Klimawandel: Experten prognostizieren mehr Lieferkettenunterbrechungen und höhere Transportpreise

Dürren wie aktuell in Panama führen zu Lieferverzögerungen und treiben Logistikkosten nach oben. SCM-Fachleute raten Politik und Unternehmen zügig Vorkehrungen zu treffen – unter anderem bei Infrastrukturprojekten.

Frachtschiff auf dem Panamakanal im Jahr 2022: Aktuell stauen sich auf beiden Seiten der Wasserstraße Schiffe, die nur mit Verzögerung durch den Kanal fahren dürfen. Foto: Brian J. Tromp / unsplash

 

Lieferverzögerungen, Warenengpässe, höhere Sicherheitsbestände, wachsende Logistikkosten: Der Klimawandel wird künftig zu mehr Lieferkettenstörungen und negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft als bisher führen. Das prognostizieren anlässlich der aktuellen Durchfahrtbeschränkungen für Schiffe im Panamakanal die SCM-Experten des Bochumer Softwarehauses Setlog. Auch wenn die Situation in Mittelamerika keine spürbaren Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft hat, raten die Fachleute der Politik und Unternehmen, Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen – zum Beispiel für den Rohstoff- und Warentransport auf Wasserstraßen bei Niedrigwasser.

Hintergrund: Aktuell stauen sich Dutzende Frachtschiffe an beiden Seiten des Panamakanals, da wegen einer langen Dürre in Mittelamerika Wasser für die Schleusenprozesse aller wartenden Schiffe fehlt. Die zuständige Behörde beschränkte daher von Ende Juli bis Anfang September die täglichen Durchfahrten auf 32 Schiffe. Normalerweise dürfen jeden Tag 36 Frachter die Wasserstraße befahren. Der Tiefgang ist auf 13,41 Meter beschränkt. Die Folge: Es bilden sich Staus, Medien berichten von Wartezeiten von bis zu drei Wochen.

Für jede Schiffsdurchfahrt werden laut Fachleuten für die zwölf Schleusen im 80 Kilometer langen Kanal insgesamt 200 Millionen Liter Wasser benötigt. Weil es in der Region rund um den Gatunsee, der unter anderem die Schleusen mit Wasser speist, dieses Jahr aber nur halb so viel regnete als normalerweise, entschlossen sich die Kanalbehörde Panamas zu den Maßnahmen.

Die Wasserstraße spielt für die Versorgung der US-amerikanischen Wirtschaft eine wichtige Rolle. Daher schlugen einige Unternehmen bereits Alarm, weil sowohl die Preise für Container als auch die Transportpreise für bestimmte Relationen auf dem Spotmarkt steigen. Das kann auch Setlogs Kooperationspartner Shippeo bestätigen. Da aktuell keine Hochsaison ist und genug Kapazitäten zur Verfügung stehen, gehen die Pariser Transportverfolgungsexperten davon aus, dass viele Firmen, die noch Zeit für Lieferungen haben, das Problem umschiffen werden. Sie ändern Transportrouten und Verkehrsträger.

Das kann auch Setlog-Vorstandsmitglied Ralf Düster bestätigen, nachdem er die Warenströme von US-amerikanischen Kunden in der SCM-Software OSCA ausgewertet hat: Rund 20 Prozent des Volumens, das ursprünglich an der Ostküste entladen werden sollte, wurde an die Westküste umgebucht – vor allem auf die großen Häfen von Long Beach und Los Angeles. Von dort geht es dann per Bahn oder Lkw in Richtung Osten oder, wenn die Flexibilität besteht, in andere Distributionslager. Dabei handelt es sich vorwiegend um Konsumgüter. Auf Deutschland hingegen haben der Stau im Panamakanal und seine Folgen laut Düster so gut wie keine Auswirkungen: »Nicht einmal zwei Prozent des Exports aus den deutschen Häfen sind für die Pazifikküste in Nord- und Südamerika bestimmt«, so Düster.

Er nimmt den Stresstest für die Logistikketten in Panama aber zum Anlass, Politik und Unternehmen darauf aufmerksam zu machen, dass Extremwetterereignisse wie Dürren oder Stürme die Supply Chains künftig öfter und heftiger als bisher stören werden. »Der Klimawandel ist in der Logistik angekommen. Die Prognosen der Klimaforscher zeigen, dass es höchste Zeit für Politik und Firmen ist, Vorkehrungen zu treffen«, betont Düster.

In Deutschland muss man sich Düster zufolge vermehrt auf Niedrigwassersituationen in der Binnenschifffahrt einstellen. Besonders im Fokus der Politik müsse beispielsweise der Rhein stehen. Allein in Duisburg, Europas größtem Binnenhafen, wurden 2022 rund 42 Millionen Tonnen Fracht umgeschlagen. Düster erinnert in diesem Zusammenhang an die schwierigen Situationen im Rhein in den Sommern 2018 und 2022. Zwar werden hierzulande nur fünf Prozent der Güter per Binnenschiff transportiert. »Aber Analysen des Kiel Institut für Weltwirtschaft zu den Folgen niedriger Rheinpegel haben gezeigt, dass die Industrieproduktion in Deutschland in einem Monat mit 30 Tagen Niedrigwasser um rund ein Prozent ‎sinkt. Für einige Branchen, etwa die Chemieindustrie, ist die Versorgung per Binnenschiff existenziell«, führt er an.

Unternehmen rät er, zum einen auf die Digitalisierung der Lieferketten zu setzen, zum anderen auch Transportalternativen wie die Landbrücke, also die Umladung von Waren von Schiff auf Bahn oder Lkw, als Alternative in der Hinterhand zu halten. Seiner Ansicht nach müssen auch innovative Schiffe eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang verweist er auf das im Mai 2023 in von der BASF in Betrieb genommenen Schiff »Stolt Ludwigshafen«, das selbst bei extremem Niedrigwasser den Rhein passieren kann.

Damit die Wirtschaft ohne Bedenken weiter auf das Binnenschiff setzen kann, ist Düster zufolge die Politik angehalten, die Forderungen aus den Firmen zügig umzusetzen – vor allem die Verbesserung der Wasserstands-Vorhersagen sowie die Bereitstellung von aktuellen Tiefendaten, die Prüfung wasserbaulicher Alternativen und die Optimierung von Abladestellen am Mittel- und Niederrhein.

 


 

Wie beeinflusst der Klimawandel die Lieferketten?

Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Er hat nicht nur Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die Wirtschaft und die Gesellschaft. Eine der Bereiche, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, sind die Lieferketten.

Lieferketten sind die Netzwerke von Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen von der Herstellung bis zum Verbrauch bereitstellen. Sie umfassen verschiedene Aktivitäten wie Beschaffung, Produktion, Lagerung, Transport, Distribution und Verkauf. Lieferketten sind abhängig von verschiedenen Faktoren wie Rohstoffen, Energie, Infrastruktur, Logistik, Nachfrage und Regulierung.

Der Klimawandel kann diese Faktoren auf verschiedene Weise beeinflussen. Zum Beispiel kann er zu extremen Wetterereignissen wie Dürren, Überschwemmungen, Stürmen oder Hitzewellen führen, die die Verfügbarkeit und Qualität von Rohstoffen und Energie reduzieren, die Infrastruktur beschädigen, den Transport verzögern oder unterbrechen und die Nachfrage verändern können. Der Klimawandel kann auch zu langfristigen Veränderungen wie steigendem Meeresspiegel, schmelzenden Gletschern, veränderten Niederschlagsmustern oder Verschiebungen von Ökosystemen führen, die die Produktivität und Rentabilität von Lieferketten beeinträchtigen können.

Um sich an den Klimawandel anzupassen und ihn zu mildern, müssen Lieferketten resilienter und nachhaltiger werden. Das bedeutet, dass sie in der Lage sein müssen, Störungen zu vermeiden oder zu bewältigen, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren oder zu kompensieren und ihren ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Dazu können verschiedene Strategien angewendet werden, wie zum Beispiel:

– Die Diversifizierung der Lieferquellen und -wege, um das Risiko von Engpässen oder Ausfällen zu verringern.
– Die Erhöhung der Flexibilität und Agilität der Lieferketten, um auf unvorhersehbare Veränderungen reagieren zu können.
– Die Nutzung von digitalen Technologien wie Big Data, künstlicher Intelligenz oder Blockchain, um die Transparenz, Effizienz und Zusammenarbeit in den Lieferketten zu verbessern.
– Die Förderung von Innovationen und Best Practices in den Bereichen Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Kreislaufwirtschaft oder grüne Logistik.
– Die Einbeziehung von Stakeholdern wie Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern oder Regulierungsbehörden in die Planung und Umsetzung von klimafreundlichen Maßnahmen.

Der Klimawandel ist eine Realität, der sich niemand entziehen kann. Er stellt eine Bedrohung für die Stabilität und das Wachstum der Lieferketten dar. Aber er bietet auch eine Chance für Innovation und Transformation. Indem wir unsere Lieferketten an den Klimawandel anpassen und ihn bekämpfen, können wir nicht nur unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren Erfolg sichern, sondern auch einen positiven Beitrag für die Umwelt und die Gesellschaft leisten.