ERP-System mit KI und ML – Großes Potenzial durch intelligente Algorithmen

Die Themen künstliche Intelligenz und Machine Learning bestimmen heute zum großen Teil die Diskussionen zur Informationstechnologie. Das trifft auch auf Christian Leopoldseder, Managing Director der Asseco Solutions GmbH, zu.

Herzlichen Glückwunsch, Herr Leopoldseder. Auch 2018 kann sich Asseco wieder als ERP-System des Jahres bezeichnen. Hat dieser Erfolg auch etwas mit dem Engagement von Asseco im hochaktuellen Bereich der Künstlichen Intelligenz zu tun?

Herzlichen Dank. Wir freuen uns sehr darüber, vor allem, weil wir nun schon zum sechsten Mal ausgezeichnet wurden. Zu den Gründen für diesen positiven Trend gehört sicher, dass wir mit unserem Fokus auf Forschung und Entwicklung stets am Puls der technologischen Entwicklung bleiben – und dabei spielt das Thema KI eine immer wichtigere Rolle.

Für das Frühjahr 2019 planen wir die Veröffentlichung einer ersten Lösung hierzu, die den Vertrieb in seiner täglichen Arbeit unterstützt. Das Tool scannt PR-Texte und soziale Medien, analysiert und interpretiert sie und bereitet sie übersichtlich auf. Der Mitarbeiter wird von Routinetätigkeiten entlastet und kann seine Zeit besser zur Vorbereitung der Kundentermine nutzen.

Welchen Stellenwert hat KI bei Asseco?

Im Bereich künstliche Intelligenz vollbringen Wissenschaft und Technologie derzeit wahre Quantensprünge. Während die Technologie bereits heute in manch ausgewählten Teilbereichen das menschliche Gehirn übertrifft, prognostizieren Experten, die Technologie könnte bis 2030 gar einem erwachsenen menschlichen Gehirn nahezu äquivalent sein.

Abgesehen von medialen Hype-Themen wie dem autonomen Fahren oder der Interaktion mit humanoiden Robotern, stehen in der Praxis meist Anwendungen im Fokus, die zwar etwas weniger spektakulär, dennoch aber mit einem unmittelbaren Nutzen für die Anwender verbunden sind. Im Industrieumfeld etwa soll die künstliche Intelligenz dazu beitragen, die Mensch-Maschine-Kollaboration zu fördern. Auch der Erkenntnisgewinn aus Big Data soll durch KI verbessert werden und beispielsweise die Ableitung noch komplexerer Zusammenhänge in Szenarien wie Predictive Maintenance fördern – Anwendungen, von denen Unternehmen schon heute zunehmend im konkreten Geschäftsalltag profitieren. Daraus ergibt sich zwangsläufig unser intensives Engagement auf dem Gebiet der KI und deren hoher Stellenwert für unser Softwarehaus.

Um das KI-Potenzial auszuschöpfen, ist momentan wohl vor allem die Forschung und Entwicklung gefragt?

Im deutschsprachigen Raum wird das Thema KI derzeit vermehrt an akademischen Einrichtungen vorangetrieben. Zu den Vorreitern gehört hierbei unter anderem das Linz Institute of Technology, an dem sich mit dem Labor für Artificial Intelligence ein Hotspot für die Erforschung der intelligenten Technologie etabliert hat. Dort hat der Leiter des Instituts, der KI-Experte Prof. Sepp Hochreiter, zusammen mit seinem Kollegen Prof. Jürgen Schmidhuber die Technologie des »Long short-term memory« (LSTM) entwickelt, durch die das Trainieren von künstlichen neuronalen Netzen deutlich verbessert werden konnte. Während bisherige neuronale Netze durch eine immer wiederkehrende Justierung auf das Ausgeben einer richtigen Antwort kalibriert werden müssen, ermöglicht das LSTM durch Feedbackschleifen eine Art »Erinnerungsfähigkeit«, sodass die KI besser in der Lage ist, aus »fehlgeschlagenen« Versuchen zu lernen. Die entsprechenden Berechnungen werden dabei nicht selten von Grafikchips bewerkstelligt: Durch den andauernden Boom der Videospielbranche werden diese immer leistungsfähiger und sind explizit darauf zugeschnitten, nahezu in Echtzeit Output auf Basis des jeweiligen Inputs zu generieren – eine Fähigkeit, die auch den Kern komplexer KI-Berechnungen widerspiegelt.

 

 

Worin besteht nun das Potenzial für den ERP-Bereich?

Das Potenzial dieser Technologie für Anwendungen für die Business-Software hat Asseco als ERP-Spezialist bereits seit geraumer Zeit erkannt. Um die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft in die Praxis zu übertragen, beobachten wir die neusten Entwicklungen auf diesem Gebiet – wie die Forschungen an der Universität Linz – sehr genau und beschäftigt uns damit als einer der derzeit ersten ERP-Anbieter mit konkreten Ansätzen zur Kombination von künstlicher Intelligenz, LSTM und ERP.

Im Fokus stehen mögliche Anwendungsfälle im ERP-Kontext, beispielsweise in Form von Predictive Sales. Hier lassen sich intelligente Algorithmen dazu verwenden, bisherige Kontaktpunkte mit einem Lead oder Interessenten wie E-Mail-Konversationen oder Kaufhistorien zu analysieren. Das System ist daraufhin in der Lage, bei der Klassifizierung des Leads zu unterstützen und einzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass der Interessent als Kunde gewonnen werden kann. Dies bietet den Mitarbeitern einen Anhaltspunkt, welche Fälle eventuell besondere Aufmerksamkeit erfordern und welche Fälle mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Erfolg gekrönt sein werden. Die vorhandenen Ressourcen können so effizienter und gezielter für den Sales-Erfolg kanalisiert werden.

Auch die Analyse gesammelter Maschinendaten durch künstliche Intelligenz stellt eine mögliche Anwendung dar und kann industriellen Fertigern im Idealfall völlig neue Geschäftsmodelle im digitalen Zeitalter eröffnen. Indem Maschinenhersteller ihre Anlagen vernetzen und auf diese Weise Produktivdaten aus dem Realeinsatz beim Kunden vor Ort sammeln, lassen sich kundenübergreifend anonymisierte Analysen durchführen. So können unter Umständen komplexe Zusammenhänge erkannt werden, etwa unter welchen Bedingungen wie Raumtemperatur oder Luftfeuchtigkeit und mit welchen Konfigurationseinstellungen die Anlagen den meisten Output erzeugen. Durch die Weitergabe solcher Informationen wandelt sich der Maschinenhersteller vom reinen Hardwarelieferanten zum informierten Beratungspartner.

Zur praktischen Umsetzung der Theorie arbeitet Asseco mit einem innovativen Start-up zusammen, das sich auf die Entwicklung entsprechender intelligenter Algorithmen fokussiert. Bei der Umsetzung erster Pilotprojekte profitieren wir von dessen Zusammenarbeit mit Kunden, mit denen bereits andere innovative Anwendungen in den Bereichen Industrie 4.0 oder Predictive Maintenance realisiert wurden. Im Rahmen dieser Installationen liegen bereits erste Big-Data-Reservoirs und Erfahrungswerte vor, die auch im Bereich KI als Grundlage für Pilotprojekte genutzt werden können.

Für uns ist die Erforschung und Förderung neuer, digitaler Zukunftsthemen wie der künstlichen Intelligenz generell ein wichtiges Anliegen. Es gehört zu unserer Strategie, zu den Innovationsführern der zentralen Digitaltechnologien zu gehören und deren Nutzen durch praxistaugliche Anwendungen den ERP-Anwendern zugänglich zu machen – wie es uns schon mit unserer Industrie-4.0-Lösung SCS gelungen ist. Damit haben wir den Anwendern bereits vor mehr als zwei Jahren eine konkrete Praxislösung zur Anbindung von Maschinen, zur Umsetzung smarter Wartungsprozesse und zur Nutzung der Predictive-Maintenance-Technologie zur Verfügung gestellt. Entsprechend besteht auch im Bereich KI das Ziel der Asseco Solutions darin, die Weiterentwicklung und Ausrichtung der innovativen Thematik aktiv mitzugestalten und zu den Innovationsführern zu gehören.

Herr Leopoldseder, vielen Dank für das Gespräch.


Das Gespräch führte Volker Vorburg

 

Bilder: © Asseco Solutions

 

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