Steigende Kosten und Auftragsrückgänge: Doppelbelastung für die Lieferkette.
Wie auch immer man es betrachtet, der Weltwirtschaft steht in den kommenden Monaten eine harte Zeit bevor. Die Daten des Q2 Index of Global Trade Health von Tradeshift liefern weitere Beweise für eine drohende Rezession. Die über die Tradeshift Plattform übermittelten Auftragsvolumina sind im zweiten Quartal in Folge stark zurückgegangen.
Auffallend am Index für dieses Quartal ist das nahezu einheitliche Muster der rückläufigen Transaktionsvolumina in den meisten der größten Volkswirtschaften der Welt. Die Lieferkettenaktivität im Euro-Raum und in den USA ging im zweiten Quartal in Folge zurück, und zwar um 5 beziehungsweise 4 Punkte. Auch im Vereinigten Königreich sank die Aktivität um weitere fünf Punkte gegenüber der Vorhersagespanne.
Kumuliertes Wachstum des Transaktionsvolumens – indexiert gegenüber der Prognose vor der Pandemie
Die Aufträge mögen zwar zurückgehen, aber die Kosten für die Geschäftstätigkeit sind weiter gestiegen, was den Cashflow an jeder Stelle der Lieferkette erneut unter Druck setzt. Nach den jüngsten offiziellen Daten liegt die Inflation in den USA bei 8,5 Prozent. Der durchschnittliche Wert einer auf der Tradeshift-Plattform eingereichten Rechnung ist seit Anfang 2022 um 11 Prozent gestiegen, verglichen mit einem bescheideneren Anstieg von 3,5 Prozent im Jahr 2021.
Die aktuelle Inflationswelle hat mehrere Ursachen, von denen einige mit der Pandemie zusammenhängen. In der gesamten Weltwirtschaft kam es zu anhaltenden Unterbrechungen der Versorgungskette. Covid-19-Fälle in China und die Verhängung von Abriegelungsmaßnahmen verursachen weiterhin Probleme. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine erhöhte den Druck zusätzlich.
Kumuliertes Wachstum der Rechnungen und Aufträge im Vergleich vor der Pandemie
Automatisierung vieler Unternehmensbereiche wird immer wichtiger
So vorübergehend einige der aktuellen Herausforderungen auch sein mögen, so haben die vergangenen zwei Jahre doch auch ziemlich effektiv tiefsitzende, strukturelle Probleme in der gesamten Weltwirtschaft aufgezeigt. Elon Musks Ein-Mann-Mission, den Planeten neu zu bevölkern, mag zwar die falsche Schlagzeile sein, aber der zugrunde liegende Punkt ist gültig. Ein jahrzehntelanger Zyklus billiger und leicht verfügbarer Arbeitskräfte ist ins Gegenteil verkehrt. Die Automatisierung, die lange Zeit nur als Möglichkeit zur Senkung der Gemeinkosten betrachtet wurde, wird immer mehr zu einem wichtigen Bestandteil der Risikomanagementplanung, und zwar in allen Branchen und Abteilungen.
Untersuchungen der Association of Advanced Automation haben ergeben, dass amerikanische Unternehmen zu Beginn des Jahres die meisten Roboter in einem einzigen Quartal gekauft haben. Gartner fand heraus, dass 78 Prozent der CFOs planen, Investitionen in die Automatisierung als Teil ihrer Strategie zu beschleunigen, um sich gegen langfristige Inflation zu wappnen. Alan Jope, der Vorstandsvorsitzende von Unilever, gehört zu einer wachsenden Zahl von Führungskräften, die der Meinung sind, dass Unternehmen die Krise als das neue Normal akzeptieren müssen. Jeder, der glaubt, dass die Lieferkettenpannen der letzten 18 Monate abklingen werden, befindet sich vermutlich auf der falschen Seite der Geschichte.
Nach Angaben von McKinsey könnte ein einziger lang anhaltender Schock in der Produktion 30 bis 50 Prozent des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen eines Jahres zunichte machen. Wiederkehrende Risiken dieses Ausmaßes machen auch in Zukunft alle kurzfristigen Sparmaßnahmen zunichte. Die Pandemie hat die Geschäftswelt in zwei Lager gespalten: diejenigen, die ihre Abläufe digitalisiert haben und flexibel bleiben können, und diejenigen, die dies nicht getan haben. Diese Kluft wird in den nächsten zwei Jahren immer größer werden. Konnektivität, Transparenz und Agilität sind zu grundlegenden Betriebsprinzipien für die widerstandsfähigen Lieferketten geworden, die Unternehmen aufbauen müssen. Wenn Unternehmen jetzt stillhalten, stehen die Chancen gut, dass sie in eine Abwärtsspirale geraten.
Christian Lanng, Mitgründer und CEO von Tradeshift
Weitere Informationen: https://hub.tradeshift.com/global-trade/paradigm-shift-do-the-economics-of-supply-chain-resilience-still-work-in-a-post-pandemic-world/