studie von Dell Technologies belegt: 67 Prozent der Befragten in Deutschland befürchten demnach, ihr Unternehmen würde ohne Innovationen in den nächsten drei bis fünf Jahren obsolet sein. Das Ziel ist also klar – wir sollten in Sachen Innovationskultur nachjustieren. Doch wie erreichen wir das?

Zunächst müssen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung ausloten. In den meisten Unternehmen, gerade im Mittelstand, ist an dieser Stelle noch Luft nach oben – und damit ein gigantisches Wettbewerbspotenzial vorhanden. Innovative Ideen sind in einer digitalisierten Welt oft auch ohne Millionen- oder gar Milliardeninvestments umsetzbar. In einem solchen Umfeld entfalten auch kleine Verbesserungen enorme Wirkung.

Ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer offenen Innovationskultur – auch das haben Untersuchungen ein ums andere Mal belegt – sind interdisziplinäre Teams, arbeiten diese doch effizienter, sind kreativer und produzieren bessere Ideen. Für noch mehr Innovationskraft sorgt eine möglichst hohe Diversität. Sie hilft Unternehmen, Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln oder Kulturen heraus zu betrachten und geeignete Lösungen zu finden. Darüber hinaus darf Hierarchie in diesem Zusammenhang keine Rolle mehr spielen: Jeder einzelne Mitarbeitende kann das Unternehmen mit Ideenreichtum voranbringen – diese Fähigkeit ist keinesfalls der Führungsebene vorbehalten. Sind diese drei Voraussetzungen erfüllt, gewinnt Innovation deutlich schneller an Konturen.

In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist Sparen unerlässlich, das versteht sich von selbst. In Sachen Forschung und Entwicklung allerdings sind Sparmaßnahmen eher kontraproduktiv, denn der Wohlstand einer Gesellschaft hängt maßgeblich von ihrer Innovationsfähigkeit ab. Dieser Verantwortung sollten wir uns alle bewusst sein. Es sieht so aus, als ob uns künstliche Intelligenz auch in dieser Hinsicht sehr bald unterstützen wird. Bis es aber so weit ist, müssen wir es selbst in die Hand nehmen.

 

 


 

 

Die Zahl der Patentanmeldungen in Deutschland ist ein wichtiger Indikator für die Innovationskraft und den technologischen Fortschritt des Landes. Hier ein kurzer Überblick über die Entwicklung der Patentanmeldungen in den Jahren 2021 und 2022 verglichen mit dem Jahr 2018, das einen Höchststand an Anmeldungen verzeichnete.

Laut dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) gingen im Jahr 2021 insgesamt 58.568 Patentanmeldungen ein, davon 39.812 aus dem Inland und 18.756 aus dem Ausland. Dies entspricht einem Rückgang von 5,7 % im Vergleich zum Jahr 2020, das 62.108 Anmeldungen zählte. Der Rückgang ist vermutlich auf die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zurückzuführen, die die wirtschaftliche Aktivität und die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit beeinträchtigt haben.

Im Vergleich zum Jahr 2018, das mit 67.905 Anmeldungen einen Rekordwert erreichte, ist der Rückgang noch deutlicher: Die Anzahl der Patentanmeldungen im Jahr 2021 war um 13,8 % niedriger als im Jahr 2018. Die meisten Anmeldungen im Jahr 2021 kamen aus den Bundesländern Baden-Württemberg (13.570), Bayern (11.875) und Nordrhein-Westfalen (5.675). Die führenden Technologiefelder waren Transport (10.482), elektrische Maschinen und Geräte, elektrische Energie (7.168) und Messtechnik (4.490).

Für das Jahr 2022 liegen noch keine offiziellen Zahlen vor, aber es ist zu erwarten, dass sich die Zahl der Patentanmeldungen wieder erhöhen wird, da sich die wirtschaftliche Lage verbessert und die Impfkampagne gegen Covid-19 voranschreitet. Eine Prognose des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland im Jahr 2022 um 3,9 % wachsen wird. Dies könnte sich positiv auf die Investitionen in Forschung und Entwicklung und damit auf die Patentaktivität auswirken.

Eine mögliche Quelle für aktuelle Daten über die Patentanmeldungen in Deutschland ist das Europäische Patentamt (EPA), das monatlich Statistiken über die beim EPA eingereichten europäischen Patentanmeldungen veröffentlicht. Diese Statistiken umfassen auch die Anmeldungen aus Deutschland, die einen großen Anteil an den europäischen Anmeldungen ausmachen. Laut dem EPA gab es im Zeitraum von Januar bis November 2022 insgesamt 14.892 europäische Patentanmeldungen aus Deutschland. Dies entspricht einem Anstieg von 6,9 % im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2021, als es 13.937 Anmeldungen gab. Dies deutet darauf hin, dass sich die Patentanmeldungen in Deutschland im Jahr 2022 erholen werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zahl der Patentanmeldungen in Deutschland im Jahr 2021 aufgrund der Covid-19-Pandemie gesunken ist, aber immer noch ein hohes Niveau aufweist. Für das Jahr 2022 wird eine Erhöhung der Anmeldungen erwartet, da sich die wirtschaftlichen Bedingungen verbessern und die Impfung gegen Covid-19 fortschreitet. Die Patentanmeldungen in Deutschland spiegeln die Innovationskraft und den technologischen Fortschritt des Landes wider und sind daher ein wichtiger Faktor für seine Wettbewerbsfähigkeit und sein Wachstum.