Fern- oder Nahziel 4-Tage-Woche?

Studie: Fast die Hälfte der weltweit arbeitenden Bevölkerung könnte ihren Job in 5 Stunden oder weniger pro Tag erledigen.

Illustration: Geralt Absmeier

Laut einer weltweiten Umfrage von The Workforce Institute at Kronos Incorporated unter fast 3.000 Mitarbeitern aus acht verschiedenen Ländern ist fast die Hälfte (45 Prozent) der Vollzeitbeschäftigten der Meinung, dass sie ihre Arbeit in weniger als fünf Stunden am Tag schaffen kann – vorausgesetzt sie werden nicht unterbrochen [1]. Drei von vier (72 Prozent) Arbeitnehmern würden vier oder weniger Tage arbeiten, wenn sie das gleiche Gehalt bekämen. Allerdings geben 71 Prozent an, dass ihr Arbeit ihr Privatleben beeinträchtigt.

Mit dieser Studie startet das Workforce Institute at Kronos zusammen mit Future Workplace eine Serie von Untersuchungen, die analysieren, wie Arbeitnehmer in Deutschland, Australien, Kanada, Frankreich, Indien, Mexiko, Großbritannien und den USA ihre Einstellung zur Arbeit beurteilen. Teil eins der Serie »Ist es Zeit für die 4-Tage-Woche?« untersucht, wie Mitarbeiter ihre Zeit am Arbeitsplatz verbringen und ob die standardmäßige 40-Stunden-Woche tatsächlich am effektivsten ist.

 

Das 40-Stunden-Rätsel: Arbeitnehmer glauben genug Zeit zu haben, viele leisten dennoch Überstunden. Deutsche sind weit vorne bei der Arbeitszeit pro Woche.

  • Obwohl 75 Prozent der Vollzeitbeschäftigten weltweit angeben, dass sie am Arbeitstag genug Zeit haben, um ihre Hauptaufgaben zu erledigen, arbeiten fast zwei von fünf (37 Prozent) mehr als 40 Stunden jede Woche.
  • In Deutschland glauben 78 Prozent ausreichend Zeit für ihre Arbeit zu haben.
  • Bei der durchschnittlichen Arbeitszeit pro Woche liegen Deutsche im internationalen Vergleich weit vorne: 38 Prozent arbeiten mehr als 40 Stunden pro Woche, übertroffen nur von den USA mit 49 Prozent, Indien mit 44 Prozent und Mexiko mit 40 Prozent.
  • Und trotzdem sagen nur 60 Prozent der Deutschen, sie schaffen ihr Tagespensum wie geplant. Damit schneiden die deutschen Mitarbeiter am schlechtesten ab.

 

Zeit für die 4-Tage-Woche? Drei Viertel der Arbeitnehmer sehnen sich nach einem längeren Wochenende. Deutsche nehmen dafür Gehaltskürzung in Kauf.

  • Bei gleichbleibender Bezahlung wäre die ideale Arbeitswoche für die Mehrheit der weltweit befragten Teilnehmer (37 Prozent) vier Tage lang, für 20 Prozent drei Tage. Jeder vierte Mitarbeiter (28 Prozent) ist mit der gängigen Fünf-Tage-Woche zufrieden.
  • Führende Vertreter der 4-Tage-Woche waren Kanada (59 Prozent) und Australien (47 Prozent). Inder (40 Prozent) und Mexikaner (49 Prozent) würden bei der 5-Tage-Woche bleiben, die Briten auch gerne zwei Tage (26 Prozent) kürzen.
  • Die Deutschen sind eher als der internationale Durchschnitt gewillt einen Tag weniger zu arbeiten und dabei einen Gehaltsabstrich von 20 Prozent in Kauf zu nehmen. Die Nordamerikaner (USA und Kanada) würden diesen Deal am wenigsten eingehen.
  • Weltweit ist insgesamt festzustellen, dass der Kompromiss für diesen Deal mit der Höhe des Job-Levels einhergeht.
  • Wenn das Gehalt gleichbliebe, würden 7 Prozent der Deutschen am liebsten gar nicht mehr arbeiten (höchster Wert im internationalen Vergleich). Nur ca. ein Fünftel der Deutschen sieht sich in der 5-Tage-Woche (internat. Durchschnitt: 28 Prozent), vier Fünftel der Deutschen würden gerne weniger als fünf Tage arbeiten. Dabei spricht sich die Mehrheit für eine 4-Tage-Woche (29 Prozent) oder 3-Tage-Woche (21 Prozent) aus.

 

Zeitaufteilung: Effizienz leidet insbesondere in Deutschland unter themenfremden Tätigkeiten und Administration.

  • Fast neun von zehn Mitarbeitern (86 Prozent) geben an, dass sie jeden Tag Zeit an Aufgaben verlieren, die nichts mit ihrer eigentlichen Tätigkeit zu tun haben. 41 Prozent der Vollzeitbeschäftigten verschwenden demnach mehr als eine Stunde pro Tag mit diesen überflüssigen Aufgaben.
  • Überdies ginge, laut 40 Prozent der Befragten, pro Tag mindestens eine Stunde an administrative Aufgaben flöten, die für die eigene Organisation eigentlich keinen Mehrwert schafft, in Deutschland sind dies sogar 43 Prozent.
  • Lediglich 11 Prozent in Deutschland behaupten gar keine Arbeitszeit zu verlieren, im internationalen Vergleich liegt nur Indien mit 9 Prozent noch niedriger.
  • Insbesondere die Beantwortung von Mails und das Abhalten von Meetings nimmt bei Deutschen mehr Zeit ein als bei den Kollegen aus den anderen Nationen.

 

Der größte Zeitfresser? Kommt drauf an, wer gefragt wird.

  • »Die Behebung eines Problems, das nicht von mir verursacht wurde« (22 Prozent) und Administration (17 Prozent) sind weltweit die zwei Top-Antworten von Vollbeschäftigten, bei der Frage nach den Zeitverschwendern. Meetings (12 Prozent), E-Mail (11 Prozent) und Kundenfragen (11 Prozent) runden die Top-5 der Zeitfresser ab.
  • Im Ländervergleich sehen die Deutschen insbesondere E-Mails (16 %), Kundenthemen (14 %) und von anderen ausgelöste Probleme (18 %) als Zeitfresser.
  • Baby-Boomer verschwenden offensichtlich die meiste Zeit damit, die von jemand anderem verursachen Probleme zu beseitigen (26 Prozent). Gen Z ist dagegen am wenigsten dazu bereit, hinter Anderen herzuräumen (18 Prozent).
  • Millenials bezichtigen Social Media als größten Zeitfresser (10 Prozent) und stimmen mit der Gen X überein, dass Meetings ebenfalls ihre Zeit verschwenden (13 Prozent). Gen Z empfinden Telefonieren als Zeitfresser (10 Prozent), das ist doppelt so viel wie die Baby-Boomer dazu zu sagen

 

Zu viel verschwendete Zeit oder zu viel Druck: Was verursacht Mehrarbeit?

  • Mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter weltweit (53 Prozent) fühlen sich unter Druck gesetzt länger zu arbeiten oder zusätzliche Schichten zu übernehmen, um ihre Karriere voranzutreiben – doch oft kommt dieser Druck von innen heraus. Von denen, die sich unter Druck gesetzt fühlen, länger zu arbeiten, üben 60 Prozent Druck auf sich selbst aus. 40 Prozent geben an, dass der Druck von ihren Vorgesetzten herrührt.
  • Auch über die Hälfte der Deutschen fühlt sich unter Druck gesetzt – durch sich selbst oder den Manager – und kennt das Gefühl, mehr arbeiten zu müssen, um auf der Karriereleiter aufzusteigen.
  • Gen Z fühlt sich am ehesten unter Druck gesetzt die Karriere anzukurbeln (67 Prozent), fast doppelt so stark wie die Baby-Boomer (33 Prozent).

 

Joyce Maroney, Executive Director, The Workforce Institute at Kronos

»Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Studie ist nicht, dass wir zu einer kürzeren Arbeitswoche wechseln sollten oder dass wir eine Zeitmaschine benötigen, um all unsere Arbeit zu erledigen. Es ist klar, dass Mitarbeiter gute Arbeit leisten wollen. Einige Berufsprofile erfordern, dass Mitarbeiter zu bestimmten Zeiten anwesend sein müssen oder sich auf Abruf bereit halten. Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern dabei helfen, Ablenkungen, Ineffizienzen und administrative Arbeiten zu vermeiden, damit sie wirklich produktiv arbeiten können. So entsteht mehr Zeit für Innovationen, Zusammenarbeit, Entwicklung von Kenntnissen und Beziehungen sowie die Betreuung der Kunden. Gleichzeitig werden flexiblere Zeitplanungsoptionen ermöglicht, einschließlich der begehrten 4-Tage-Woche.«

 

Dan Schawbel, Bestsellerautor and Forschungsleiter, Future Workplace

»Mitarbeiter arbeiten härter als je zuvor und das auf Kosten ihres Privatlebens. Diese Studie bestätigt, dass wir alle mit unserem Arbeitstag effizienter arbeiten können, dass es Möglichkeiten gibt, administrative Aufgaben durch produktivere zu ersetzen, und dass die traditionelle Arbeitswoche in der heutigen Geschäftswelt keine Relevanz mehr hat. Mitarbeiter brauchen mehr Flexibilität zu entscheiden wie, wann und wo sie arbeiten und Führungskräfte sollten das berufliche und persönliche Leben ihrer Mitarbeiter unterstützen. Wenn Mitarbeiter mehr Ruhezeit haben, werden sie produktiver und kreativer und sind insgesamt gesünder, was im Umkehrschluss bedeute, dass sie weniger krankheitsbedingt ausfallen.«

 

Dr. Steffi Burkhart, Millenial-Sprecherin und Beirat des Workforce Institute Europe at Kronos

»Diese Studie zeigt auch auf, dass die verschiedenen Generationen ihren Arbeitstag anders strukturieren und Ablenkungen oder Zeitfresser unterschiedlich beurteilen. Weltweit sind die Millenials am stärksten davon überzeugt, ihre Arbeit in unter 7 Stunden am Tag erledigen zu können solange sie nicht unterbrochen werden. Gleichzeitig sind es auch die Millenials, die neben Gen Z ihr Privatleben oft durch die Arbeit gestört sehen. Die Millenials stellen mittlerweile einen Großteil der arbeitenden Bevölkerung dar, so dass Unternehmen darauf achten sollten, wie sie die Arbeitszeit so flexibel gestalten können, dass die verschiedenen Generationen effektiv und zufrieden arbeiten können.«

 

[1] »The Case for a 4-Day Workweek?« von The Workforce Institute at Kronos Incorporated

 


 

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