Der Euro wird 20 Jahre alt – Ein Grund zum Feiern

Der Euro hat für Wohlstand gesorgt. Leider missbrauchen Populisten und Nationalisten die Währung für ihre Zwecke.

 

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Der Euro wird 20 Jahre alt. Eigentlich sollte dies Anlass zum Feiern sein. Denn der Euro hat entscheidend zur Integration Europas beigetragen und ist ein Grund für den Wohlstand, den wir heute in Deutschland genießen. Leider wird der Euro von Populisten und Nationalisten für eigene Zwecke und als Sündenbock für nationale Fehler missbraucht. Dies lenkt von einer ehrlichen Debatte über seine Erfolge und seine Fehler ab, die aber dringend notwendig wäre, um Europa zukunftsfähig zu machen.

 

Der Euro hat die Integration und das Friedensprojekt Europa unumkehrbar gemacht – so, wie von Helmut Kohl und François Mitterrand angedacht. Die überwältigende Mehrheit der Europäerinnen und Europäer kann sich Europa ohne den Euro gar nicht mehr vorstellen, selten zuvor haben ihn so viele Menschen befürwortet. Der Euro ist für eine große Mehrheit zum Symbol für die Einheit Europas geworden.

 

Der Euro ist auch ein wirtschaftlicher Erfolg, von dem alle Länder, allen voran Deutschland, profitiert haben und profitieren. Die gemeinsame Währung hat zu mehr Handel, mehr Investitionen, mehr Stabilität und, in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens, zur Integration der Finanzmärkte geführt. Dabei haben der Euro und seine Hüterin, die Europäische Zentralbank, von der Stärke und Glaubwürdigkeit der Deutschen Mark und der Bundesbank profitiert. Denn der Euro war und ist so stark und stabil, wie die D-Mark es über 50 Jahre hinweg gewesen ist. Und der Euro hat sich schnell als zweite Leitwährung der Welt etabliert, mit vielen Vorteilen für Wirtschaft und Politik.

 

Das bedeutet nicht, dass bei der Währungsunion keine Fehler gemacht worden wären. Die Fehler liegen jedoch nicht im Euro selbst, seiner Ausgestaltung oder in seinen Institutionen. Ein Fehler war vielmehr das Versäumnis, den Euro mit all den Elementen auszustatten, die zu einer funktionierenden Währungsunion gehören. Zu einer ehrlichen Debatte gehört jedoch auch, die falsche, irreführende Kritik, die vor allem in Deutschland zu hören ist, als solche zu entlarven. So sollte uns spätestens durch die vom US-Präsidenten Donald Trump geschürten Handels- und Währungskonflikte klar sein, dass Deutschland den Euro nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus politischen Gründen braucht. Denn Deutschland ist ein vergleichsweise kleines Land, das seine globalen Interessen nur dank eines starken Euro und eines geeinten Europas wahren kann.

 

Der zweite Trugschluss ist die Behauptung, der Euro könne für so unterschiedliche Länder nicht funktionieren. Das Gleiche behaupteten viele auch von der deutsch-deutschen Währungsunion im Jahr 1990. Diese war jedoch richtig und letztlich ganz entscheidend für den Aufholprozess Ostdeutschlands. Auch der Euro hat in den ersten zehn Jahren seines Bestehens zu einer Konvergenz in Europa beigetragen. Auch die Behauptung, Deutschland übernehme durch den Euro zu viele Risiken, etwa über das Zahlungssystem Target, ist falsch. Sie zeugt von einem grundlegenden Missverständnis darüber, was eine Währungsunion ist: Sie ist keine Transferunion, sondern eine Versicherungsunion. Die Chancen und Vorteile für alle können nicht gehoben werden, ohne auch Risiken zu teilen. Eine Währungsunion bedeutet, dass alle Länder füreinander einstehen, dass Gewinne und mögliche Verluste des Euro geteilt werden. So funktioniert das gemeinsame Zahlungssystem Target gut und ist essenziell für den Binnenmarkt und für den Euro. Deutschland hat auch durch die Rettungskredite an andere Länder und die Geldpolitik der EZB keine Verluste, sondern hohe finanzielle Gewinne erzielt.

 

Die Vorteile können nicht gehoben werden, ohne Risiken zu teilen

Als der Euro geschaffen wurde, konnten sich Unternehmen, Haushalte und Regierungen in vielen Ländern zu deutlich geringeren Zinsen verschulden als zuvor mit ihren nationalen Währungen. Ein Boom bei Investitionen und Konsum war die Folge – viele hofften, dass sich diese Investitionen in ein permanent höheres Wachstum und damit größeren Wohlstand umsetzen ließen. Mit Beginn der globalen Finanzkrise und der folgenden europäischen Finanzkrise erwies sich dies jedoch in vielen Fällen als Irrtum.

 

Manche deutschen Euro-Kritikerinnen und -Kritiker sehen die ersten zehn Jahre als einen Beleg für das Scheitern des Euro: Aus ihrer Sicht konnten viele Regierungen und Unternehmen mit den Privilegien des Euro nicht verantwortungsvoll umgehen und hätten diese absichtlich, auch auf Kosten Deutschlands, missbraucht. Doch diese Sichtweise offenbart nicht nur eine moralische Überheblichkeit, sondern sie ist auch schlichtweg falsch. Deutschland hat keine Verluste für andere Länder übernommen. Ganz im Gegenteil, alle Rettungskredite wurden und werden zurückgezahlt, mit satten Gewinnen für den deutschen Fiskus. Teilweise wurden die Gelder auch genutzt, um Kredite bei deutschen Banken zu bedienen, die in Griechenland, Italien oder Spanien vom Wirtschaftsboom der 2000er-Jahre profitiert hatten, von einer Haftung für die eingegangenen Risiken später aber nichts wissen wollten. Nicht der Euro trägt die Schuld für falsche Kredit- und Investitionsentscheidungen in Europa, sondern einzig und alleine die handelnden Akteure sind dafür verantwortlich.

 

Die Politik, auch in Deutschland, muss endlich aufwachen und Reformen umsetzen. Die nötigen Veränderungen, die die Geburtsfehler des Euro beheben können, sind durchaus realisierbar. Dazu gehört eine Vollendung des Binnenmarktes für Dienstleistungen, vor allem eine Kapitalmarktunion und eine funktionierende Bankenunion. Es bedarf klügerer europäischer Regeln bei der Finanzpolitik und eines makroökonomischen Stabilisierungsmechanismus, bei dem sichergestellt ist, dass die Risiken einer Krise und deren Ansteckungseffekte minimiert werden.

 

Der Euro war und ist ein Glücksfall für die deutsche und europäische Geschichte. Es ist müßig, darüber zu streiten, ob der Euro besser früher oder später hätte eingeführt werden sollen. Er existiert, es geht ihm gut, die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken machen gute Arbeit.

 

Mit dem Euro ist es so wie mit dem Leben: Die Kindheit ist häufig unbeschwert und glücklich, die schwierigste Zeit ist die Jugend, das Teenageralter. Diese hat der Euro nun überwunden. Statt seine Existenz anzuzweifeln, sollten wir uns darauf konzentrieren, wie der Euro erwachsen und vollendet wird, damit der wirtschaftliche Wohlstand Europas dauerhaft gesichert und gefördert werden kann. Dazu sollten wir Deutsche ehrlich zu uns selbst sein: Ohne den Euro ständen wir wirtschaftlich heute nicht so gut da. Er ist ein Gewinn für ganz Europa, allen voran für Deutschland.

 

Der Gastbeitrag von Marcel Fratzscher ist am 6. Januar in der Süddeutschen Zeitung erschienen.

Textquelle: https://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.610979.de

 


 

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