Globaler Markt für Brennstoffzellenfahrzeuge wird angetrieben durch Technologie-Optimierung und staatliche Anreize

Co-Entwicklung von Brennstoffzellen-Stacks und Optimierung der Brennstoffzellensysteme wird Kommerzialisierung und Akzeptanz beschleunigen.

 

Laut einer aktuellen Frost & Sullivan-Studie wird der weltweite Markt für Brennstoffzellen-Pkws stark vorangetrieben durch Optimierung der Technologie sowie durch staatliche Anreize [1]. Die Markteinführung von 20 Brennstoffzellenautos wird das Wachstum im globalen Markt für Brennstoffzellenfahrzeuge (engl. fuel cell electric vehicle, FCEV) in den nächsten Jahren festigen. Frost & Sullivan geht davon aus, dass der weltweite FCEV-Markt bis 2030 auf ca. 583.360 Einheiten ansteigen wird. Asiatische OEMs werden den Markt dominieren.

Die aktuelle Frost & Sullivan Studie Global Executive Analysis of the Fuel Cell Passenger Car Market, Forecast to 2030 umfasst eine Analyse der Brennstoffzellentechnologie sowie der Infrastruktur-Entwicklung in den Schlüsselregionen Europa, Nordamerika, Japan, China und Südkorea. Zudem werden OEM- und Zuliefererprofile, disruptive Entwicklungen, Innovationen und Wachstumschancen darin beurteilt.

»Um die Akzeptanz und Marktdurchdringung von Brennstoffzellen-Pkws zu beschleunigen, greifen Regierungen weltweit zu spürbaren Maßnahmen zur Verbesserung der Brennstoffzellen-Infrastruktur, namentlich mit Hilfe von Wasserstofftankstellen, dem Schaffen von Anreizen und Steuererlassen beim Kauf eines FCEV,« erklärt Frost & Sullivan Mobility Programme Manager Anjan Hemanth Kumar. »Regierungen asiatischer Länder, wie China, Japan und Korea, gehen einen Schritt weiter, indem sie FCEV-Subventionen bevorzugt vor denen für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge anbieten.«

Weitere Trends und Entwicklungen für das Wachstum im globalen Markt für Brennstoffzellen-Pkws umfassen:

  • Anstieg der Anzahl von Wasserstofftankstellen von 261 in 2016 auf ca. 7.564 in 2030;
  • Investitionen in einer Höhe von ca. zwei Milliarden US-Dollar von Topinvestoren, wie Kleiner Perkins Caufield & Byers (USA), Credit Suisse (Schweiz) und Rolls-Royce Holdings (Großbritannien);
  • Das US-Energieministerium plant die Senkung der Preise für Brennstoffzellen-Stacks für ein 80 kW-System; und
  • OEMs, wie Hyundai, Honda und Toyota entwickeln starke, kundenzentrierte Strategien für die Akzeptanz von Brennstoffzellenfahrzeugen mit Hilfe von Anreizen, Leasing und attraktiven Kaufoptionen.

»Aufgrund der hohen Investitionen in Europa und den USA wird die nächste große Chance in der Co-Entwicklung von Brennstoffzellen-Stacks und der Optimierung von Brennstoffzellensystemen durch Joint Ventures zwischen OEMs und Stromversorgern sein. Das wiederum wird die Kommerzialisierung und Akzeptanzrate schnell ansteigen lassen,” erläutert Kumar.

 

[1] Weitere kostenfreie, englischsprachige Informationen zu dieser Studie finden Sie hier:
https://go.frost.com/EU_PR_MFord_MD50_Jan18
Die Studie Global Executive Analysis of the Fuel Cell Passenger Car Market, Forecast to 2030 ist Teil des Frost & Sullivan Global Mobility Growth Partnership Service Programms.

 


 

Energiewende: So wird der Umstieg auf Wasserstoff konkret

Durch den Umstieg auf Brennstoffzellenautos lässt sich der CO2-Ausstoß maßgeblich verringern. Die benötigte Wasserstoff-Infrastruktur könnte sich als Schlüssel erweisen, um fossile Energieträger künftig stärker durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Für den Aufbau der kompletten Infrastruktur für den deutschen Pkw-Straßenverkehr wären Investitionen in der Höhe von 61 Milliarden Euro erforderlich, schätzen Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich.

Zum Vergleich: Über den relevanten Zeitraum von 40 Jahren verteilt lägen die jährlichen Ausgaben damit unter den derzeitigen jährlichen Investitionen in das deutsche Erdgasnetz.

Wind und Sonne liefern weder gleichmäßig Energie, noch zu dem Zeitpunkt, zu dem diese gerade benötigt wird. Der massive Ausbau erneuerbarer Energien erfordert daher Lösungen, um zeitweilige Überschüsse zu verwerten und zu speichern. »Mithilfe von Elektrolyseuren kann man Lastspitzen nutzen, um aus Wasser Wasserstoff herzustellen, der sich ähnlich wie Erdgas unproblematisch und günstig in unterirdischen Salzkavernen lagern lässt«, erläutert Professor Detlef Stolten vom Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-3).

Pipelines in der Länge von 42.000 Kilometer und rund 10.000 neue Wasserstoff-Tankstellen wären nötig, um 75 Prozent der Pkw-Fahrzeuge mit Wasserstoff zu versorgen. Insgesamt müssten für Elektrolyseure, Pipelines, Wasserstoff-Tankstellen und die Erschließung von Kavernen rund 61 Milliarden Euro aufgebracht werden. Verteilt über die gesamte Aufbauphase von 40 Jahren wären die jährlichen Ausgaben damit im Schnitt niedriger als die heutigen Investitionen in das Erdgasnetz: Die 633 Verteilnetzbetreiber in Deutschland haben alleine im Jahr 2013 rund 2 Milliarden Euro für den Erhalt und Ausbau des Erdgasnetzes ausgegeben.

Die Kosten für den Wasserstoff wären vergleichbar mit heutigen Kraftstoffkosten. Sie lägen – abhängig von der Vergütung des genutzten Stroms – umgerechnet nur wenige Cent pro Kilowattstunde unter oder über den heutigen Benzinpreisen. Auch in Sachen Komfort müssten Autofahrer keine Abstriche machen. Innerhalb von drei Minuten ist ein Brennstoffzellen-Pkw vollgetankt. Die Reichweite beträgt bis zu 700 Kilometer.

Investitionsbedarf für Wasserstoff-Infrastruktur
Copyright: Forschungszentrum Jülich

 

Wegbereiter für Fortschritte beim Klimaschutz

»Mithilfe von Wasserstoff als Speicher könnte man einen großen Teil der fossilen Kraftwerke durch Windkraft ersetzen«, erklärt Detlef Stolten. In ihrem Szenario gehen die Forscher von insgesamt 170 Gigawatt elektrischer Leistung onshore und 59 Gigawatt offshore im Jahr 2050 aus.

Zusammen ist das etwa die fünffache Gesamtleistung der Windkraft von 2016, was einer Verringerung der CO2-Emissionen um insgesamt 20 Prozent entspricht. Weitere 6 Prozentpunkte lassen sich durch den Ersatz konventioneller Pkw einsparen. Zugleich könnten auch die aktuell in der Diskussion stehenden Stickoxide und Feinstäube in Städten deutlich reduziert werden. Denn die Abgase von Wasserstoffautos bestehen lediglich aus Wasserdampf. Zusätzliche Einsparungen wären durch die Einführung entsprechender Busse und Kleintransporter möglich.

Niedrigere Anfangskosten

Der Investitionsbedarf für die Infrastruktur hängt in hohem Maße von den kostenintensiven Elektrolyse-Kapazitäten ab. »Für eine anfängliche Flotte von 10.000 Brennstoffzellenfahrzeugen wären zwar schon ein flächendeckendes Tankstellennetz, aber zunächst nur relativ geringe Elektrolysekapazitäten von etwa 23 MW im Jahr 2025 erforderlich«, erläutert Stolten. Denn zunächst würde nur relativ wenig Wasserstoff benötigt.

Potenzielles Wasserstoff-Pipelinenetz
Copyright: Forschungszentrum Jülich

 

Um langfristig 75 Prozent der deutschen Pkw – oder geschätzte 33 Millionen Brennstoffzellenautos – zu versorgen, wäre dagegen ungefähr die tausendfache Elektrolysekapazität mit einer elektrischen Gesamtleistung von 28 Gigawatt erforderlich. Das entspricht in etwa der Leistung von 50 Kohlekraftwerken. Die Forscher haben die Kosten im Rahmen einer technoökonomischen Studie erarbeitet und gemeinsam mit Wissenschaftlern beteiligter Institute als Beitrag für das Virtuelle Institut »Strom zu Gas und Wärme« veröffentlicht, das vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert wird.

Fachmesse IRES 2017: Pfandflasche für Wasserstoff

Auf der Fachmesse IRES 2017 präsentieren die Jülicher Forscher laufende Forschungsarbeiten zu einem neuartigen Typ von Elektrolyseur, der perfekt zu den fluktuierenden, erneuerbaren Quellen passt. Sogenannte PEM-Elektrolyseure können sich in Sekundenschnelle an abrupte Stromschwankungen anpassen. Der Gehalt an Edelmetallen ist allerdings noch relativ hoch und soll durch die Verwendung innovativer Elektrodenstrukturen reduziert werden.

Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg (IEK-11) sind ebenfalls vertreten und stellen Arbeiten zu einer Art »Pfandflasche für Wasserstoff« vor: eine organische Trägerflüssigkeit (»liquid organic hydrogen carrier«, kurz LOHC), die mehr als 650 Liter Wasserstoff pro Liter aufnehmen kann und mit der sich Wasserstoff sicher lagern und transportieren lässt.

Szenario mit regenerativem Wasserstoff für den Straßenverkehr
Copyright: Forschungszentrum Jülich

 

Originalpublikationen:
Re-energizing energy supply: Electrolytically-produced hydrogen as a flexible energy storage medium and fuel for road transport
Emonts, B.; Schiebahn, S.; Görner, K.; Lindenberger, D.; Markewitz, P.; Merten, F.; Stolten, D.
Journal of power sources 342, 320 – 326 (2017); DOI: 10.1016/j.jpowsour.2016.12.073
Emonts, B.; Grube, T.; Otto, A.; Robinius, M.; Stolten, D.: Mit Wasserstoff zur bedarfsgerechten und sauberen Energieversorgung; in: Broschüre der EnergieAgentur.NRW, Flexibilität: Eine wichtige Säule der Energiewende, 10/2016, S. 11-13
Robinius, M.: Strom- und Gasmarktdesign zur Versorgung des deutschen Straßenverkehrs mit Wasserstoff, in RWTH Aachen University. 2015: Forschungszentrum Jülich GmbH Zentralbibliothek, Verlag

Video: Umwandlungstechnologien für eine nachhaltige Energiezukunft

Länge: 2:37 min.

 

 

 

 

 


 

Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor

Der Beitrag umfasst die Zusammenfassung des SRU Gutachtens »Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor«. Berlin, November 2017.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat in seinem Sondergutachten vom 23. November die Transformation des Verkehrssektors zur Erfüllung der Klimaschutzziele vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Gesellschaft analysiert. Das Gutachten beleuchtet den Stand des Wissens zu technisch und ökonomisch sinnvollen Pfaden zu einem klimaneutralen und ressourceneffizienten Verkehrssystem. Es hat zentrale Empfehlungen zur Erreichung einer vollständigen Dekarbonisierung des Verkehrssystems erarbeitet. Nur durch eine Kombination verschiedener Strategien in den Bereichen Mobilität, Infrastruktur und Rohstoffe sowie gezielter Anreizsetzung sind die Ziele des Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutzes erreichbar.

Ziel der Bundesregierung – ebenso wie der EU – ist es, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Um dies zu erreichen, ist eine umfassende Dekarbonisierung, also ein weitest-gehender Verzicht auf die Verbrennung fossiler Energieträger, erforderlich. Dabei stehen alle Sektoren in der Pflicht, ihren Treibhausgasausstoß drastisch zu senken.

Der Verkehrssektor ist derzeit für etwa ein Fünftel der Treibhausgasemissionen Deutschlands verantwortlich. Während in anderen Sektoren seit 1990 zum Teil deutliche Emissionsminderungen erzielt wurden, sind die Emissionen des Verkehrs im gleichen Zeitraum leicht angestiegen (Abb. 1). Der größte Teil der Treibhausgasemissionen stammt dabei aus dem Straßenverkehr. Dieser trägt zudem wesentlich zur Feinstaubbelastung bei und war mit etwa 38 Prozent im Jahr 2015 Hauptemittent von anthropogenen Stickstoffoxiden (NOx), deren zulässiger Jahresbelastungshöchstwert vielerorts überschritten wird.

Verbesserungen der Fahrzeugeffizienz sind durch die gleichzeitige Zunahme der Verkehrsleistung, der Motorenleistung und des Gewichts der Fahrzeuge aufgezehrt worden. Spätestens bis zur Mitte des Jahrhunderts sollte aber auch der Verkehr nahezu vollständig treibhausgasneutral sein. Angesichts eines knappen verbleibenden Emissionsbudgets ist daher ein unverzügliches und konsequentes Umsteuern erforderlich.

Abbildung 1: Treibhausgasemissionen ausgewählter Sektoren in Deutschland (1990-2016)
In Prozent (Emissionen von 1990 = 100 Prozent)


Quelle: SRU auf Grundlage von Daten des Umweltbundesamts 2017

Ein zentrales Element eines klimagerechten und nachhaltigen Verkehrssystems muss die Verringerung des motorisierten Individualverkehrs sowie die Stärkung intelligenter und integrierter Mobilitätslösungen sein. Dabei können eine Verkehrsvermeidung und Verlagerung auf Schiene, ÖPNV, Rad- sowie Fußverkehr die Emission von Treibhausgasen und den Energieverbrauch verringern, sowie weitere Probleme des Verkehrs wie Flächenverbrauch, Lärm und Unfallrisiken berücksichtigen.

Neben der technologischen Transformation muss eine offensive Effizienzstrategie verfolgt werden: Zum einen muss die Energieeffizienz von Pkw und Lkw mit Verbrennungsmotoren verbessert werden. Ohne Effizienz-steigerung drohen die kumulierten Emissionen bereits innerhalb der nächsten 15 Jahre ein mit den Paris-Zielen zu vereinbarendes CO2-Budget für den Verkehrssektor zu übersteigen. Zum anderen müssen auch Fahrzeuge mit alternativen Antrieben möglichst energieeffizient sein, um den erforderlichen Zubau Erneuerbarer-Energien-Anlagen zu begrenzen.

 

Politische Empfehlungen für die neue Legislaturperiode

Zentrale strategische Weichen für die Verkehrswende sollten in der neuen Legislaturperiode gestellt werden. Dabei bilden der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung und das darin vorgesehene Klimaschutzkonzept Straßenverkehr einen sinnvollen Rahmen. Es ist eine konsistente Gesamtkonzeption erforderlich, die den betroffenen Akteuren Planungssicherheit bietet und damit langfristige Investitionsentscheidungen ermöglicht. Die nachfolgend skizzierten Empfehlungen stellen nach Ansicht des SRU notwendige Bausteine eines solchen Konzepts dar, wobei ein Fokus auf den Mittelstrecken- und Fernverkehren liegt.

  1. Direkte Elektrifizierung statt synthetischer Kraftstoffe

Die direkte Elektrifizierung – das heißt die Umstellung auf Elektromobilität – ist aufgrund ihres sehr hohen Wirkungsgrads besonders geeignet, die Klima- und Umweltauswirkungen des Verkehrs grundlegend zu verringern. Zudem emittieren elektrische Antriebe lokal keine Schadstoffe. Eine großflächige Nutzung strombasierter synthetischer Kraftstoffe würde aufgrund hoher Umwandlungsverluste mit einem um ein Vielfaches größeren Strombedarf einhergehen (Abb. 2). Dieser hätte nicht nur enorme ökologische, sondern auch hohe wirtschaftliche Kosten und sollte auf jene Einsatzbereiche beschränkt bleiben, in denen eine direkte Elektrifizierung technisch oder ökonomisch nicht realisierbar ist, wie etwa Teile des Luft- und Seeverkehrs. Neben dem Schienenverkehr, der bereits heute größtenteils elektrifiziert ist, eignet sich vor allem der Straßen-verkehr für direkte Elektrifizierung.

Abbildung 2: Reichweite von Pkw mit unterschiedlichen Technologien 
Bei 15 kWh Primärenergieeinsatz

Quelle: SRU auf Grundlage von KREYENBERG et al. 2015[1]

[1] Kreyenberg, et al. (2015): Erneuerbare Energien im Verkehr. Potenziale und Entwicklungsperspektiven verschiedener erneuerbarer Energieträger und Energieverbrauch der Verkehrsträger. Studie im Rahmen der Wissenschaftlichen Begleitung, Unterstützung und Beratung des BMVI in den Bereichen Verkehr und Mobilität mit besonderem Fokus auf Kraftstoffen und Antriebstechnologien sowie Energie und Klima. Berlin, Heidelberg, München/Ottobrunn, Leipzig: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, IFEU – Institut für Energie- und Umweltforschung, Ludwig-Bölkow-Systemtechnik, Deutsches Biomasseforschungszentrum.

 

Aufgrund der vielfältigen Vorteile der Elektromobilität wäre eine Strategie der Technologieneutralität im Straßenpersonenverkehr verfehlt. Eine gezielte Technologieförderung ist sinnvoll, da ein vermeintlich neutraler Regulierungsrahmen angesichts der privilegierten Ausgangslage des Verbrennungsmotors die neuen Techno-logien benachteiligen würde. Auch mit Blick auf die zu schaffenden Infrastrukturen sollten diejenigen Technologien gefördert werden, die langfristig die Einhaltung der Klimaziele gewährleisten. So wird verhindert, dass die Infrastruktur mehrfach angepasst oder parallel betrieben werden muss.

  1. Eine verstärkte Ökologisierung von Steuern und Abgaben

Das SRU spricht sich für eine verstärkte Ökologisierung des Steuersystems aus. Seit Jahren sinkt der Anteil der umweltbezogenen Steuereinnahmen, und die reale Abgabenbelastung von Kraftstoffen nimmt ab (Abb. 3). Die höhere Abgabenbelastung von Strom gegenüber fossilen Kraftstoffen hemmt die angestrebte Elektrifizierung des Verkehrs. Strom sollte daher als Energieträger im Verkehr – zumindest relativ – entlastet werden Nutzer-innen und Nutzer sollten zudem einen stärkeren Anreiz haben, ihren Stromverbrauch an den Erfordernissen eines auf erneuerbaren Energien basierenden Energiesystems auszurichten.

Generell sollte der Abbau von umweltschädlichen Subventionen ein zentrales Ziel für die neue Legislaturperiode sein. Allein im Verkehrssektor belaufen sich die umweltschädlichen Subventionen auf annähernd 30 Milliarden Euro jährlich. Dabei sind vor allem die Privilegierung von Diesel und Erdgas als Kraftstoff, die Entfernungs-pauschale sowie die niedrige pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen zu nennen.

  1. Zulassungsquote für elektrische Antriebe

Der SRU schlägt für das Jahr 2025 eine verbindliche Quote für den Anteil rein elektrischer Fahrzeuge (d. h. batterieelektrische und Brennstoffzellenfahrzeuge) an den Neuwagenzulassungen in Höhe von mindestens 25 Prozent vor. Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge sollten in dem System ebenfalls anrechenbar sein. Zudem sollte eine Erhöhung der Quote auf mindestens 50 Prozent bis 2030 bereits heute festgeschrieben werden. Dies führt zu einer zügigen Einleitung der notwendigen technologischen Transformation und ermöglicht Planungssicherheit bei Investitionen in den Markthochlauf dieser Technologien sowie in die Infrastruktur. Dieser deutliche Anstieg der Quote erscheint realistisch, da zu erwarten ist, dass sich die Elektromobilität nach dem Überwinden einer gewissen Schwelle zügig durchsetzen wird.

Abbildung 3: Aufkommen umweltbezogener Steuern
In Milliarden Euro (linke Achse), Prozent (rechte Achse)


Quelle: Umweltbundesamt auf Grundlage von Daten des Statistischen Bundesamts 2016

  1. Ambitionierte Grenzwerte und fiskalische Anreize zur Verbesserung der Fahrzeugeffizienz

Der SRU empfiehlt der Bundesregierung, sich für eine rasche Einigung auf anspruchsvolle Zielvorgaben für CO2-Flottengrenzwerte für die Jahre 2025 und 2030 einzusetzen, die auch schwere Nutzfahrzeuge einbeziehen. An die Stelle der CO2-Flottengrenzwerte sollten Flottenzielwerte für den durchschnittlichen Endenergieverbrauch treten, die mit antriebsspezifischen Mindesteffizienzvorgaben (»duale Effizienzregulierung«). Die hersteller-spezifischen Effizienzvorgaben sollten außerdem künftig nicht mehr gewichtsabhängig sein, um Anreize zur Gewichtsreduktion zu stärken. Als Ergänzung zu ordnungsrechtlichen Vorgaben auf europäischer Ebene empfiehlt der SRU eine Stärkung fiskalischer Effizienzanreize, um die Robustheit der Effizienzregulierung zu verbessern und die Flottenerneuerung zu beschleunigen.

  1. Streckenabhängige Pkw-Maut

Zukünftig können Mautsysteme auch als wichtiges Steuerungsinstrument für die Verkehrsverlagerung, -vermeidung und -lenkung sowie zur Effizienzverbesserung und Flottenerneuerung dienen. Um die Kosten-wahrheit im Verkehr zu fördern und CO2-Emissionen zu vermindern, sollte die in der letzten Legislaturperiode beschlossene Pkw-Maut zu einer streckenabhängigen Maut fortentwickelt werden. Dies ist insbesondere angesichts einer zu erwartenden Verbreitung autonomer Fahrzeuge geboten, um unnötige Leerfahrten zu vermeiden, einen weiteren Anstieg der Beförderungsleistung zu verhindern und finanzielle Anreize für die Nutzung autonomer Fahrzeuge in Kombination mit dem ÖPNV zu setzen. Die weitere Ausdifferenzierung einer solchen Maut nach ökologischen oder verkehrstechnischen Kriterien kann sinnvoll sein, muss aber im Hinblick auf Datenschutz, Erhebungsaufwand und Verbraucherschutz abgewogen werden.

  1. Ausbau der Energieversorgungsinfrastruktur

Um die Marktdurchdringung elektrischer Antriebe zu fördern, muss zügig eine bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur aufgebaut werden. Das derzeitige Programm des Bundes, das 300 Millionen Euro in der Förderperiode 2017 bis 2020 bereitstellt, sollte daher fortgeführt und erweitert werden. Da ungefähr 85 Prozent aller Ladevorgänge im privaten Bereich stattfinden, sollten bindende Vorgaben für die Bereitstellung von Ladeinfrastrukturen bei Neubauten auf EU-Ebene gemacht werden. Anpassungen im Bau-, Wohneigentums- und Mietrecht sind notwendig. Private Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sollten verpflichtet werden, Ladeinfrastruktur auf ihren Firmenparkplätzen bereitzustellen. Oberleitungen sind eine technisch umsetzbare Option, um im Fernverkehr mit schweren Lkw, der für circa 80 Prozent der CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr verantwortlich ist, die Wirkungsgradvorzüge der direkten Elektrifizierung zu nutzen.

  1. Gewinnung und Kreislaufführung benötigter Rohstoffe

Verarbeitung und Gewinnung von Rohstoffen wie Lithium und Seltenen Erden für die Verkehrswende müssen mittelfristig internationalen Umwelt- und Sozialstandards genügen. Die Bundesregierung sollte dazu Instrumente wie Rohstoffpartnerschaften, Zertifizierung und internationale Zusammenarbeit deutlich ausbauen. Zudem sollte sie auf der nationalen und europäischen Ebene den Aufbau eines Rohstoffinventars forcieren, damit Forschungsbedarf, der Aufbau von Recyclingstrukturen und erwartbare Sekundärrohstoffmengen langfristig geplant und abgeschätzt werden können.

Die Begriffe Recycling und stoffliche Verwertung sind mit dem Anspruch »gleicher oder höherwertiger Einsatz« klar zu definieren, in den relevanten Gesetzes- und Verordnungstexten zu verankern und auf den Verkehrssektor, etwa bei der Zulassung neuer Fahrzeugtypen, anzuwenden. Die Altfahrzeug- und die Batterie-Richtlinie sollten ebenfalls entsprechend angepasst werden.

  1. Fortentwicklung der Verkehrsinfrastrukturplanung zu einer Bundesmobilitätsplanung

Die Auswahl der (Aus-)Bauprojekte erfolgt bisher im Wesentlichen auf Nutzen-Kosten-Bewertungen, obwohl die Vergleichbarkeit dieser Analysen über verschiedene Projektarten und Verkehrsträger methodisch nur eingeschränkt möglich ist. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 verfehlte zudem elf der zwölf von der Bundes-regierung aufgestellten Umweltziele.

Der SRU empfiehlt, die Bundesverkehrswegeplanung zu einer integrierten Bundesmobilitätsplanung fortzuentwickeln, die alle überregionalen Verkehrsträger (Straße, Schiene, Schiff, Luftverkehr) umfasst, einschließlich einer konsistenten bundesweiten Flughafenplanung. Dies erfordert eine Abkehr von der rein nachfrageseitigen Begründung der Verkehrsplanung, hin zu einer integrierten Raum- und Verkehrsplanung. Diese sollte – unter der Voraussetzung eines leistungsfähigen Verkehrssystems – anstreben, die Verkehrsleistung zu verringern und die Umwelt- und Gesundheitswirkungen des Verkehrs unter Beibehaltung der erforderlichen Mobilität zu minimieren.

  1. Behutsame Reform des Personenbeförderungsgesetzes

Im ländlichen Raum ist die Mobilität durch den Linienverkehr vielfach kaum gewährleistet, selbst ein verlässlicher Taxiverkehr ist in manchen Regionen nicht mehr wirtschaftlich. Als Antwort darauf entstehen flexible, teils App-basierte Bedienformen und ehrenamtliche Angebote, die allerdings vor genehmigungs-rechtlichen Hürden stehen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass eine Deregulierung den bestehenden ÖPNV gerade in der Stadt schwächt. Der SRU spricht sich deshalb für einen Mittelweg aus: Neue, innovative Angebote sollten in die bestehenden Nahverkehrspläne eingebunden werden. Außerdem sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass klassische flexible Bedienformen, wie zum Beispiel Rufbusse, sicher genehmigungsfähig sind.

  1. Emissionsminderungen in der Seeschifffahrt

Langfristig sollten im Schiffsverkehr synthetische Energieträger auf Basis erneuerbarer Energien eingesetzt werden. Bereits heute besteht technisch die Möglichkeit, Schiffsantriebe auf fossiles Erdgas (Liquified Natural Gas – LNG) umzustellen und damit den Ausstoß von Schadstoffen stark zu senken. Sukzessive kann fossiles durch regenerativ erzeugtes Gas ersetzt werden.

Treibhausgasminderungsziele sollten mit dem Ziel einer vollständigen Dekarbonisierung bis 2050 im Rahmen der International Maritime Organization (IMO) angestrebt werden. Europäische Initiativen zur Minderung von Schadstoffemissionen im Seeverkehr haben gezeigt, dass Europa eine Vorreiterrolle spielen und die Regelungen der IMO beeinflussen kann. Der Environmental Ship Index sollte weiterentwickelt und stärker auf den Klimaschutz ausgerichtet werden. Auf nationaler Ebene empfiehlt der SRU eine Abschaffung der steuerlichen Privilegierung von Schiffskraftstoffen als ersten Schritt hin zu mehr Kostenwahrheit.

  1. Stärkung des Klimaschutzes im Luftverkehr

Die klimaneutrale Ausgestaltung des Luftverkehrs erfordert Maßnahmen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene. International sollte kurzfristig CORSIA, das marktbasierte Instrument zur Reduktion der Treibhausgaswirkungen des Luftverkehrs, anspruchsvoller ausgestaltet werden. Auf der europäischen Ebene sollten die Reduktionsziele für den Luftverkehr im Rahmen des EU-Emissionshandels verschärft und die Nicht-CO2-Effekte berücksichtigt werden. Außerdem sollte die europäische Mehrwertsteuerrichtlinie geändert werden, um grenzüberschreitende gewerbliche Flüge mehrwertsteuerpflichtig zu machen.

Auf der nationalen Ebene ist es nötig, die Subventionierung des Luftverkehrs abzubauen, indem Kerosin besteuert wird. Der Ausschluss der Kerosinbesteuerung in bestehenden bilateralen Luftverkehrsabkommen sollte revidiert werden. Sinnvoll wäre es zudem, die Luftverkehrsteuer weiterzuentwickeln und sie nach Klimawirkung differenziert auszugestalten.

  1. Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien

Die mit dem EEG 2017 angestrebten Zubauraten sind für eine Umstellung der Energiebasis auf erneuerbaren Strom im Verkehr und weiteren Verbrauchssektoren nicht ausreichend. Der zukünftige Zubaukorridor sollte sich dabei proaktiv an Stromverbrauchsszenarien orientieren, denen anspruchsvolle Klimaziele und die daraus resultierende Elektrifizierung der Verbrauchssektoren zugrunde liegen. Neben einer Anpassung der kurz- und mittelfristigen Zubauraten sind auch die langfristigen 2050-Ziele für den Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieversorgung insgesamt (60 Prozent) und am Strommix (80 Prozent) deutlich zu niedrig. Letztlich muss die Energieversorgung spätestens bis zur Mitte des Jahrhunderts nahezu vollständig auf erneuerbaren Energien beruhen.

 

Wegweiser für die Transformation

Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung hat sich für den Verkehrssektor das ambitionierte Zwischenziel einer Treibhausgasminderung von 40 bis 42 Prozent bis zum Jahr 2030 gesetzt. Angesichts des damit einhergehenden verbleibenden Emissionsbudgets ist ein unverzügliches und konsequentes Umsteuern erforderlich. Eine innovative und nachhaltige Verkehrspolitik ist jedoch nicht nur ein umwelt- und klimapolitisches Gebot, sondern auch eine zentrale Bedingung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Durch alternative Antriebstechnologien und -kraftstoffe lassen sich neue Märkte erschließen, eine höhere Wertschöpfung erzielen und Arbeitsplätze schaffen.

Das Gutachten des Sachverständigenrats zeigt hierfür sowohl technisch als auch ökonomisch sinnvolle Pfade auf, die der zukünftigen Regierung Orientierung geben können. Die aktuelle Phase der Regierungsbildung bietet hierbei eine gute Möglichkeit, Mut zu zeigen und die notwendige Transformation im Verkehrssektor zügig und offensiv zu gestalten.

Fußnoten

[1] Kreyenberg, et al. (2015): Erneuerbare Energien im Verkehr. Potenziale und Entwicklungsperspektiven verschiedener erneuerbarer Energieträger und Energieverbrauch der Verkehrsträger. Studie im Rahmen der Wissenschaftlichen Begleitung, Unterstützung und Beratung des BMVI in den Bereichen Verkehr und Mobilität mit besonderem Fokus auf Kraftstoffen und Antriebstechnologien sowie Energie und Klima. Berlin, Heidelberg, München/Ottobrunn, Leipzig: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, IFEU – Institut für Energie- und Umweltforschung, Ludwig-Bölkow-Systemtechnik, Deutsches Biomasseforschungszentrum.

 

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