Zeiterfassung und Nachhaltigkeit – IT-Werkzeuge für mehr Beweglichkeit

Mit neuen Regularien kommen in diesem Jahr viele neue Herausforderungen auf Unternehmen zu. Cloud-Plattformen und Low-Code/No-Code-Entwicklungswerkzeuge helfen dabei, zeitnah und mit vertretbarem Aufwand auf Themen wie Arbeitszeiterfassung oder Nachhaltigkeit zu reagieren.

Wie genau die Um­setzung aussehen muss, ist unklar, doch Unternehmen werden nach dem Willen des Bundesarbeitsgerichts gemäß eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs nun für die Erfassung der Arbeitszeiten sorgen müssen. Auch an anderer Stelle erhöhen sich für viele Unternehmen die Compliance-Pflichten, beispielsweise beim Lieferkettengesetz. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU sieht zudem vor, dass ab 2026 auch Mittelständler ab 250 Mitarbeitenden einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen. Hinzu kommt für produzierende Unternehmen in wenigen Jahren der geplante digitale Produktpass. Klar ist: Die Anforderungen an eine agile und bewegliche IT steigen derzeit rapide an.

Angesichts der Entwicklung hin zu flexibleren Arbeitszeitmodellen mit Vertrauensarbeitszeit und -ort, die auch von vielen Mitarbeitenden eingefordert werden, birgt die neue Vorgabe zur Zeiterfassung einige Probleme. Die Erfassung der Arbeitszeit dient dem Schutz der Mitarbeitenden, sie sollte aber nicht rückwärtsgewandt im Sinne der Stechuhr praktiziert werden, um neue Errungenschaften nicht zu gefährden. 

Arbeitszeiterfassung so einfach wie möglich. Wichtig ist vor allem, dass die Arbeitszeiterfassung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern so einfach wie möglich gemacht wird. Dabei sind jeweils individuelle Lösungen gefragt, die sich ohne viel Aufwand umsetzen und einführen lassen. Eine gute Basis dafür ist die Microsoft Power Platform, mit der sich auch ohne Programmierkenntnisse kleine Apps entwickeln lassen, die genau zu den eigenen Anforderungen passen. Je nach Setting im Unternehmen können Bereiche, die mit Office-Software arbeiten, ihre Zeiten in Microsoft Teams erfassen. Hier ist ein gewisses Maß an Automatisierung möglich, indem Zeiten aus Business-Terminen im Kalender abgeleitet werden. Für Menschen, die nicht an Büroarbeitsplätzen tätig sind, passt hingegen eine App besser, mit der komfortabel auf Knopfdruck Arbeitszeitbeginn, Pausen und Ende aktiviert werden können. Eine solche App könnte beispielsweise auch daran erinnern, eine Pause zu machen. Im Fabrikumfeld sind häufig Zutrittskontrollsysteme im Einsatz, deren Daten dann direkt in eine eigene Zeiterfassungslösung eingespeist und dort verarbeitet werden können. 

Für die Compliance wandern anschließend alle in den unterschiedlichen Bereichen erhobenen Daten in ein gemeinsames Archiv, um jederzeit schnell für Audits verfügbar zu sein. Generell müssen Datenschutz und Datensicherheit bei der Verarbeitung personenbezogener Daten im Vordergrund stehen. Auf der Power Platform ist automatisch für Security und Compliance gesorgt. Es wird sichergestellt, wie und wo archiviert wird und wer Zugriffsrechte für Veränderungen bekommt. Die Umsetzung der Zeiterfassung lässt sich so als »quick win« gestalten. 

Strategische Fehler bei der Zeiterfassung vermeiden. Zeiterfassung ist immer ein zweischneidiges Schwert, denn die damit potenziell mögliche Leistungskontrolle ist aus Sicht der Mitarbeitenden ein durchaus sensibles Thema. So könnte beispielsweise von der Lösungsarchitektur vorgegeben sein, dass Analysen auf den Daten nur anonymisiert möglich sind. Ein Prozess kann dabei anonym auf den Daten eines Mitarbeitenden arbeiten und dennoch über eine Assistenzfunktion die jeweilige Person daran erinnern, wenn Zeiten noch nicht erfasst wurden. Unternehmen und Betriebsräte müssen sich auch gut überlegen, wie sie mit einer Unterschreitung der Arbeitszeit umgehen wollen. Zur Vertrauensarbeit gehört eben auch, Aufgaben im eigenen Tempo zu erledigen, dabei müsste also nach Qualität statt zeitlicher Quantität in Form von abgesessenen Stunden geurteilt werden.

Schon jetzt gibt es etwa in der Employee-Contentment-Plattform Microsoft Viva viele Möglichkeiten zu analysieren, wie die eigene Arbeitszeit über einen bestimmten Zeitraum ausgesehen hat. Das Tool will einerseits die Effizienz unterstützen, aber auch Strategien für eine gute Life-Work-Balance. Hier können Mitarbeitende Fokuszeiten eintragen, um Dinge konsequent abzuarbeiten, aber auch Ruhezeiten festlegen. Ein gutes Zeiterfassungstool könnte diesen Ansatz weiterdenken, um Pro­bleme wie Burn-out vermeiden zu helfen – schließlich ist der Schutz der Mitarbeitenden die eigentliche Intention der EU-Vorgabe.

Nachhaltigkeitsvorgaben erhöhen den Druck. Transparenz wird vor allem auch im Bereich der Nachhaltigkeit künftig immer entscheidender. Kunden und Auftraggeber werden in den nächsten Jahren ihre Lieferanten noch stärker nach deren Zertifizierungs- und Compliance-Fähigkeit mit Blick auf Nachhaltigkeitsthemen bewerten. Die Fähigkeit zum Nachhaltigkeits-Reporting wird schon in Kürze wettbewerbsrelevant: In der Automobilindustrie fließen einige der neuen ­Kriterien bereits ab nächstem Jahr in die Lieferantenbewertungssysteme ein. Transparenz nach außen bedeutet für die meisten Unternehmen, dass Prozesse nach innen verändert werden müssen. Um beispielsweise die ehrgeizigen CO2-Richtlinien zu erreichen, müssen Teilschritte stärker dokumentiert werden.

Die Fragen, die künftig auf Knopfdruck beantwortbar sein sollten, sind vielfältig: Wo wurden Rohstoffe eingekauft, wie werden Abfallprodukte entsorgt, wie viel Energie wird in einem Prozessschritt verbraucht? Wie viel CO2 entfällt auf einen Logistikprozess? Wie viele Fahrzeuge wurden bereits auf E-Mobilität umgestellt? Welche Transportmittel mit nachhaltiger Energie werden für die Logistik genutzt? Für viele Produkte geht es künftig darum, während ihres Lebenszyklus über IoT-Technologie (Internet of Things) Zustandsdaten zu erheben.

Bestehende Sustainability-Services nutzen. Eine ganze Reihe der steigenden Anforderungen im Nachhaltigkeits-Reporting lassen sich mittels Werkzeugen wie der Power Platform automatisieren. Oft geht es bei diesen Themen um einen geschlossenen Loop, in dem Informationen dokumentiert und ausgewertet werden, um Rückschlüsse zu ziehen, deren Ergebnisse wiederum zur Steuerung in den Kreislauf einfließen. Gerade im Zusammenspiel zwischen der Power Platform und bereits vorhandenen Services zum Beispiel auf der Microsoft Cloud for Sustainability entsteht Potenzial für die Automatisierung dieser Informationskreisläufe. Die Funktionalität der Sustainability Cloud ist spezifisch dafür konzipiert, dass Unternehmen die strategischen Kennzahlen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie erfassen, verfolgen und analysieren können.

Ein weiterer Punkt, bei dem Unternehmen von einer einfacheren Prozessautomatisierung profitieren können, ist das bessere Abfedern von Spitzenauslastungen mit Low-Code/No-Code-Lösungen. Das gilt für saisonale Hochlastzeiten ebenso wie für Ausnahmesituationen. Ein Beispiel: Wenn in ein Katalogsystem durch einen menschlichen Fehler falsche Daten gelangt sind und hunderttausende falsche Datensätze korrigiert werden müssen, lohnt es sich, diese manuelle Aufgabe durch einen digitalen Service zu automatisieren. Die Software dafür, die nach dem Prinzip der Robotic Process Automation (RPA) arbeitet und manuelle Arbeitsschritte automatisiert nachahmt, ist schnell geschrieben. Statt Wochen dauert die Fehlerkorrektur im besten Fall nur wenige Tage.

IT-Modernisierung auf Cloud-Plattform. Die grundsätzliche Frage lautet heute für viele Unternehmen, ob bestehende IT-Systeme unserem dynamischen Zeitalter noch gewachsen sind. Die Landschaften sind gerade im ERP-Bereich geprägt von unbeweglichen Legacy-Systemen. Viele Großunternehmen haben sich in den letzten Jahren strategisch für eine Cloud-First-Strategie und für eine oder mehrere Cloud-Plattformen entschieden. Auch für KMU stellen Cloud-Plattformen wie Microsoft Azure eine gute Grundlage dar, schrittweise ihre IT-Landschaften zu modernisieren, agiler auszurichten und für digitale Geschäftsmodelle zu befähigen. Mit einfach nutzbaren Services, die auf der Cloud-Plattform gebucht werden können, gelingt es, neue Herausforderungen zu lösen: Das gilt beispielsweise im IoT-Bereich, wo sich Sensorik etwa für den Energie- oder Wasserverbrauch leicht integrieren lässt, einschließlich komplexer Datenanalysen. Viele vermeidbare, manuell aufwendige Medienbrüche und Prozesslücken lassen sich zudem mit Low-Code/No-Code-Werkzeugen auf Basis der Cloud-Plattform schließen. Auch die Integration von Altsystemen ist über entsprechende Plattformen gut gestaltbar. Deren Daten stehen dann schon für innovative Services zur Verfügung, während zugleich Zeit für die spätere Ablösung der Legacy-Lösungen gewonnen wird.

 


Michael Megel,
Enterprise Architect & DevOps Engineer
bei der COSMO CONSULT Group

 

 

 

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