Weniger Arbeitsplätze durch die fortschreitende Digitalisierung in Unternehmen – davon ist in Deutschland bislang nichts zu spüren. In einer aktuellen Studie widerlegt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die oft zitierte These, dass es durch den digitalen Wandel flächendeckend zu einem Abbau von Arbeitsplätzen kommt.
Daten aus dem IW-Personalpanel zeigen: Stark digitalisierte Firmen – sogenannte Unternehmen 4.0 – haben ihre Belegschaften häufiger vergrößert als die weniger digitalisierten Unternehmen. Allerdings bleibt offen, ob tatsächlich die Digitalisierung für den Beschäftigungsaufbau verantwortlich ist. Auch die sektorale Beschäftigungsentwicklung einer Branche steht in keinem eindeutigen Zusammenhang mit dem Stand des digitalen Transformationsprozesses: Während zum Beispiel in der Informationswirtschaft Digitalisierungsgrad und Beschäftigung gleichermaßen gestiegen sind, ist die Beschäftigung im Banken- und Versicherungsgewerbe trotz eines fortschreitenden Digitalisierungsprozesses gesunken. Ganz ähnlich ist der Befund auf Berufsebene: Zwar werden in Berufsgruppen mit hohem Automatisierungsgrad wie dem Verarbeitenden Gewerbe weniger Beschäftigte eingestellt, jedoch ist das eher die Folge des Fachkräftemangels und weniger einer sinkenden Nachfrage nach Arbeitnehmern aufgrund von Automatisierungsprozessen.
Die IW-Untersuchung zeigt, dass sich kein einheitlicher Trend am Arbeitsmarkt in Deutschland beobachten lässt, da sich hinter dem Begriff Digitalisierung verschiedene Phänomene verbergen. »Der digitale Wandel ist kein Tsunami, sondern menschengemacht und eine Gestaltungsaufgabe«, sagt IW-Arbeitsmarktexperte Oliver Stettes. Die Politik kann die Unternehmen unterstützen, indem sie ihnen Flexibilität ermöglicht und Anreize dafür bietet, Beschäftigung zu erhalten oder neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Oliver Stettes: Keine Angst vor Robotern – Beschäftigungseffekte der Digitalisierung
Zusammenfassung
Welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Beschäftigungsentwicklung haben wird, bleibt eine offene Frage. Dies ist das Ergebnis der vorliegenden empirischen Analyse. Ein systematischer Trend ist weder auf Unternehmens- oder Branchenebene noch auf Berufsebene feststellbar. Zumindest lässt sich konstatieren, dass sich keinerlei Belege für die populäre Hypothese finden, dass die Digitalisierung zu einem massiven Beschäftigungsabbau führen wird.
Auswertungen mit dem IW-Personalpanel signalisieren, dass zwar der Anteil der stark digitalisierten Unternehmen 4.0, die in den letzten Jahren Beschäftigung aufgebaut haben – zum Beispiel gut 50 Prozent in den Jahren 2014 bis 2016 – beziehungsweise einen Beschäftigungsaufbau im laufenden Kalenderjahr planten – zum Beispiel knapp 32 Prozent in 2017, gegenüber den entsprechenden Anteilen der relativ gering digitalisierten Unternehmen 3.0 (knapp 40 Prozent realisierter und gut 21 Prozent geplanter Beschäftigungsaufbau) größer ist. Allerdings sind die Anteilswertunterschiede nicht auf den unterschiedlichen Digitalisierungsgrad zurückzuführen.
Auch die sektorale Beschäftigungsentwicklung vollzieht sich uneinheitlich und steht in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem Stand des digitalen Transformationsprozesses in einer Branche. Während zum Beispiel in der Informationswirtschaft und bei den wirtschaftsnahen Dienstleistern Digitalisierungsgrad und Beschäftigung gleichermaßen gestiegen sind, ist die Beschäftigung im Bereich des Banken- und Versicherungsgewerbes trotz eines fortschreitenden Digitalisierungsprozesses gesunken. Die Anzahl der Beschäftigten ist aber auch im Bereich Verkehr und Logistik beziehungsweise Gesundheitswesen stark angestiegen. In beiden Sektoren war zuletzt keine Beschleunigung des Transformationsprozesses zu beobachten.
Auch auf Berufsebene ist wenig davon zu sehen, dass sich die Digitalisierung auf die Beschäftigungsperspektiven der Berufsgruppen negativ auswirkt, denen ein hohes Automatisierungsrisiko unterstellt wird. Automatisierungsrisiko und Beschäftigungswachstum korrelieren zwar insgesamt und auf den vier Anforderungsniveaus (Helfer, Fachkraft, Spezialist und Experte) negativ. Allerdings verbirgt die negative Korrelation, dass die Beschäftigung in fast allen Berufshauptgruppen-Anforderungsniveau-Kombinationen zugenommen hat. Darüber hinaus ist sie in vielen Fällen auch die Folge von Angebotsengpässen und weniger auf eine sinkende Nachfrage aufgrund von Automatisierungsprozessen zurückzuführen.
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