Private 5G-Campusnetze für Unternehmen – Wireless First

Laut IDC zeigen zwei Drittel der deutschen Unternehmen starke Ambitionen, ihre Netzwerke kabelloser zu gestalten. Das ist ein Ergebnis der von Controlware gesponserten Studie »Enterprise Netzwerke 2022, Connectivity-driven Business in Deutschland«, die im August 2022 veröffentlicht wurde. Gleichzeitig wird 5G als der Top-Investitionsbereich für die nächsten 12 Monate identifiziert, wobei Use Cases mit hohen Mobilitätsanforderungen und die Flexibilität kabelloser Vernetzung eine zügige 5G-Adoption treiben.

Obwohl WiFi-6 (insbesondere WiFi-6E) und 5G technologisch starke Ähnlichkeit aufweisen und sowohl aus technischer und wirtschaftlicher Sicht von den Unternehmen auch als gleichermaßen geeignet für einen kabellosen Netzwerkzugang angesehen werden, tendieren interessanterweise 41 % der Unternehmen klar in Richtung von 5G.

Ein recht großer Anteil (40 %) der Befragten entscheidet sich für die Kombination von WiFi-6 und 5G, also eine hybride Herangehensweise, jedoch in unterschiedlichen Ausprägungen. Beispielsweise wird WLAN aus Kostengründen als Offloading für 5G verwendet oder ein 5G-Unternehmens-zugang wird über WiFi-6 an die Nutzer distribuiert (Fixed Wireless Access). Ein reines WiFi-6-Szenario bevorzugen lediglich 14 % der Befragten. Insbesondere bei Fragen zur Sicherheit, Reife und Verlässlichkeit sowie in Bezug auf die Erhöhung von Flexibilität und Agilität des Netzwerks zeigen sich hier auffällig viele Anwender skeptisch.

 

Abbildung 1: Top 5 Investitionsbereiche in den nächsten 12 Monaten.

 

Bereits an dieser Stelle lässt sich ablesen, dass es nicht »die eine« Wireless-Access-Lösung gibt, die auf alle Anwendungsszenarien passt. Die Wahl der Technologie und deren jeweiliger Ausprägung hängt sehr stark davon ab, welchen Use Case das Unternehmen verfolgt und sehr wahrscheinlich wird es in vielen Unternehmen zukünftig eine Koexistenz verschiedener Umsetzungen geben – beispielsweise im Office-Bereich WiFi-6 und in der Produktion 5G.

Private 5G-Campusnetze werden zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Bei genauerer Betrachtung des klaren Votings zu Gunsten von 5G muss eine wichtige Unterscheidung getroffen werden: 58 % der Unternehmen, die eindeutig zu 5G tendieren, wollen eine private 5G-Campusinfrastruktur aufbauen. Der Rest möchte öffentliche 5G-Netzwerke eines Providers nutzen. Private 5G-Campusnetzwerke werden also zukünftig in den Infrastrukturen bei mehr als einem Viertel aller Unternehmen eine wichtige Rolle spielen.

Für diejenigen, die sich noch nicht sicher sind, welche Variante für sie interessant sein könnte – hier eine kleine Orientierungshilfe: Private-5G-Infrastrukturen zeichnen sich dadurch aus, dass dem Betreiber auf einem definierten Areal eine feste Frequenz zur exklusiven Nutzung zugewiesen wird. Die Endgeräte benötigen eine dedizierte SIM-Karte (oder eSIM), die diesem Netz zugewiesen ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nicht jedes 5G-fähige Endgerät sich mit dieser Infrastruktur verbinden kann.

 

Abbildung 2: Prinzipschaubild eines privaten 5G Campusnetzwerks.

 

Beim Vergleich von Private und Public 5G als primäre zukünftige Wireless-Strategie ist ein weiteres interessantes Detail erkennbar. Private 5G wird primär (über 70 %) von IT-Führungskräften favorisiert, während die operativen Fachkräfte geteilter Meinung sind (50:50). Es ist unklar, welches Kriterium später ausschlaggebend für eine Entscheidung sein wird – beispielsweise »eigenes Netzwerk unter eigener Kontrolle«, »technische Notwendigkeit« oder »Verfügbarkeit von Skills und Ressourcen«.

Use Cases für Private 5G im Bereich IoT/IIoT und Logistik. Eine eindeutige Aussage, wann welche Technologie sinnvoll einsetzbar ist, kann nur anhand der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten und der jeweiligen Unternehmenssituation getroffen werden. Auf jeden Fall ist aber klar, dass 5G immer dann interessant wird, wenn Endpunkte im Freien oder besonders exponiert platziert werden müssen oder wenn diese beweglich sind. Besonders, wenn die Endpunkte regelmäßig Funkzellen wechseln, spielt 5G seine Roaming-Fähigkeiten aus: Während im WLAN der Client entscheidet, mit welchem Access Point er sich verbindet, bestimmt im Mobilfunk »das Netzwerk« darüber. Im Ergebnis führt dies in 5G-Netzen zu einer vorhersagbareren Verbindungsqualität.

Private-5G-Netzwerke haben durch das explizit zugewiesene Frequenzband gegenüber WiFi den Vorteil einer deutlich geringeren Störanfälligkeit durch Fremdstrahlung. Dadurch ist der Einsatz besonders empfehlenswert, wenn eine stabile Verbindung erforderlich ist, beispielsweise im Industrieumfeld (IoT, IIoT). Damit sind grundsätzlich Produktion und Logistik prädestiniert für den Einsatz von Private 5G. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig: Smart Buildings, Anbindung von Sensorik in weitläufigen Industrieanlagen, Robotiksteuerung, autonome Flurförderfahrzeuge (Autonomous Mobile Robots), Warenflusssteuerung und Monitoring von Fertigungsprozessen (Verfolgung, Sortierung und Überwachung von Rohstoffen/Fördermitteln/Halbzeugen/Waren), Predictive Maintenance und Augmented Reality für Wartung und Reparatur usw.

5G-Applikations-Profile. Abhängig vom Anwendungsbereich ist es möglich, ein 5G-Netz hinsichtlich verschiedener Eigenschaften zu optimieren, die sich jedoch alle gegenseitig beeinflussen. Möchte man mehr von dem einen, bekommt man automatisch weniger von dem anderen. Die Kunst besteht darin, das Profil optimal der eingesetzten Applikation anzupassen:

  • eMBB (Enhanced Mobile Broadband Communication)
    Diese Profil ist auf extrem hohe Datenraten von bis zu 10 Gbps im Uplink und 20 Gbps im Downlink ausgelegt und unterstützt Dienste mit hohen Bandbreitenanforderungen.
  • uRLLC (Ultra-Reliable Low Latency Communication)
    Für zeitkritische Anwendungen mit Anforderungen an eine Übertragungssicherheit von 99,999 % und Antwortzeiten von weniger als 1 ms eignet sich das ultrazuverlässige und latenzarme Kommunikationsprofil.
  • mMTC (Massive Machine Type Communication)
    Wird eine hohe Energieeffizienz benötigt, unterstützt dieses Profil die Kommunikation mit einer sehr hohen Anzahl von Endpunkten in einer Funkzelle beziehungsweise pro Flächeneinheit.

Die Vorgehensweise bei der Einführung von Private 5G. Wie bereits Anfangs erwähnt, besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen WLAN und 5G, allerdings gibt es doch fundamentale Unterschiede im Aufbau, Design und Betrieb solcher Infrastrukturen. Tragen Unternehmen sich mit dem Gedanken, eine private 5G-Infrastruktur einzuführen, sollte von Anfang an, ein kompetenter Technologiepartner gewählt werden, der die Einführung begleiten und mit Rat und Tat zur Seite stehen kann. Die stark verkürzte Beschreibung in der Bildunterschrift von Abbildung 3 gibt einen Eindruck einer möglichen Vorgehensweise.

 

Abbildung 3: Für die Einführung einer private 5G-Infrastruktur bietet sich folgende mögliche Vorgehensweise an: An erster Stelle bei der Einführung steht die Beschreibung des Use Case. Danach erfolgt die Klärung, welche Technologie am geeignetsten erscheint, die Anforderungen des Use Case abzubilden. Gegebenenfalls ist es hilfreich, sich die technische Umsetzung in einem Demo Case oder PoC anschaulich vorführen zu lassen. Fällt die Wahl auf ein privates 5G-Campusnetzwerk, ist es wichtig, passende Hersteller für das Radio Access Network (RAN) und den 5G-Core zu finden. Auf dieser Basis kann eine Funkfeldplanung erfolgen, die wiederum Voraussetzung für den Antrag auf Frequenzzuteilung bei der Bundesnetzagentur ist. Bei Zustimmung erfolgt dann die Bestellung der Komponenten und nachfolgend der Aufbau beziehungsweise die Integration der Netzinfrastruktur (inkl. Endgeräte- und SIM-Karten-Rollout). Die Inbetriebnahme der Applikation führt anschließend zu einem erfolgreichen Projektabschluss.

 

Fachkundige Beratung erfordert Kompetenz und Erfahrung. Gleichzeitig ist beim Einsatz einer neuen Technologie Vertrauen in die Funktionsweise erforderlich. Aus diesem Grund baut Controlware auf seinem Campus in Dietzenbach eine private 5G-Infrastruktur auf, die zum Lernen, für Demonstrationen und Testzwecke genutzt werden wird. Interessenten mit potenziellen Anwendungsfällen sind bereits jetzt herzlich eingeladen, diese hier testen zu lassen, bevor sie sich für eine eigene Investition entscheiden.

 


Rolf Bachmann,
Head of Network Solutions,
Controlware GmbH
www.controlware.de
blog.controlware.de

 

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