Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Wie weit ist Deutschland und welche Ansätze existieren? – Twin Transformation

Digitale Technologien können einen wichtigen Beitrag zur globalen nachhaltigen Transformation leisten. Dabei wird zur Zeit oftmals zwischen nachhaltiger Transformation und digitaler Transformation unterschieden und die beiden Prozesse getrennt voneinander betrachtet – aber wieso?

Einzeln und in der Summe bergen Technologien das Potenzial, wichtige ökologische und wirtschaftliche Veränderungen herbeizuführen und einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Gleichzeitig müssen nachhaltige Ziele bei der notwendigen Digitalisierung beachtet und von Beginn an eingeplant werden. In der Theorie klingt das logisch, aber wie lassen sich digitale und nachhaltige Transformationsprozesse synergetisch umsetzen und mit den, meist ausschließlich auf Wachstum und Gewinn genormten, Organisationszielen vereinbaren? In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf den aktuellen Stand der digitalen Nachhaltigkeit in Deutschland, welche Ansätze bereits existieren und wie Unternehmen die sogenannte »Twin Transformation« bestmöglich umsetzen können. 

Digitale Maßnahmen für einen nachhaltigen Energiesektor. Die durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine hervorgerufene Energiekrise hat uns in Deutschland schlagartig den Wert von Energieressourcen vor Augen geführt. Wir sparen diese nun wo wir können. Die Digitalisierung kann uns nicht nur dabei helfen, Energie zu sparen, sondern diese effizienter einzusetzen. Zum Beispiel dann, wenn sie dafür genutzt wird, das Energienetz zu überwachen und überschüssige Energie-ressourcen zu verteilen. Allein die flächendeckende Einführung von sogenannten Smart Meter, die in Deutschland seit vergangenem Jahr nun endlich erlaubt ist, kann den Stromverbrauch um bis zu 10 Prozent senken. Hier hat die Bundesregierung das Potenzial erkannt und bereits entsprechende Gesetze verabschiedet: ab 2025 müssen alle Haushalte mit einem Stromverbrauch von über 6.000 kWh oder Photo-voltaikanlagen mit mehr als 7 kWh verpflichtend mit einem Smart Meter ausgestattet sein. Intelligente Lastmanagementsysteme und Smart Grids können zudem dafür sorgen, dass Lastobergrenzen für Strom nicht überschritten werden und Verbraucher in eine Kostenfalle tappen. Ein gutes Beispiel, wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammenwirken: Die notwendigen nachhaltigen Bestrebungen bieten eine Zielsetzung für die digitale Transformation. Nachhaltigkeit wirkt so als Motivator für einen effizienten Einsatz digitaler Maßnahmen und führt zu einer parallelen Transformation – Die Twin Transformation. 

AI und Nachhaltigkeit – Ein Widerspruch? Die Chancen, die digitale Technologien und künstliche Intelligenzen für die Nachhaltigkeit mitbringen, sind enorm. Gleichzeitig merken Kritiker an, dass KI horrende Mengen an Strom verbraucht, insbesondere für Algorithmen maschinellen Lernens. Allein 10 bis 15 Prozent des gesamten Energieverbrauchs von Google entfällt auf künstliche Intelligenzen, was dem Jahresstrom-verbrauch einer Stadt mit etwa 500.000 Einwohnern entspricht [1]. KI und Nachhaltigkeit wäre somit ein Widerspruch? An und für sich ist ein hoher Stromverbrauch natürlich nicht nachhaltig. Durch den gezielten Einsatz von KI kann eine nachhaltige Transformation erreicht werden, insbesondere in der Landwirtschaft. So können beispielsweise Techniken der Präzisionslandwirtschaft, wie der Einsatz von Sensoren und Algorithmen des maschinellen Lernens zur Optimierung der Pflanzenbewirtschaftung, dazu beitragen, die Verschwendung zu verringern und die Effizienz der landwirtschaftlichen Produktion zu steigern. Durch Zusammenarbeit können die Sektoren Landwirtschaft und KI dazu beitragen, eine nachhaltigere und umweltfreundlichere Zukunft zu schaffen. Künstliche Intelligenzen und Nachhaltigkeit widersprechen sich also, sinnvoll eingesetzt, nicht.

Twin Transformation in Unternehmen erfolgreich umsetzen. Beide Beispiele haben gezeigt, wie nah digitale und nachhaltige Transformation zusammenliegen und sich gegenseitig bestärken können. Unternehmen, die im Sinne einer Twin Transformation Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsbestrebungen verbinden möchten, sollten zunächst den Status Quo ihrer Transformationsprozesse bestimmen. Auf diesen Status Quo aufbauend müssen dann kurz- sowie langfristige Ziele gesetzt werden, wie sich das Unternehmen in den kommenden Jahren in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit transformieren möchte. Anhand dieser Ziele können wiederum Teilstrategien abgeleitet werden. Wichtig ist, dass die Synergien zu Beginn festgelegt und erkannt, festgehalten und gezielt nachverfolgt werden. Nur so hat die Unternehmensstrategie eine Chance, die Twin Transformation langfristig umzusetzen. 

Fazit. Viele Organisationen sind aktuell noch damit beschäftigt, ihren individuellen Platz in der digitalen Welt zu finden und die Herausforderungen der digitalen und nachhaltigen Transformation zu meistern. Erste Schritte sind mit dem Digital Twin in der fertigenden Industrie oder auch der Einführung der Smart Meter getan. Ein zunächst kleiner Schritt in die richtige Richtung. Alle Organisationen müssen sich mit der notwendigen Twin Transformation beschäftigen, denn der Druck, alle unternehmerischen Ziele an Nachhaltigkeitsziele anzubinden, steigt. Wichtig ist zunächst zu verstehen, wo Innovationspotenziale liegen und infrastrukturelle Grundlagen vorhanden sind oder erst geschaffen werden müssen. Der Politik fällt die wichtige Rolle zu, nachhaltige Innovationen in allen Segmenten zu fördern und regulatorische Rahmenbedingungen zu setzen. Gleichzeitig liegt die Verantwortung einer nachhaltigen und digitalen Transformation nicht in den Händen der Ministerien, sondern im Willen und Zielsetzung aller Organisationen. Alle Bereiche sollten daher jetzt handeln und die zunächst gegensätzlich erscheinenden Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit gemeinsam betrachten und das Potenzial, das in ihrer Kombination liegt, für sich nutzen. Hier ist auch nicht Verzicht das Kredo, sondern die Förderung der Innovation. Genau solche Unternehmen gehören aktuell zu den erfolgreichsten Vorreitern der Zukunft.

 


Denny Münchow ist Executive Director sowie Nachhaltigkeits-Experte bei der auf Digitalisierung spezialisierten Strategieberatung The Nunatak Group. Mit mehr als fünfzehnjähriger Erfahrung in den Bereichen Mobility, Innovation und digitaler nachhaltiger Transformation berät er Unternehmen in ganz Deutschland. Als Leiter des Berliner Nunatak Büros ist er zusätzlich für den Ausbau des Standortes Berlin zuständig.

 

[1] https://www.golem.de/news/klima-kuenstliche-intelligenz-boomt-co2-fussabdruck-ebenfalls-2303-172536.html

 

Illustration: © Elena Derevyagina, Roxana Gonzalez, Pavlo | Dreamstime.com