Der Uber-Unfall – Dämpfer für das autonome Auto?

Das autonome Fahren wird seit längerem nicht mehr nur in Fachkreisen, sondern auch in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert. Obwohl wenige Menschen einem fahrenden Computer völlig vertrauen würden, steigt das Interesse an automatisierten Fahrunterstützungssystemen wie etwa selbstständiges Einparken. Dabei nimmt auch das Thema Unfälle und Verantwortung einen breiten Raum ein. Jetzt ist ein Verkehrsteilnehmer durch ein autonomes Vehikel getötet worden. Nach letzten Aussagen der Polizei sind scheinbar weder das Opfer, noch das Auto, noch der Insasse Schuld am Unfall. Wo stehen wir wirklich, und was bedeutet das nun?

Technisch ist bei der Realisierung von autonomen Szenarien vieles nicht nur möglich, sondern bereits erprobt. Viele Serienfahrzeuge kommen mit immer mehr halbautomatischen Gadgets wie etwa selbstaktivierender Lenkung oder Bremse auf den Markt. Auch der Business Case liegt eigentlich klar auf dem Tisch. Dass sich mit dem autonomen Fahren im Endstadium viel Geld sparen lässt, ist schon mit einem Punkt offensichtlich. Laut der Universität St. Gallen ist ein ganzes Drittel des städtischen Verkehrs der Parkplatzsuche zuzuordnen. Der Spritverbrauch kann reduziert werden, wenn viele Autos eng aufeinander abgestimmt jede Verkehrslücke ausnutzen. Dazu kommen Zeitersparnisse durch die Vermeidung von Staus und eine erhöhte Sicherheit, wenn die Fahrzeuge aufeinander abgestimmt sind. Durch Car-to-Car-Kommunikation kann der erste, der eine Gefahr erkannt hat, andere Autos hinter der Kurve automatisch warnen. Rettungsgassen werden nötigenfalls automatisch erzeugt.

Nach dem Unfall setzt eine Welle der Ernüchterung ein

Leider greifen viele derartige Szenarien erst dann, wenn alle Fahrzeuge automatisiert und vernetzt sind. Es steht zunehmend in Frage, dass wir dieses Ziel schnell erreichen. In der Industrie macht sich seit dem tragischen Unfall in Arizona, bei dem ein Fahrradfahrer durch ein autonomes Uber-Fahrzeug letzte Woche tödlich verletzt wurde, eine gewisse Skepsis breit. Es gab als Reaktion viele Stimmen von Experten und Beteiligten, die äußerten, es sei ein sehr steiniger Weg, und man werde noch lange Zeit brauchen, so wie etwa Chuck Robbins, CEO von Cisco. Uber hat medienwirksam über Bloomberg erklärt, dass das eigene Programm für autonomes Fahren bis auf weiteres gestoppt wurde.

Die wahren Herausforderungen liegen in den regulatorischen und ethischen Fragen. Nach wie vor ist die Kernfrage nicht geklärt: Wer hat schuld am tödlichen Ausgang, der Halter, der Nicht-Fahrer, der Hersteller? Wer kann unter welchen Umständen haftbar gemacht werden? Können wir es hinnehmen, dass Unfälle passieren und Menschen sterben, ohne dass ein Mensch zur Verantwortung gezogen wird? Sicherlich sind dies Bedenken eine Warnung, dass man hier bedächtig vorgehen muss, weil Leben auf dem Spiel stehen.

Die Vision hat trotzdem Bestand und wird weiterhin verfolgt

Dieser Unfall sollte aber nicht dazu dienen, das Thema an sich in Frage zu stellen. Wer seinen Kindern erzählt, dass auch sie autonomes Fahren nicht mehr erleben werden, der handelt sicherlich sehr voreilig. Zu hoch sind die möglichen Vorteile. Der normale Straßenverkehr ist auch durch Automatisierung, Beispiel Airbags, insgesamt sicherer geworden. Nicht jeder Marktteilnehmer versucht in diesem Konzert des Zweifelns die ersten Geige einzunehmen. Der Deutschlandchef von Vodafone, Hannes Armetsreiter, hat gerade in den Medien erklärt, wie er das Auto von morgen sieht: als ein Smartphone auf vier Rädern. Er möchte jedes Auto mit einer SIM-Karte ausstatten. Wenn man die schönen alten Autos betrachtet, die in der Klassikstadt Frankfurt und ähnlichen Orten herumstehen, dann kommt man zu dem Schluss, dass das wahrlich keine leichte Aufgabe ist. Dieses Ziel umzusetzen wird tatsächlich noch lange Zeit brauchen. SIM-Karten sehen dann, wenn man sie überhaupt noch anfassen kann, sicherlich auch anders aus als heute. Doch die Reise dorthin bringt einen möglichen Gewinn mit jedem neuen Serienmodell. Erprobt werden darf allerdings nicht mit »Dotcom-Geschwindigkeit« auf der realen Straße. Da mit zunehmendem technologischen Fortschritt auch die Testumgebungen immer besser werden, gibt es guten Anlass dazu, stringente Testbedingungen auch behördlich durchzusetzen. Gerade für Unternehmen die klassischerweise nicht aus der Automobilbranche kommen und Unfallsicherheit weniger in ihrer DNA haben.

Dr. Henning Dransfeld, ISG, www.isg-one.com

 


 

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