Projektbegleitendes Anforderungsmanagement – Nichts ist so alt, wie die Anforderung von gestern

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Die Arbeit in der IT ist schnelllebig. Das hat zum einen etwas mit der rasanten technologischen Entwicklung zu tun. Zum anderen liegt das an den wachsenden Anforderungen und ungenügend definierten Prozessen. Diesen Anforderungen zu begegnen, ist vor allem die Aufgabe des Projektmanagements. Dazu zählt auch ein konsequentes Anforderungsmanagement: Zwar verkompliziert es die Sache zunächst, erweist sich aber im Laufe eines Projekts als wertvolles Werkzeug.

Unter dem Begriff Projektmanagement sammeln sich Vorgehensweisen und Werkzeuge zur Umsetzung, Koordinierung und Steuerung eines Projekts. Je nach Projektphase muss mehr oder weniger steuernd eingegriffen werden. Ein IT-Projekt hat verschiedene Phasen: Projektstart, Implementierung, Test und Einführung. Was sich schwer in die Phasen einordnen lässt, ist das Anforderungsmanagement. Es setzt übergreifend an, wird aber von den unterschiedlichen Projektbeteiligten anders interpretiert. Für die einen Entscheider fängt ein Projekt erst an, wenn die Anforderungen bereits analysiert, definiert und dokumentiert sind, also das Lastenheft geschrieben wurde. Für die anderen ist die Anforderungsanalyse bereits Bestandteil eines Projekts. Aus der Sicht eines Anforderungsmanagers ist es grundsätzlich immer sinnvoll, genügend Zeit für ein optimales Anforderungsmanagement einzuplanen.

Für CIOs ist es wichtig, ihre Entscheidungen auf der Basis von validen Zahlen und Fakten zu treffen. Das ist natürlich einfacher, wenn man die Anforderungen als eigenständiges Projekt betrachtet und sie in einem vorgegebenen Rahmen analysiert, definiert und dokumentiert. Denn auch das Anforderungsmanagement ist laufend Veränderungen unterworfen: Ein Unternehmen steht nie still, das heißt, es wird gearbeitet, bestehende Arbeitsprozesse werden gelebt, aber auch immer wieder verändert und angepasst, das hat natürlich Einfluss auf die bestehende IT-Landschaft. Das zeigt, dass das Anforderungsmanagement ein durchgängiger Prozess während des kompletten Projektlebenszyklus ist. Leider wird das nicht immer so gesehen und häufig daran gespart.

Wo sind die Ansprechpartner? Manchmal liegen sorgfältig erstellte Lastenhefte monatelang in der Schublade. Kommen sie dann zum Einsatz haben sich oft einige Umgebungsvariablen verändert. Typischerweise sind die eingeplanten Ansprechpartner inzwischen in andere Projekte eingebunden. Dieses Risiko lässt sich entschärfen, wenn das initiale Anforderungsmanagement Bestandteil des Projekts ist und auch bis zum Projektende bleibt. Denn meist kann nur ein verantwortlicher Anforderungsmanager in späteren Projektphasen noch technische Fragen beantworten. Im Normalfall ist der Anforderungsmanager eines Projekts zudem sehr gut zu den jeweiligen Stakeholdern vernetzt und kennt dann die entsprechenden Nachfolger.

Wie wichtig die Zusammenarbeit des Teams für den Projekterfolg ist, lässt sich an einem einfachen Beispiel erläutern. Angenommen ein ambitionierter Segler plant eine Segelfahrt mit sechs Freunden. Auf einem Segelschiff kann es eng werden – es ist besser, die Crew kennt sich und bringt eine gewisse Toleranzgrenze mit. Während die Reisevorbereitungen laufen, sagen nach und nach mehrere Teilnehmer ab. Zwar schlagen sie alle je einen Ersatzmann vor, doch der Reiseleiter kennt diese kaum oder gar nicht. Nun kann die Reise zwar trotzdem noch ein voller Erfolg werden, sicher ist dies aber keineswegs – zu viele Unsicherheiten haben sich eingeschlichen. Das Bild der zusammengewürfelten Seglertruppe lässt sich auf den Projektalltag übertragen: Das Risiko, dass das Projektteam nicht optimal zusammenarbeitet, ist geringer, wenn das Team sich kennt, nicht ständig wechselt und bereits die Anforderungsphase gemeinsam erfolgreich durchlaufen hat.

Der Einfluss auf die Qualität. Die Art und Weise, wie Anforderungsmanagement gelebt wird, wirkt sich entscheidend auf die Qualität der Projektergebnisse aus. Zu Beginn eines IT-Projekts ist bereits klar, dass die Software und somit die gestellten Anforderungen an die Software getestet werden müssen, das heißt, es existiert eine klare bekannte Größe, die das Projekt und dessen Projektverlauf beeinflussen. Im Rahmen der Projektarbeit kann das über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Daher ist es umso wichtiger, bereits während der Anforderungsanalyse und -dokumentation das Testvorgehen und den Testumfang zu betrachten und in die Planung einzubeziehen.

Kurzfristige und spontane Anforderungsanpassungen in der Test- und Entwicklungsphase. Selbst mit einem erfahrenen Anforderungsmanager im Projektteam wird das Projekt wahrscheinlich nicht reibungslos verlaufen. Es gibt immer fachliche, technische oder unternehmenspolitische Herausforderungen, die unvorhersehbar sind. Wie lassen sich diese abfedern?

Eines dieser Projekthindernisse ist, dass Anforderungen während der Implementierungs- und Testphase kurzfristig geändert und angepasst werden. Das führt nicht nur zu Änderungen bei der Softwareentwicklung, sondern auch zu stetigen Anpassungen der Testszenarien. Dies ist im Übrigen häufig ein Grund dafür, warum die geplanten Projektbudgets oft überschritten werden.

Wie kann das sein, wenn es doch ein Lastenheft gibt, das zu einem definierten Termin (Freeze), nicht mehr geändert wird und auch weitere Anforderungen nicht mehr aufgenommen werden dürfen? Solche festen Lehrbuchregeln sind durchaus sinnvoll und sollten, wenn möglich, eingehalten werden. Wenn es dennoch notwendig wird, eine Anforderung zu so einem späten Zeitpunkt zu ändern, sollte das zuvor im Rahmen des Testkonzepts betrachtet und dokumentiert werden. Im Detail bedeutet das, dass der Projektleiter zusammen mit dem Anforderungsmanager und dem Testmanager die Auswirkungen der neuen Anforderung oder Änderung betrachtet und prüft. Auf dieser Analyse basierend, kann eine strukturierte Vorgehensweise, inklusive der Pros und Contras, erarbeitet werden. Das Ergebnis wird idealerweise mit dem Kunden oder oberen Management abgestimmt. Zeit- und Kostendruck machen es oft schwierig, hier strukturiert zu handeln. Jedoch sollte dieser Druck bei der Analyse zweitrangig sein, denn die Auswirkungen auf das Projekt können schwer wiegen: von höheren Projektaufwänden, über mangelnde Qualität, bis hin zu Mitarbeitern, die das Projekt verlassen.

Wo ist das Testkonzept? Vor allem in der Testphase müssen nochmals einige Anforderungen nachdefiniert oder korrigiert werden. In der Praxis gibt es jedoch viel zu oft Projekte, für die kein oder ein nur unzureichendes mit der Projektleitung abgestimmtes einheitliches Testkonzept angefertigt wurde. In einem Testkonzept sollten neben der Beschreibung des Testvorgehens auch der Prozess für Änderungen oder Anpassungen von Anforderungen in den bestimmten Projektphasen beschrieben werden. Liegt ein solches Konzept nicht in entsprechender Qualität vor, kann dem Anforderungsmanager gar nicht hundertprozentig bekannt sein, wie die dokumentierten Anforderungen getestet werden. Er kann somit das Testteam gar nicht vorausschauend einbeziehen. Umgekehrt ist natürlich noch hinzuzufügen: Sollte ein Testkonzept in angemessener Qualität existieren, so muss der Anforderungsmanager dieses kennen und im Rahmen seiner Aufgaben berücksichtigen.

Lieber zu früh als zu spät! Diese Überlegungen haben Einfluss auf die Zusammenstellung des Projektteams. Der Anforderungsmanager muss sowohl mit dem Abteilungsleiter eines Fachbereichs als auch mit den Endanwendern reden, um die genauen Benutzeranforderungen zu ermitteln und zu dokumentieren. Genauso sollte das Testteam frühzeitig bei der Anforderungsaufnahme mit eingebunden werden, insbesondere, um die relevanten Testanforderungen für das Projekt abzustimmen:

  • Entsprechen die dokumentierten Anforderungen den Qualitätsansprüchen des Testteams?
  • Wie soll getestet werden?
  • Welche Auswirkungen haben Änderungen der Anforderungen auf den Testprozess?
  • Ab wann werden keine Änderungen für Anforderungen zugelassen?

Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen Anforderungsmanagement und Qualitätsmanagement zu optimieren. Die Projektmitarbeiter können ihre Kompetenzen und Fähigkeiten nur so gut einsetzen, wie es ihnen die Projektbedingungen ermöglichen. Entscheider sollten sich bewusst sein, dass der Erfolg eines Projekts maßgeblich von den Entscheidungen des Projektmanagements abhängig ist.


autorin_jana_hasselbachJana Hasselbach,
Senior Consultant bei
Acando GmbH

 

 

Titelbild: © Irbena/shutterstock.com 

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