Nachhaltigkeit in der IT – Klimaneutrale Rechenzentren allein reichen nicht

Drei Tipps an die Bundesregierung für eine wirklich ressourcenschonende IT.

In ihrem Koalitionsvertrag hat die neue Bundesregierung konkrete Ziele zu mehr Nachhaltigkeit in der IT verankert. Auf Seite 18 heißt es: »Wir werden Rechenzentren in Deutschland auf ökologische Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausrichten, u.a. durch Nutzung der Abwärme. Neue Rechenzentren sind ab 2027 klimaneutral zu betreiben.« Ein begrüßenswertes Ziel für den geschundenen Planeten. Eine Fokussierung auf die Datenspeicheranstalten und ihre Abwärmenutzung greift jedoch zu kurz und übersieht effizientere Klimaschutzpotenziale in der IT. Drei legen wir der Regierung besonders ans Herz.

1. Bei der Abwärme auf die Großen konzentrieren.

Daten wurden früher im gesetzlich notwendigen Rahmen gespeichert und dann gelöscht. Heute sorgen Big Data und KI dafür, dass einmal generiertes Wissen kontinuierlich analysiert und auf jede erdenkliche Weise ausgeweidet wird. Datensätze über Jahrzehnte sicher, zuverlässig und wiederabrufbar aufzubewahren, lässt Rechenzentren deshalb ein exponentielles Wachstum ihrer Speicherkapazität erfahren. Bedenkt man den Energieverbrauch, der hinter dem Betreiben solcher Archive steht, scheinen sie ein kluger Ansatzpunkt für die Bestrebungen der Ampel-Koalition zu sein. 

Das auf Nachhaltigkeit spezialisierte Borderstep-Institut ermittelte kürzlich die Entwicklung des Strombedarfs in deutschen Rechenzentren. Dieser stieg innerhalb von zehn Jahren von 5,8 Milliarden auf 10 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2020. Das klingt viel, ist jedoch fast schon moderat, wenn man weiß, dass sich die Menge der gespeicherten Daten im selben Zeitraum verachtfacht hat. Grund für die relativ gute Energieeffizienz ist der Anteil an Ökostrom, dem Rechenzentren längst einen Platz in ihrem Strommix einräumen. Hier also dürften die im Koalitionsvertrag verankerten Ziele nur geringfügige Auswirkungen zeigen, solange nicht deutlich mehr Strom aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden kann. 

Bleibt noch die angedachte Ausweitung der Abwärmenutzung. Etwa 40 Prozent der Archivbetreiber gehen bereits diesen Weg. Oft scheitert die Bereitstellung ihrer Abwärme jedoch daran, dass sie keinen Abnehmer finden und/oder Fernwärmeleitungen nicht auf die niedrigen Temperaturen aus Rechenzentren ausgelegt sind. Inwiefern es lohnt, hier Abhilfe zu schaffen, bedarf wohl weiterer Studien. Mit zurzeit über 47.000 kleineren, geografisch weit verstreuten, Rechenzentren in Deutschland scheint der Aufwand enorm. Eine Konzentration auf die großen Player erscheint da sinnvoll.

2. Für Langlebigkeit sorgen. 

Doch ist es nicht nur der Stromverbrauch für Server, interne Netze und Kühlung, der in die CO₂-Bilanz eines Rechenzentrums einfließen muss. Die Borderstep-Studie ließ bei ihrer Betrachtung die Herstellung (und Entsorgung) der Server und Netzwerkkomponenten außen vor. Eine Nachlässigkeit, wenn man bedenkt, was in ihnen steckt. Dazu sprachen wir mit Hannes Heckel vom Storage- und Archivierungsspezialisten Fast LTA: »Komplexe Speichersysteme vor Ausfällen zu sichern, erfordert spezielle Archiv-Speicher. Fällt die Wahl auf schnell wechselnde Generationen mit eingeschränkter Abwärtskompatibilität, produziert das unnötigen Sondermüll.« Langlebigkeit ist hier das Stichwort. Und dafür sind die Datenträger und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen ebenso maßgeblich wie die verwendete Software. Ihre Kompatibilität und Zukunftssicherheit entscheiden, ob eine Hardware langfristig zum Einsatz kommt – oder frühzeitig zu Elektroschrott verkommt. Letzteres ist zu vermeiden. Denn zur Herstellung der Bauteile in den Computern werden giftige und umweltschädigende Substanzen wie bromierte Flammschutzmittel und die Schwermetalle Blei, Cadmium und Quecksilber verwendet. Will Wirtschafts- und Klimaschutz-Minister Robert Habeck Rechenzentren ab 2027 klimaneutral betreiben, sollte er Soft- und Hardwarehersteller überzeugen, die Langlebigkeit solcher Systeme über kurzfristigen Profit zu stellen. 

3. Mehr on-demand-Produktion

Angesichts der Dringlichkeit der gesteckten Klimaziele werden Stimmen lauter, dass es ohne Eingriffe der Politik in die Wirtschaft nicht mehr geht. Gerade Global Player, deren Handeln die größten Auswirkungen hat, entziehen sich noch zu oft ihrer Verantwortung. Greenpeace fordert bedeutende Internetunternehmen seit 2010 auf, ihre Rechenzentren
mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Die Website
www.clickclean.org/germany/de/ zeigt, dass bei Schwergewichten wie Amazon, Netflix, Twitter, Spotify und Google noch Luft nach oben ist. Ähnliches berichteten wir in der letzten Ausgabe der »manage it«: Dass lediglich zwei der 30 großen Onlineshops in Europa einen klimaneutralen Versand anbieten. Mehr Druck der Politik scheint also geboten, um CO₂-Einsparpotenziale in der IT zu aktivieren.

Umso positiver ist eine Entwicklung, die sich seit Jahren in der Geräteherstellung vollzieht: Mithilfe von 3D-Druck-Technologie wird zunehmend on-demand produziert. Der Materialwissenschaftler Bastian Gaedike erklärt uns das Prinzip des 3D-Drucks an einem typischen Anwendungsfall: »Gingen früher Bauteile an einer alten, aber noch intakten Waschmaschine kaputt, musste sie entsorgt werden. Einfach, weil es keine Ersatzteile mehr gab.« Heute werden sie je nach Bedarfsfall im 3D-Druck nachproduziert. »Alles, was es dafür braucht, sind Daten – und die lassen sich digital für alle Ewigkeit speichern.« Ein digitales Warenlager versus millionenfacher Ersatzteile, die irgendwann entsorgt werden, dient erfreulicherweise allen: Den Herstellern, die kosteneffizient wirtschaften können, und der Umwelt. Diese Technologie weiter voranzutreiben, kann im großen Stil Überproduktionen (von zumeist Plastikteilen) vermeiden und dürfte der CO₂-effizienteste Tipp sein, den die IT derzeit zu bieten hat.

 


Angelika Mühleck,
IT-Fachjournalistin

 

 

Illustration: © AnnJane/shutterstock.com