Omnichannel: Herausforderungen im Versand bei der Verzahnung von On- und Offline-Geschäft

Foto: freepik macniak

Das On- und Offline-Geschäft ist historisch betrachtet bei den meisten Firmen separat entstanden. Der Omnichannel-Handel, für viele die Zukunft des Handels, sieht allerdings eine intelligente Verzahnung beider Kanäle vor, um die Stärken und Schwächen beider Handelsformen optimal zugunsten der Kunden und des Handels zu nutzen. Im Omnichannel-Bereich steht im Prinzip die Optimierung der einzelnen Verkaufskanäle in Bezug zueinander im Vordergrund, also die Optimierung des gesamten Verkaufsnetzwerks. In der Praxis des Fulfillments – damit ist der gesamte Prozess der Kundenauftragsabwicklung gemeint – bedeutet dies, dass eben nicht jede Bestellung strikt vom Zentrallager aus bedient wird, sondern von zum Beispiel einer Filiale aus, die standortbezogen und daher wirtschaftlich betrachtet für die Erfüllung der Bestellung am effizientesten ist. Typische Herausforderungen hinsichtlich der Versandprozesse ergeben sich wie bei anderen Geschäftsprozessen auch hier, wobei die richtige Integration, ein effizienter Prozessfluss und die sinnvolle Wahl der Versanddienstleister die entscheidenden Beiträge zum Erfolg leisten.

Die Herausforderung ist vor allem, dass in den Filialen durch Omnichannel ganz neue Aufgabengebiete geschaffen werden. »Bisher wurde in den Geschäften vor Ort hauptsächlich beraten und verkauft. Die Kommissionierung der Waren für den Versand gehörte bisher nicht zu den Aufgaben der Mitarbeiter. Diese neuen personellen und organisatorischen Anforderungen müssen auf eine Art und Weise an die Mitarbeiter herangetragen werden, die keine Unstimmigkeiten entstehen lässt. Das Team vor Ort von Beginn an mit an Bord zu holen und in die Neuerungen zu involvieren, ist dabei unabdingbar«, erklärt Dr. Jürgen Brock, Geschäftsführer von fulfillmenttools, einem Kölner Softwarelieferanten, der sich auf die Abwicklung von Omnichannel-Fulfillment im Handel und E-Commerce spezialisiert hat. Das On- und Offline-Geschäft kann nur auf diesem Weg und mit allen Beteiligten zusammen erfolgreich intelligent verzahnt werden.

Kommunikation zu Endkunden

Eine Kommunikation mit den Endkunden über die verschiedenen Kanäle hinweg muss hierbei im Idealfall durchweg gegeben sein, sodass sie kontinuierlich erfolgen kann. Somit lassen sich auch Medienbrüche verhindern oder dass dem Kunden aktuelle Informationen zum Stand seiner Bestellung fehlen. »Oft sind die Prozesse zwar gegeben, aber man wird als Kunde nicht hinreichend informiert«, erläutert Brock. »Dies konnten wir zum Beispiel im Rahmen einer von uns durchgeführten Mystery-Shopping Studie im deutschen Textihandel feststellen. Es fehlt mancherorts die notwendige Transparenz und die durchdachte Kommunikation zu den Kunden.« Eine Definition der Prozesse ist hierfür notwendig, beispielsweise wie viele Touch-Points einzurichten sind, wie viele Informationsschritte für den Kunden bis Erhalt der Ware notwendig erscheinen etc. Auch die Frage, wie man diese Informationen an die Kunden kommuniziert, ist zu beantworten. Mögliche Kommunikationswege sind zum Beispiel E-Mail, Messenger-Dienste und Push-Benachrichtigungen via App. Auch die Akzeptanz der Kunden hinsichtlich der gewählten Kommunikationswege ist zu prüfen, da diese je nach Branche und angebotenen Warengruppen unterschiedlich ausfallen kann. Diese Gegebenheiten gilt es, in die Prozessgestaltung miteinfließen zu lassen. »Wichtig ist, dass die Botschaften an die Kunden stets »One-Voice-Nachrichten« sind, also dass sie uneingeschränkt stimmig über die diversen Kanäle hinweg gültig sind. Unstimmige Botschaften gilt es zur Wahrung einer positiven Customer Experience unbedingt zu vermeiden«, erläutert Brock.

Rolle der Versanddienstleister

Bei Konzepten wie Ship-to-Store oder Ship-from-Store, also einer Vorgehensweise, bei der nicht vom Zentrallager, sondern vom Geschäft in der Nähe die entsprechende Ware ausgeliefert wird, greifen verschiedene Aspekte. »Gerade im hochpreisigen Segment, in dem eine Uhr beispielsweise bis zu mehrere tausend Euro kostet, möchte der Händler die Ware nicht unbedingt per gewöhnlichem Paket versenden. Dafür sind dort die Verlustrisiken zu hoch, was eine umsichtigere und diskretere Zustellungsart erfordert. Hierfür gibt es Händler, die über eigene Fahrzeugflotten verfügen. Diese müssen sich – wie bei unserer Lösung – ebenso integrieren lassen wie Standardversanddienstleister«, erklärt Brock.

Bei der Integration der Schnittstellen externer Versanddienstleister kann zudem eine Automatisierung der Auswahl des Versanddienstleisters eingerichtet werden; diese orientiert sich an Gewicht, Lieferzeit sowie weiteren Parametern der Versandstücke um somit eine Zeit-/Preisoptimierung des Versands zu erreichen. »Bei dem Modell des Quick-Commerce stellt sich hingegen eine andere Herausforderung. Hier werden die Waren beispielsweise per Fahrradbote zugestellt. Derartige Dienstleister haben oft keine automatisierten Schnittstellen«, merkt Brock an. »Aber auch bei diesem Modell müssen Systemdienstleister die Integration ohne vorhandene Schnittstellen gewährleisten. Es wird dann in diesen Fällen eben manuell durchgeführt, nicht über eine automatisierte Schnittstelle, auch API genannt.«

Ein weiterer Aspekt, der in bestimmten Branchen zunehmend wichtig wird, betrifft Versandprozesse nicht homogener Waren. »Wenn man beispielsweise einen Baumarkt betrachtet, der extrem unterschiedliche Waren anbietet, von der kleinen Schraube bis zur meterlangen Leiter, oder einen Händler, der Gefahrengut im Sortiment hat, ist eine bestimmte Vorgehensweise mitunter wie ein spezifisches Regelwerk zu beachten. Diese Problemstellung benötigt zum einen eine Optimierung des Verpackungsvolumens und zum anderen eine optimale Abstimmung bzw. Wahl des Versanddienstleisters«, so Brock.

 

Quelle: fulfillmenttools DOMS

 

Übergang von Picking zum Versandprozess

Die einfachste Variante ist hier wohl das sogenannte Single-Order-Picking, d. h. ein Mitarbeiter bearbeitet eine Bestellung durchgehend und bereitet sie zur Abholung durch den Kunden oder Weitergabe an den Versanddienstleister vor. »Allerdings gibt es auch andere Picking-Strategien« fügt Brock an. »Das wären beispielsweise Multi-Order-Picking oder Zonen-Picking, bei denen die Laufweg-Reihenfolge eine beachtenswerte Rolle spielt. Zudem macht es einen Unterschied, ob mehrere Bestellungen gleichzeitig bearbeitet werden oder nur eine«, so Brock im Weiteren. Bei sehr homogenen Warengruppen gibt es zusätzlich die Erweiterung im Bearbeitungsprozess, dass spezielle Mitarbeiter mit Expertenwissen für bestimmte Warengruppen eingesetzt werden. »Hier ist es wichtig, dass die Mitarbeiter den Gesamtprozess kennen. Eine richtige Koordinierung ist ebenso erforderlich wie die ganzheitliche Betrachtung des Gesamtprozesses«, merkt Brock an.

Integration von Übergabe- und Versandprozessen

Durch eine In-Store-Fulfillment-App kann die Integration »End-to-End« bereitgestellt werden. »Beispielsweise wird über den Online-Shop bestellt und diese Kundenbestellung wird dann weitergeleitet. Bekannt sind gewisse Parameter: ‚Wer hat bestellt, was wurde bestellt, wann wurde bestellt‘. Entsprechend der Logik des Systems, kann nun die passendste Filiale zur Bereitstellung der Ware automatisch bestimmt werden«, sagt Brock. »In der entsprechenden Filiale wird der Mitarbeiter per App über die Bestellung informiert. Nun wird die weitere Vorgehensweise zur Bearbeitung vom System bereitgestellt. Zudem werden alle Schritte dokumentiert, um den Kunden den jeweils aktuellen Status ihrer Bestellung jederzeit mitteilen zu können.« Danach werden die optimale Verpackung sowie der entsprechende Versanddienstleister gewählt. In diesem Zuge kann auch das benötigte Label generiert werden, was beispielsweise auch ein vorgefertigtes Retouren-Label zur Sendungsbeilegung umfassen kann. Je nach Versanddienstleister gibt es auch für den Endkunden den Service des Track and Trace – sprich, eine Tracking- oder Sendungsnummer ermöglicht eine Sendungsverfolgung.

Benefits der Verschlankung

Der gesamte Prozess ist durchweg digitalisiert. Tasks wie Scannen der QR-Codes und Ablesen der Barcodes reduzieren als vollständig digitale Anwendungen mögliche Fehlerquellen. Trotzdem besteht noch immer die Möglichkeit, in die Prozesse manuell eingreifen zu können, falls die digitalen Möglichkeiten durch besondere Umstände einmal an ihre Grenzen stoßen. »Das ist nach wie vor ein sehr wichtiges Merkmal bei der Nutzung von intelligenten Anwendungen. Der Mensch sollte immer über das System hinweg entscheiden und eingreifen können, sollte es einmal nicht funktionieren oder nicht funktionieren können, beispielsweise wenn ein Artikel keinen Barcode mehr hat oder dieser beschädigt wurde«, merkt Brock an. Jeder Mitarbeiter, vor Ort, in der Zentrale oder beim Kundenservice, sollte zu jeder Zeit wissen, welchen Schritt die zu verpackende und zu verschickende Ware gerade im Augenblick durchläuft. Zudem werden alle Schritte dokumentiert, um den Kunden den Status der Bestellung jederzeit mitteilen zu können. Jede Order erhält dafür die erforderliche Tracking-ID, anhand der nach der Bestellung gesucht werden kann.

 

Quelle: DOMS fulfillmenttools

 

Nahtlose Anbindung von Shipping Modul und Retourenmanagement

Die geografischen Standorte, an welchen die Ware gelagert wird, sind dem System bekannt. »Pro Filiale kann man einen oder mehrere der Last-Mile-Partner anbinden. Das bedeutet, dass alle möglichen Kombinationen – kollektiv über alle Filialen hinweg oder individuell pro Filiale – abgedeckt werden können«, erklärt Brock. Klassisch kann man hier unterscheiden zwischen den bekannten, traditionellen Versanddienstleistern wie beispielsweise DPD und den neueren »Same-Day-Delivery«-Dienstleistern, die zum Beispiel Fahrradkuriere einsetzen. Die Dienstleister werden je nach vorhandener Schnittstelle ans System angebunden.

Standardmäßig integriert in die In-Store-Fulfillment-App ist im Falle von fulfillmenttools auch das In-Store-Returns Modul. Das Modul ermöglicht, dass der Kunde die bestellte Ware an einem beliebigen Standort zurückgeben kann. Auch Informationen zum Zustand der Ware können vergeben werden, bis die zu retournierende Ware an das Retourenmanagement des Händlers übergeben wird. Dieser entscheidet, was mit der retournierten Ware geschieht.

Durch Anwendung des geeigneten digitalen Systems können Händler ihr On- und Offline-Geschäft immer besser verzahnen. Die Integration externer Partner gelingt durch die vorhandenen Schnittstellen reibungslos, wobei aber auch jederzeit die Möglichkeit besteht, manuell ins Geschehen einzugreifen, sollte dies im Geschäftsalltag zuweilen erforderlich werden.

Silke Beermann, IT-Journalistin für Wordfinder

Home