»Pink Pandemic« – Auswirkungen und Chancen der Pandemie für Frauen und ihre Karriere

Illustration: Absmeier, Maura Ibu

Sommerzeit ist Ferienzeit. Die meisten Berufstätigen freuen sich schon auf den Sommerurlaub. Die langen Schulferien stellen Eltern jedoch jedes Jahr vor die Herausforderung, die Kinder auch während der Urlaubszeit zu betreuen. Denn kaum ein Arbeitnehmer kann in dieser gesamten Zeit frei nehmen. Berufstätige Frauen sind von dieser Problematik besonders stark betroffen. Dieses Ungleichgewicht wurde durch die Pandemie noch verstärkt. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) übernehmen Männer in rund 75 Prozent der Paarhaushalte weniger als die Hälfte der sogenannten Sorgearbeit – Haushalt und Kinderbetreuung(i). Der Anteil der Familien, in denen die Mütter alles übernehmen, verdoppelte sich im ersten Lockdown sogar(ii). Viele Frauen stellen ihr bisheriges Berufsmodell in Frage. Laut einer Deloitte-Studie(iii) mit 5.000 Frauen gaben 77 % der Befragten an, dass ihre aktuelle Arbeitsbelastung zugenommen habe. 51 % sind skeptisch, was ihre Karriereaussichten angeht. Weniger als die Hälfte der Frauen ist mit ihrer aktuellen Arbeitssituation zufrieden. Fast 60 % der Frauen planen, ihren derzeitigen Job innerhalb von zwei Jahren aufzugeben, 21 % bereits früher.

 

Skillsoft hat die Auswirkungen der Pandemie auf berufstätige Frauen in zwei Dokumentationen(iv) sowie einer Blog-Serie und Podcasts unter dem Überbegriff »Pink Pandemic« zusammengefasst. Auf Basis von Studien, Diskussionen und der Analyse von Fallbeispielen zeigt die Serie auch auf, welche Chancen sich aus den pandemiebedingten Veränderungen ergeben und mit welchen Ansätzen die Berufstätigen selbst, aber auch Unternehmen daran arbeiten können, mehr Chancengleichheit und damit eine heterogene, fähige und geschlechterspezifisch ausbalancierte Belegschaft aufzubauen.

 

Soziale und wirtschaftliche Folgen

In einer ersten Dokumentation untersuchte Skillsoft 2021, warum und in welchen Bereichen besonders berufstätige Frauen von den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie betroffen sind. Nach zwei Jahren Pandemie ergeben sich nun neue Erkenntnisse: In Europa verloren zahlreiche Frauen einen Teil ihrer finanziellen Unabhängigkeit. Etwa jede fünfte Frau gibt an, dass die Pandemie sie entweder viel (7 %) oder etwas mehr (12 %) finanziell abhängiger von ihrem Partner, Verwandten oder Freunden gemacht hat. Langzeitfolgen werden sich auch in der Rente der Betroffenen spiegeln. In anderen Teilen der Welt waren die Folgen sogar noch gravierender(v).

Für das zweite Whitepaper hat Skillsoft nicht nur Studien und Expertenmeinungen berücksichtigt, sondern auch viele Einzelschicksale von Frauen dokumentiert, um aus ihren Erfahrungen Rückschlüsse zu ziehen. Dabei wurden Frauen aus unterschiedlichen Ländern und beruflichen Positionen befragt – eine leitende Software-Entwicklerin, die vom Home Office aus einen Produkt-Launch und die Betreuung eines zweijährigen Kindes jonglieren musste, eine Gastronomiefachkraft, deren Arbeitsplatz eine ganze Familie ernährt oder eine Medizinerin deren Arbeitsumfeld sich drastisch veränderte.

 

Umbruch als Chance

Es gibt einige positive Effekte der Pandemie auf die Arbeitswelt. Beispielsweise brachte sie einige soziale Ungerechtigkeiten ans Licht und lenkte die Aufmerksamkeit von Unternehmen auf diese Situation. Gleichzeitig gibt es auch Beispiele, die zeigen, wie Frauen die Situation der letzten Jahre als Chance genutzt haben, ihre Karrieren zu überdenken. Ob es eine Bankberaterin ist, die ihr Hobby zum Beruf gemacht hat als sie im Lockdown die Gelegenheit hatte zu reflektieren, oder eine CMO, die auf diese Weise erkannt hat, dass eine Managementposition gar nicht das ist, was sie gerade möchte. Wir werden heute meist von Beginn unserer Karriere an ermutigt, härter zu arbeiten und in höhere Positionen aufzusteigen. Wer sagt aber, dass diese Stoßrichtung für jeden die passende ist? Vielleicht passt eine horizontale Weiterentwicklung je nach Lebensphase, Interesse und Priorität besser zum eigenen Lebensmodell. Das gilt nicht nur für Frauen.

 

Vier Ansatzpunkte für mehr Chancengleichheit

Es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Gleichstellung in vielen Unternehmen verbessert. Dabei überrascht es nicht, dass dieser Trend am häufigsten bei Organisationen zu beobachten ist, in denen Frauen Teil der Führungsebene sind. Frauen, die für Unternehmen arbeiten, bei denen Chancengleichheit einen hohen Stellenwert hat, erleben eine verbesserte Produktivität, psychisches und physisches Wohlbefinden, Arbeitszufriedenheit, integratives Verhalten und Loyalität gegenüber ihren Arbeitgebern. Es liegt auf der Hand, dass dies eine Win-Win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer schafft.

 

Fähigkeiten und Verbindungen

Unabhängig von der aktuellen Arbeitssituation oder einer Auszeit ist es heute besonders wichtig, Fähigkeiten und Kompetenzen weiterzuentwickeln, aktuelle Anforderungen zu beobachten und eine agile Denkweise an den Tag zu legen. Zum Beispiel ist im Zuge der Digitalisierung heute fast jedes Unternehmen ein Technologieunternehmen. Es lohnt sich also für alle Mitarbeiter, technische Fähigkeiten aufzubauen, die gleichzeitig den aktuellen und zukünftigen Unternehmensanforderungen nutzen sowie auch der eigenen Karriere. Eine wachstumsorientierte Denkweise und der Aufbau von Kompetenzen haben damit einen doppelten Nutzen. Daneben ist auch der Wert einer guten Vernetzung nicht zu unterschätzen. Gerade in Zeiten des Umbruchs ist es wichtig, Verbindungen aufzubauen und zu pflegen. Das gilt im Privaten durch Freunde und Familie genauso wie im Karriereumfeld mit Kollegen und Mentoren.

 

Allianzen für Veränderungen

Ein wichtiger Erfolgsfaktor, um Veränderungen herbeizuführen, ist es Verbündete ins Boot zu holen. Das können Kollegen (m/w/d) genauso sein wie Vorgesetzte oder externe ExpertInnen. Die Umsetzung von Veränderungen benötigt drei Säulen: Sensibilisierung, Interessenvertretung und Aktion. Im Zuge der Sensibilisierung sollte jeder auch am persönlichen Bewusstsein arbeiten und nach Möglichkeiten suchen, implizite oder unbewusste Vorurteile zu verstehen und zu hinterfragen. Als zweites gilt es, die Stimme zu erheben, um andere zu vertreten und zu beeinflussen. Beispielsweise können sich Vorgesetzte oder jeder angesehene, einflussreiche Mitarbeitende gezielt gegen Missverständnisse und negatives Mikroverhalten aussprechen, statt einfach darüber hinwegzusehen und es damit zu befähigen. Im Bereich Aktion gilt es dann konkrete Initiativen, wie Förderprogramme, umzusetzen.

 

Aktive Förderung

Unternehmen sollten nicht nur Verantwortung für ungerechte Folgen der Pandemie auf Frauen oder bestimmte Mitarbeitergruppen übernehmen und gegensteuern. Eine langfristige, nachhaltige Förderung für die Entwicklung und Karriere von Frauen wird heute auch immer mehr zu einer Notwendigkeit für den Unternehmenserfolg. Laut McKinsey zeigen Untersuchungen, dass Unternehmensumsätze und die Aktienperformance um fast 50 Prozent höher sein können, wenn Frauen an der Spitze gut vertreten sind. Organisationen sollten sich auf drei Schlüsselbereiche konzentrieren: Ermächtigung oder »Empowerment«, Befähigung und Engagement. Empowerment sichert die Förderung von Frauen in der Arbeitswelt. Dabei ist es wichtig, dass die vorhandenen Machtstrukturen Vielfalt unterstützen und nicht unterdrücken. Ein weiterer Ansatz ist die gezielte Investition in Qualifizierungen, Umschulungen und die Weiterentwicklung von Frauen in Unternehmen. Zudem sollten Organisationen die Leistungen für die Belegschaft überprüfen und wichtige Ressourcen wie Gesundheitsversorgung, flexible Arbeitszeiten und Unterstützung für Kinderbetreuung oder Altenpflege stärken.

 

Gleichberechtigung und soziale Verantwortung

Unabhängig davon, ob das Ziel darin besteht, die Auswirkungen der »Pink Pandemic« anzugehen oder in Zukunft Gerechtigkeit und Gleichberechtigung für Frauen zu erreichen, hat die Gesellschaft gegenüber der Hälfte ihrer Bevölkerung und Wähler die Verantwortung, endlich das Feld zu ebnen. Dabei sind drei Schlüsselelemente zu beachten: Status, Unterstützung und Nachhaltigkeit. Das beginnt damit, Frauen ein Mitbestimmungsrecht auf den entscheidenden Ebenen zu ermöglichen, wenn Entscheidungen getroffen werden. Die Gesellschaft muss zudem Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten unterstützen und die Gleichberechtigung in Unternehmungen gesetzlich garantieren und schützen. Wichtig ist auch, dass die Fortschritte dauerhaft und nachhaltig sind, damit zukünftige Generationen davon profitieren.

»Laut Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums (vi) wird es bei unserem derzeitigen Kurs fast 136 Jahre dauern, um die geschlechtsspezifische Kluft weltweit zu schließen. Das ist nicht hinnehmbar« findet Agata Nowakowska, AVP EMEA von Skillsoft. »Um die ›Pink Pandemic‹ umzukehren, müssen Organisationen und Gesellschaften sowie die Betroffenen zusammenarbeiten und zunächst die aktuelle Herausforderung erkennen. Dann sollten sie sinnvolle Pläne formulieren und umsetzen, um echte Veränderungen herbeizuführen. Die verstärkte geschlechtsspezifische Kluft in Organisationen wird sich nicht von selbst lösen. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um Frauen dabei zu helfen, neue – und alte – geschlechtsspezifische Vorurteile zu überwinden. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass Frauen nicht die einzigen sind, die von einer verbesserten Gleichstellung der Geschlechter profitieren. Organisationen, Branchen und ganze Nationen werden messbar stärker, gesünder, sicherer und erfolgreicher, wenn Frauen die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben.«

 

Weitere Informationen und Ressourcen zu diesem Thema bietet der Skillsoft Podcast »The Edge« mit drei Folgen zur »Pink Pandemic« sowie eine Blog-Serie und zwei Skillsoft 360-Reports.
i)https://www.diw.de/de/diw_01.c.836605.de/das_bisschen_haushalt_____weniger_sorgearbeit_steigert_erwerbsbeteiligung_von_frauen.html
ii) https://www.diw.de/de/diw_01.c.812230.de/publikationen/wochenberichte/2021_09_1/sorgearbeit_waehrend_der_corona-pandemie__muetter_uebernehme___n_anteil_____vor_allem_bei_schon_zuvor_ungleicher_aufteilung.html
iii) Deloitte Global report: Pandemic takes heavy toll on working women; majority are significantly less optimistic about their career prospects today | Deloitte Global | Press Release
iv) https://s3.us-east-1.amazonaws.com/skillsoft.com/prod/documents/resources/SKS_Many_Shades_360_Report.pdf
v) https://europa.eu/eurobarometer/surveys/detail/2712
vi) https://www.weforum.org/reports/global-gender-gap-report-2021