Arbeitsmarkt und Lohnwachstum treiben die Inflation noch zu wenig

 

Steigende Rohölpreise sorgen seit Mitte des Jahres für anziehende Teuerung im Euroraum, aber Kerninflation legt nur wenig zu – EZB erwartet, dass anziehende Löhne die Kerninflation ankurbeln – DIW-Berechnungen zeigen, dass Effekt aber bislang recht schwach ist

Seit die Inflation im Euroraum wieder etwas zulegt, rückt eine Leitzinserhöhung durch die Europäische Zentralbank im kommenden Jahr in den Bereich des Wahrscheinlichen. Dazu müsste allerdings die Inflationsentwicklung nachhaltig sein und auch die Kerninflation (ohne die volatilen Energie- und Lebensmittelpreise) zulegen. Die EZB setzt dabei vor allem auf sinkende Arbeitslosenraten und steigende Löhne. Neueste Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigen, dass sich die Lohndynamik zwar tatsächlich auf die Kerninflation auswirkt, ihr Beitrag bisher aber quantitativ recht gering war.

Trotz niedriger Zinsen und einer expansiven Geldpolitik lag die Inflationsrate im Euroraum in den vergangenen fünf Jahren deutlich unter der von der EZB angestrebten Marke von knapp unter zwei Prozent. »Eine Analyse der Jahre seit der Finanzkrise zeigt, dass nicht nur die Energiepreise, die 2014 und 2015 sehr niedrig waren, sondern auch die niedrigen Inflationserwartungen der Marktakteure und die Arbeitslosendynamik die Teuerung maßgeblich gedämpft haben«, resümiert Studienautorin Geraldine Dany-Knedlik.

Kerninflation entwickelt sich nur verhalten

Erst seit Mitte dieses Jahres zieht die Inflationsrate deutlich an, was allerdings vor allem den steigenden Rohölpreisen geschuldet ist. Betrachtet man die Kerninflation, rechnet also die stark schwankenden Komponenten wie Energie- und Lebensmittel raus, so zeigt sich trotz anziehender Konjunktur kein wirklicher Anstieg der Teuerung. Die EZB prognostizierte zuletzt einen deutlichen Anstieg der Kerninflation im nächsten und übernächsten Jahr auf 1,5 beziehungsweise 1,8 Prozent. Auch auf Grundlage dieser Prognose stellte die EZB in Aussicht, ab dem Sommer 2019 die Leitzinsen erstmalig wieder anzuheben.

 

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Treiber der Kerninflation sollen nach Annahme der Notenbank vor allem die Löhne im Zusammenhang mit einer weiteren Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt sein. Diese hatten sich in den vergangenen Jahren sehr schwach entwickelt, erst seit Mitte 2017 ziehen sie an. Stiegen die nominalen Lohnstückkosten im Euroraum im zweiten Quartal 2017 nur um 0,3 Prozent, legten sie bis Mitte 2018 kontinuierlich zu – zuletzt um 1,2 Prozent.

Effekt der Lohnentwicklung quantitativ nur gering

Fraglich ist nun, ob die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und der Löhne ausreicht, um die Kerninflation wie von der EZB prognostiziert ansteigen zu lassen. Mit Hilfe eines empirischen Modells hat DIW-Ökonomin Dany-Knedlik untersucht, wie die Kerninflationsrate reagiert, wenn die Arbeitslosigkeit sinkt beziehungsweise die Lohnstückkosten steigen. Tatsächlich ergaben die Berechnungen, dass sich beides zwar signifikant auf die Kerninflationsrate auswirkt, dieser Effekt jedoch quantitativ nicht sehr stark ausgeprägt ist. So zeigt sich, dass bei einer Senkung der konjunkturellen Arbeitslosigkeit um 0,1 Prozentpunkte das Lohnwachstum bei einem konstanten Niveau der langfristigen Arbeitsproduktivität nach ungefähr fünf Quartalen um 0,1 Prozentpunkte zulegen würde, die Kerninflationsrate allerdings nur um 0,04 Prozentpunkte. »Die positiven wirtschaftlichen Impulse seitens des Arbeitsmarktes müssten schon konstant stark sein, um die Kerninflation soweit anzukurbeln, dass sie der von der EZB angestrebten Inflationsrate entspricht«, zeigt sich Dany-Knedlik skeptisch. »Ein nachhaltiger Anstieg der Kerninflationsrate sollte aber erkennbar sein, bevor die EZB mit ihrer mittelfristig ausgerichteten Geldpolitik die Zinsen anhebt.«

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Studie im DIW Wochenbericht 43/2018 | PDF, 209.91 KB

DIW Wochenbericht 43/2018 als E-Book | EPUB, 2.79 MB

 


 

 

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