Trend: Rechtzeitig auf den Durchbruch des Metaverse vorbereiten – Fünf Dinge, die Unternehmen darüber wissen sollten

Gucci, Adidas und andere Konsumgüter-Marken sind gerade auf den Zug aufgesprungen. Finanzdienstleister und Versicherungen überlegen bereits, was das Metaverse für ihr Geschäft bedeutet. JPMorgan und Citi prognostizieren dem Trend immenses finanzielles Potenzial. Was müssen Unternehmen und insbesondere IT-Entscheider also wissen, um die Weichen zu stellen, damit auch ihr Unternehmen davon profitieren könnte?

Den Ritterschlag hat das Metaverse schon erhalten: Der alljährliche »Hype Cycle« des Marktforschungsunternehmens Gartner sieht das dreidimensional erlebbare Internet derzeit im Steigflug – allerdings mit einer langfristigen Perspektive von etwa zehn Jahren. Die Prognose der Finanzanalysten bewegt sich in einem ähnlich weit gesteckten Rahmen: Bis 2030, so eine Citi-Studie, wird der Markt für Produkte und Services im Metaverse rund 13 Billionen Dollar umfassen [1]. Die »Generation Z« und die nachfolgende »Gen Alpha« betrachten das Metaverse schon als dritten Lebensraum – neben zu Hause und Schule/Beruf. Und das sind auch die Gründe, warum sich Unternehmen bereits heute damit auseinandersetzen sollten. Diese fünf Faktoren sollten sie kennen:

 

1. Das Metaverse ist keine Raketenwissenschaft

Entstanden ist die Idee, das Internet als eine dreidimensionale Erweiterung der Realität auszugestalten, im Umfeld der Computerspiele. Doch es gibt längst »ernsthafte« Anwendungen in diversen Fertigungsunternehmen, der Gesundheitsindustrie und in Programmen für Ausbildung und Training. Digital Twins, virtuelle Realität (VR) und Augmented Reality (AR) sind kein Neuland. Einen Metaverse-ähnlichen Ansatz gab es ebenfalls schon vor zwei Jahrzehnten: »Second Life« ist eine von »Avataren« bevölkerte Digitalwelt, die tatsächlich immer noch existiert [2].

Mit anderen Worten: Der Sprung ins Metaverse ist gar nicht so gewaltig. Die Nutzung erfordert allerdings enorme Computing-Power und einen hohen Energieverbrauch, wie Umweltbewusste gern anmerken. Nun lässt sich Rechnerkapazität auch durch einen Internet-Service-Provider oder einen Cloud-Anbieter bereitstellen, was durch Synergien den Energieverbrauch reduzieren kann und Investitionen in eigene Server-Farmen spart.

 

2. Keineswegs nur eine Parallelwelt

Das Metaverse ist zwar noch im Werden begriffen, aber es hat bereits obligatorische Charakteristika entwickelt: Die virtuelle Umgebung ist dezentral, dreidimensional und immersiv. Es gibt dort eine eigene Ökonomie, »Metanomics« genannt, in der digitale Waren, aber auch reale Produkte, gehandelt werden. Die virtuellen Geschäfte sind 24 mal 7 Stunden geöffnet – für alle.

Es ist heute schon möglich, im Metaverse reales Geld in virtuelle Immobilien (»Lands«) zu investierten. User können auch digitale Wertobjekte wie immaterielle Kunstgegenstände oder nur im Netz existierende Kleider und Sportschuhe erwerben. Zur Besitzübertragung nötig sind »Non-fundable Tokens« (NFTs), auf einer Blockchain basierende Zertifikate. Die haben laut Gartner allerdings schon den »Gipfel der überzogenen Erwartungen« überschritten. Virtuelle Traumwelten werden wohl doch nur einen Teil des Metaverse ausmachen.

 

3. Blockchain als Enabler für Metanomics

Um im Metaverse anfallende Rechnungen zu begleichen, werden sich neben Kryptowährungen wie Bitcoin oder Etherium neue virtuelle Zahlsysteme etablieren, beispielsweise »Mana«, »Sand« und ACX, die aus dem Umfeld von Metaverse-Spielen stammen [3]. Sie folgen dem Mechanismus der verteilten Buchhaltung (Distributed Ledger), wie er in der Blockchain umgesetzt ist. Ihnen haftet allerdings der Makel extremer Volatilität an.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg wollte unter dem Namen DIEM eine eigene Meta-Währung lancieren. Ihr Wert sollte sich am US-Dollar orientieren und damit »stabil« sein. Allerdings scheiterte das Projekt am Veto der amerikanischen Bankbehörden. Der Zusammenbruch der Kryptobörse FTX hat aktuell auch nicht gerade zum Vertrauen der Wirtschaft in die virtuellen Währungen beigetragen [4].

 

4. Nutzerzentrierte Identität

Das Metaverse eröffnet Chancen auch für etablierte Unternehmen. Wer sie nutzen will, muss aber die eigenen Geschäftsmodelle völlig neu denken. Menschen, die bereit sind, Geld für virtuelle Gegenstände auszugeben, wollen anders angesprochen werden als konventionelle Zielgruppen. Die etablierten Kundenbindungsinstrumente, allen voran Loyalty-Programme, funktionieren hier nur mit größeren Anpassungen. Hinzu kommt, dass die Identität der Kundinnen und Kunden nicht mehr eindeutig bestimmbar ist.

Es wird mit Sicherheit nicht nur ein Metaverse geben, sondern verschiedene Ökosysteme, die – so bleibt zu hoffen – durchlässig sind für die Nutzenden und für übergreifende Prozesse. Die Anbieter müssen deshalb sicher sein können, dass eine Kundin oder ein Kunde eindeutig identifizierbar ist. Gleichzeitig gilt es, ihre oder seine Privatsphäre zu wahren. User sollten also selbst bestimmen können, welche Merkmale sie preisgeben, um sich eine digitale, in allen Metaversen gültig Identität zu schaffen. Im Fachjargon ist hier die Rede von »Self-Sovereign Identity« oder SSI. Mit Hilfe der ZKP-Kryptografie (Zero Knowledge Proof) lässt sich dann eine Person identifizieren, ohne dass ihre Merkmale offenbart werden [5].

 

5. Die Rolle von FinTechs und InsureTechs

Neben eindeutigen digitalen Identitäten benötigen Metanomics neutrale Dritte, die das Management interoperabler Prozesse übernehmen. Hier können sich Banken und andere Finanzdienstleister heute schon positionieren. Sie sollten sich rechtzeitig mit Themen wie Blockchain und Distributed Ledger, »Krypto-Wallets« auf der Käuferseite und »Tokenization« nicht materieller Assets beschäftigen. Zusätzlich könne sie aufgeschlossene Zielgruppen ansprechen, indem sie ihre Online-Auftritte um VR- und AR-Elemente bereichern.

Die Metanomics bergen bislang unbekannte Risiken, beispielsweise Identitätsdiebstahl, Cyberangriffe auf Architekturen und Assets, die schwankenden Werte der Kryptowährungen und Verlust von virtuellem Eigentum oder NFTs. Mit diesen neuen Risk-Management-Themen sollte sich zum Beispiel die Versicherungsbranche, vor allem die »InsurTechs«, möglichst bald auseinandersetzen. Erst wenn es Lösungsansätze für diese Probleme gibt, werden die Aufsichtsbehörden erwägen, ihre bisherigen Bedenken fallenzulassen.

 


Srikumar Ramanathan,
Senior Vice President,
Mphasis

 

 

[1] https://icg.citi.com/icghome/what-we-think/citigps/insights/metaverse-and-money_20220330 
[2] https://secondlife.com/ 
[3] https://bitcoin-2go.de/decentraland-sandbox-allzeithoch-metaverse-coins/ 
[4] https://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/devisen-rohstoffe/digitalwaehrungen-ftx-kollaps-schuert-angst-vor-weiteren-insolvenzen-im-krypto-sektor/28824144.html 
[5] https://www.blockchain-council.org/blockchain/zero-knowledge-proof-protocol/ 

 

Illustrationen: © Andrush, Soponpotsit/shutterstock.com