Urheberrecht ist zu komplex für deutsche Unternehmen

  • Paragraphen-Wirrwarr: 56 % der deutschen Unternehmensentscheider haben nicht ausreichende Urheberrechtkenntnisse.
  • Urheberrecht muss modernisiert und vereinfacht werden.
  • Urheberrechtsverletzungen: Jedes fünfte Unternehmen in Deutschland hatte schon mit rechtlichen Konsequenzen zu kämpfen.

 

Das Urheberrecht tangiert Unternehmen auf verschiedenen Ebenen, sei es im betriebsinternen Austausch von Inhalten und Bildern zwischen Mitarbeitern oder aber im Umgang mit urheberrechtlich geschützten Material, das in die Öffentlichkeit getragen werden sollen. Für viele Mitarbeiter und selbst die Unternehmensentscheider sind die Regelungen des Urheberrechts allerdings viel zu komplex und undurchsichtig. 56 % der deutschen Unternehmensentscheider kennen die Regelungen zum Urheberrecht nicht genau, so das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag von eco im März durchgeführt hat.

Dabei basiert fast alles, was wir im Internet tun, auf digitalen Kopien, egal ob E-Mails, Hyperlinks, der Download von Dateien oder das Streamen von Musik und Filmen. »Die digitale Vervielfältigung ist neben der Idee der ständigen Kollaboration sowie der Kultur des Teilens ein, um nicht zu sagen das integrale Grundprinzip des Internet. Sie ist zudem Voraussetzung einer funktionierenden Informationsgesellschaft und darf nicht durch Regulierung ausgebremst werden, oder gar an ihr scheitern«, so Oliver Süme, eco Vorstand Politik & Recht.

eco: Urheberrecht muss modernisiert und vereinfacht werden

Die Internetwirtschaft fordert die Politik auf, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene dringend Lösungen für ein modernes, handhabbares Urheberrecht vorzulegen, das den digitalen Bedingungen gerecht wird. Bei der notwendigen Anpassung des Urheberrechts an die Bedürfnisse der Informationsgesellschaft ist sicherzustellen, dass eine Reform des Urheberrechts nicht mit einer weiteren Verschärfung bei der Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum einhergeht. Vielmehr sollten die Chancen und Potenziale des Internet und der Digitalisierung in den Vordergrund gestellt und genutzt werden: »Sowohl die Urheber und die Kreativwirtschaft, als auch die Internetbranche und letztlich die Nutzerinnen und Nutzer haben ein gemeinsames Interesse an der Verfügbarkeit und der Bereitstellung attraktiver, qualitativ hochwertiger digitaler Inhalte. Daher ist es so wichtig, dass auch alle die Regeln zum Urheberrecht verstehen und anwenden können«, sagt eco-Vorstand Oliver Süme.

Urheberrechtsverletzungen: Jedes fünfte Unternehmen in Deutschland hatte mindestens schon einmal mit rechtlichen Konsequenzen zu kämpfen

Die laufenden Änderungen in der Rechtsprechung und Gesetzesreformen, die bei Verstößen für Unternehmen zu hohen Kosten und Gerichtsverfahren führen können, tun ihr Übriges dazu, die Unternehmen branchenübergreifend im Umgang mit urheberrechtlich geschützten Material zu verwirren oder gar zu hemmen. Laut eco-Umfrage hatte sogar jedes fünfte deutsche Unternehmen (20 %) mindestens schon einmal mit rechtlichen Konsequenzen, aufgrund von Urheberechtsverletzungen, zu kämpfen.

 

[1] Quelle: Die verwendeten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH, an der 517 Personen zwischen dem 22.03.2017 und 27.03.2017 teilnahmen. Die Ergebnisse wurden nach Beschäftigtenanteil pro Unternehmensgröße gewichtet und sind repräsentativ für deutsche Unternehmensentscheider nach Beschäftigtenanteil pro Unternehmensgröße.

 


Streit um Bildrechte, Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen beim Filesharing oder Content-Klau auf Webseiten – es gibt große Unsicherheiten bei Themen wie dem Schutz von Bildern, Texten und Webseiten, Lizenzbedingungen und Verträgen oder Abmahnungen. Denn als das Urheberrecht geschaffen wurde, lag die Digitalisierung noch in ferner Zukunft. Die Urheberrechtsordnung in Deutschland und Europa bedarf daher einer umfassenden Reform. Diese muss neuartige, internetbasierte Nutzungsformen ermöglichen beziehungsweise vereinfachen, den rechtlichen Rahmen neugestalten und die Regelungen zukunftstauglich zu machen. Denn praktisch jeder Bürger ist heute beinahe täglich gefordert, sich mit dem Urheberrecht auseinanderzusetzen, dennoch viele Bürger sind unsicher im Umgang. Deshalb muss das Urheberrecht so ausgestaltet werden, dass es für jedermann verständlich und anwendbar ist.

 

Doch der im September 2016 von der Europäischen Kommission veröffentlichte Entwurf zur Urheberrechts-Richtlinie erfüllt diesen Zweck nicht. Insbesondere die geplante Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechts, geht aus Sicht der Internetwirtschaft in die falsche Richtung. Dies belegt unter anderem auch das von eco in Auftrag gegebene juristische Gutachten »Ein EU-Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Eine juristische Analyse« von Prof. Dr. Alexander Peukert.

 

Das Gutachten zeigt deutliche Defizite auf: Mit ihrem Vorschlag für ein europäisches Leistungsschutzrecht überschreitet die Europäische Kommission sowohl selbstdefinierte Grenzen als auch ihre Binnenmarktkompetenz. Außerdem ist das vorgeschlagene Leistungsschutzrecht weder mit der E-Commerce-Richtlinie noch mit europäischen Grundrechten vereinbar.

 

Mit dem europäischen Leistungsschutzrechts will die Kommission Verlagen 20 Jahre lang das exklusive Nutzungsrecht an Online-Nachrichten einräumen. Eine ähnliche Regelung gibt es in Deutschland bereits – wenn auch nicht mit einer derartig langen Nutzungssperre. Die neuen Vorgaben sollen dabei nicht nur die Betreiber von Suchmaschinen treffen, sondern alle Unternehmen, die Nachrichten im Internet verbreiten. Allerdings hat sich das Leistungsschutzrecht schon in Deutschland und Spanien nicht bewährt und würde sich auch auf europäischer Ebene langfristig als Hemmschuh für die gesamte Informationsgesellschaft und Digitalisierung entpuppen.

 

Urheberrechtsverletzungen auf illegalen Plattformen müssen weiterhin konsequent bekämpft werden, dafür stehen aber andere Instrumente als Leistungsschutzrechte zur Verfügung. Der Gesetzgeber sollte vielmehr Anspruchsgrundlagen prüfen, die sich unmittelbar gegen Geschäftsmodelle richteten, die ausschließlich darauf beruhen, dass Nutzer dort Rechtsverletzungen begehen und so die Existenzbedingungen für qualitativ hochwertigen Journalismus im Digitalzeitalter verbessern.

 

 


 

5 Fragen

Oliver Süme, Rechtsanwalt und eco Vorstand Politik & Recht beantwortet fünf Fragen zum digitalpolitischen Thema Urheberrecht.

1. Herr Süme, warum brauchen wir ein neues Urheberrecht?

Dass das Urheberrecht angesichts der galoppierenden technischen Entwicklungen in die Jahre gekommen und nicht mehr zeitgemäß ist, steht außer Frage. Eine Reform böte insofern eine große Chance, den rechtlichen Rahmen wieder auf neue Beine zu stellen und diesen dabei nicht nur an die gegenwärtige Realität anzupassen, sondern vielmehr zukunftsgerecht zu gestalten. Für Anbieter moderner Online-Dienstleistungen gilt es sicherzustellen, dass klare Rahmenbedingungen existieren, die Kreativschaffende wie Künstler und Journalisten für ihre Leistungen entsprechend entlohnen, aber gleichzeitig etablierten Unternehmen und Start-ups rechtliche Sicherheit geben, ohne die unternehmerische Freiheit unverhältnismäßig einzuschränken. Es ist erfreulich, dass sich die EU-Kommission zum Ziel gesetzt hat, das Urheberrecht zu modernisieren. Dabei gilt es jedoch, eine ausgeglichene Balance zwischen den Anforderungen der Rechteinhaber und –Verwerter sowie der Unternehmen und ihrer Nutzer zu finden.

2. Klingt ganz danach, als würden Sie beim EU-Entwurf gerne noch an einigen Stellrädchen drehen wollen. Was bemängeln Sie am Gesetzentwurf?

In erster Linie bemängle ich die Intention der Vorschläge zur Urheberrechtsreform, sie vermittelt einen sehr unausgewogenen Eindruck zu Gunsten der Rechteinhaber oder vielmehr zu Gunsten der Rechteverwerter. Die Kommission will Regelungen schaffen, durch die eine Industrie, die die technologischen Entwicklungen verschlafen hat, neue Einnahmequellen erschließen kann. Das Resultat ist ein Hemmnis von Innovation und Digitalisierung.

Die Digitalisierung und das Internet haben dazu geführt, dass die Kosten insbesondere einer grenzüberschreitenden Veröffentlichung digitaler Inhalte und Verbreitung aller Arten journalistischer Inhalte stark gesunken sind. Allein aus diesem Grund ist der Fokus der Kommission auf einen Umsatzrückgang von traditionellen Presseverlagen im Zuge des Übergangs von Print- zu Digitalmärkten verfehlt.

3. Was bedeutet das ganz konkret- wo muss die EU nochmal nachbessern?

Ein Hauptkritikpunkt betrifft die geplante Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechts. Damit will die Kommission Verlagen 20 Jahre lang das exklusive Nutzungsrecht an Online-Nachrichten einräumen. Eine ähnliche Regelung gibt es in Deutschland bereits – wenn auch nicht mit einer derartig langen Nutzungssperre. Die neuen Vorgaben sollen dabei nicht nur die Betreiber von Suchmaschinen treffen, sondern alle Unternehmen, die Nachrichten im Internet verbreiten. Dabei verletzt das Leistungsschutzrecht nicht nur europäische Grundrechte, sondern es konnte sich darüber hinaus weder in Deutschland noch in Spanien bewähren – aber dies hat die Kommission anscheinend nicht zur Kenntnis genommen.
Außerdem sieht der Entwurf vor, dass Host Provider eine Software installieren müssen, die Inhalte automatisch erkennt und so illegal hochgeladene Werke ausfiltern kann. Und sie sollen rechtlich dazu verpflichtet werden, Lizensierungsvereinbarungen mit Rechteinhabern abzuschließen. Auch diese Überlegungen zum sogenannten Value Gap sind hochproblematisch. Derzeit ist zwar noch teilweise unklar wie die geplanten Regelungen zu interpretieren sind: Es steht aber fest, dass sie sich massiv auf die bestehenden Regelungen der E-Commerce-Richtlinie und das dort geregelte Haftungsgefüge auswirken werden.

4. Sie sagen, ein europäisches Leistungsschutzrecht würde europäische Grundrechte verletzen – inwiefern denn?

Alle derzeit diskutierten Versionen eines Presseleistungsschutzrechts greifen in schwerwiegender, verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Weise in die Grundrechte von Internetnutzern, Internetdienste- und Inhalteanbietern gemäß Artikel 11, 16 und 20 der Charta der Grundrechte der EU ein. Wenn ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage kein dem Gemeinwohl dienendes Ziel verfolgt, nicht erforderlich ist oder über das hinausgeht, was notwendig und angemessen ist, um Allgemeinwohlbelange zu befördern, ist eine entsprechende Richtlinienbestimmung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ungültig.

Im Gegensatz zu den in Deutschland und Spanien bestehenden Regelungen zum Schutz von Presseverlagen erstreckt sich der Kommissionsvorschlag darüber hinaus sogar auf rein private, nicht kommerzielle Vervielfältigungen und öffentliche Zugänglichmachungen. Folglich betrifft der Vorschlag die tägliche Praxis von Millionen europäischer Bürger, journalistische Inhalte im Internet zu suchen, zu empfehlen und aktiv zu teilen. Diese privaten Verhaltensweisen bildeten jedoch nicht den Anlass für den Vorschlag für ein Presseleistungsschutzrecht. Es fehlt jede Rechtfertigung für diesen schwerwiegenden Eingriff in die Meinungs- und Informationsfreiheit der europäischen Bevölkerung.

5. Warum sind Sie der Meinung, dass auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein europäisches Leistungsschutzrecht sein Ziel verfehlt?

In wirtschaftlicher Hinsicht ist dieser Ansatz insbesondere deshalb verfehlt, weil Presseverlage bereits dadurch einen fairen Anteil an der von ihnen erzeugten Wertschöpfung erhalten und einen Vorteil genießen, dass Suchmaschinen, News-Aggregatoren und soziale Medien ihnen eine sehr große Zahl von Lesern und dadurch auch Werbeeinnahmen zuleiten. Und zwar ohne dass Presseverlage hierfür ein Entgelt zahlen müssen. Den Regeln des Marktes folgend, wäre es eigentlich viel logischer, wenn die Verlage Suchmaschinen, News-Aggregatoren und Anbieter sozialer Medien eine Art Vermittlungsgebühr bezahlten, anstatt von diesen noch Geld dafür zu verlangen, dass sie das Geschäftsmodell der Verlage unterstützen.

 

infografik eco urheberrecht im digitalen zeitalter

 


 

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