Verträge des Verstorbenen – was sollte beachtet werden?

Illustration: Absmeier, Pjes

Der Erbfall kann oft sehr unerwartet eintreten. Stellt sich dann nach einer Weile der Alltag wieder ein, versucht man sich um die Nachlassangelegenheiten des Verstorbenen zu kümmern. Doch wie steht es um Verträge, welche der Erblasser einst geschlossen hat? Der Grundsatz des deutschen Erbrechts findet sich in § 1922 BGB. Die zertifizierte Testamentsvollstreckerin Dipl.-Finw. Bettina M. Rau-Franz, Steuerberaterin und Partnerin in der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Roland Franz & Partner in Düsseldorf, Essen und Velbert, weist darauf hin, dass nach dem Tod des Erblassers die sogenannte Gesamtrechtsnachfolge greift, also eine Rechtsnachfolge des/der Erben in das gesamte Vermögen des Erblassers mit allen Verbindlichkeiten, gleichgültig ob die Schulden überwiegen oder nicht.

»Die Erben rücken somit von Gesetzes wegen in die Rechtsstellung des Verstorbenen. Dies hat u.a. den Vorteil, dass sie bestimmte Ansprüche gegenüber Vertragspartnern des Erblassers geltend machen dürfen. Auf der anderen Seite sind die Erben aber auch verpflichtet, etwaige Verbindlichkeiten des Erblassers zu erfüllen, die sich sogar auf einst geschlossene Verträge ausweiten können. Was die jeweiligen Verträge selbst angeht, sollten diese stets individuell beurteilt werden, wobei insbesondere die jeweils einschlägigen allgemeinen Geschäftsbedingungen beachtet werden müssen«, erklärt Testamentsvollstreckerin Bettina M. Rau-Franz.

 

Arbeitsverträge

Bei Arbeitsverträgen ist die Rechtslage eindeutig. Stand der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes in einem Beschäftigungsverhältnis, so endet dieses mit seinem Tod automatisch.

 

Verträge mit laufenden Verpflichtungen (Dauerschuldverhältnisse)

Vorsicht ist geboten bei allen Verträgen mit fortlaufenden Verpflichtungen des Erblassers etwa Zeitungsabonnements, Mobilfunkverträge. Diese bestehen nach dem Tod des Erblassers i.d.R. fort.

Hier ist eine jeweils passende Kündigung durch die Erben notwendig, um weitere Kosten zu vermeiden. Für den Fall, dass ein außerordentliches Kündigungsrecht nicht besteht, sei geraten, bei dem Vertragspartner nach einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages aus Kulanzgründen anzufragen.

 

Wohnmietverträge

Auch der Wohnmietvertrag läuft nach dem Tod weiter. Die §§ 563 ff. BGB ermöglichen es nahen Angehörigen automatisch in ein bestehendes Mietverhältnis einzutreten, um im Erbfall nicht »das Dach über dem Kopf zu verlieren.« Sofern es keine nahen Angehörigen gibt, geht der Mietvertrag automatisch auf die Erben über, wobei sowohl die Erben als auch der Vermieter gem.§ 580 BGB ein Sonderkündigungsrecht haben. Danach können beide Parteien das Mietverhältnis innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung von dem Erbfall und der Erbenstellung der Erben außerordentlich kündigen.

 

Vereinsmitgliedschaften

In der Regel endet die Mitgliedschaft in einem Verein mit dem Tod des Erblassers (soweit die Satzung nichts anderes vorsieht), da es sich hierbei um höchstpersönliche Angelegenheiten handelt. Gleichwohl sollte man den jeweiligen Verein über den Tod des Erblassers informieren.

 

Versicherungen des Erblassers

Bei den Versicherungen sollte jedoch stets differenziert und auf die Vertragsbedingungen geachtet werden. Eine private Krankenversicherung sowie eine Unfallversicherung enden normalerweise mit dem Tod des Erblassers. Anders sieht es aber dann aus, wenn Familienmitglieder ausnahmsweise in der Krankenversicherung mitversichert sind. Diese dürfen, soweit nichts Gegenteiliges geregelt wurde, für gewöhnlich die Versicherung fortführen, müssen dies aber anzeigen. Eine Lebensversicherung endet mit dem Tod des Erblassers als Versicherungsnehmer, so dass die Versicherungssumme an eine bezugsberechtigte Person ausbezahlt wird. Nur wenn kein Bezugsberechtigter benannt worden ist, fällt der Auszahlungsanspruch in den Nachlass des Erblassers und steht dann den Erben zu.

 

»Nach dem Tod des Erblassers sollten die Erben nicht zögern, sondern möglichst schnell die Unterlagen des Verstorbenen überprüfen, zeitnah alle Vertragspartner über den Tod informieren und ggf. eine erforderliche Kündigung vornehmen«, rät Testamentsvollstreckerin Bettina M. Rau-Franz.

 


Testament per Videobotschaft – besser nicht

Auch wenn der lateinische Ausdruck »memento mori« (sei dir der Sterblichkeit bewusst) vielen bekannt ist, mag man sich nicht so wirklich mit dem Thema Tod auseinandersetzen. Allerdings fragt das Schicksal vorher nicht und plötzlich steht man vor einem Erbfall. Die zertifizierte Testamentsvollstreckerin Dipl.-Finw. Bettina M. Rau-Franz, Steuerberaterin und Partnerin in der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Roland Franz & Partner, weist darauf hin, dass sich die Erbauseinandersetzung nach der gesetzlichen Erbfolge gem. §§ 1922 ff. BGB richtet, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung in Form eines Testamentes oder Erbvertrages hinterlassen hat. Soweit ein Testament vorliegt, verdrängt es die gesetzliche Erbfolge und muss vorrangig beachtet werden.

 

Dipl.-Finw. Bettina M. Rau-Franz

»Nicht selten gibt es Erblasser, die auf die Idee kommen, nicht nur ein Testament zu errichten, sondern zugleich eine Videobotschaft für ihre Erben zu hinterlassen, in der sie nicht nur die Erbeinsetzung selbst, sondern weitere Gründe und persönliche Erwartungen näher erläutern. Dieses Vorgehen mag zwar gut gemeint sein, schließlich hat man versucht jedwede Zweifel auszuräumen. Allerdings kann man auf diese Weise für ein heilloses Chaos sorgen«, warnt Bettina M. Rau-Franz.

 

Die Besonderheit im Erbrecht besteht darin, dass Testamente, insbesondere wegen des sogenannten Motivirrtums, dem der Erblasser bei seiner Errichtung unterlegen war, angefochten und beseitigt werden können. Dies ist im normalen rechtsgeschäftlichen Verkehr in der Regel nicht möglich.

So heißt es in § 2078 Abs. 2 BGB, dass eine Anfechtung möglich ist, wenn der Erblasser zu einer letztwilligen Verfügung »durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands« bestimmt worden ist. Solche Motivirrtümer können vielseitig sein, deshalb ist eine abschließende Aufzählung vorliegend unmöglich.

 

Motivirrtümer könnten beispielsweise sein:

  • die Erwartungen des Erblassers, durch die Erbeinsetzung für Frieden in der Familie zu sorgen;
  • Irrtum über das Verhalten der Erben, wie Eintritt in eine Sekte oder kriminelle Vergangenheit;
  • Irrtum darüber, dass der Alleinerbe der leibliche Sohn des Erblassers sei;
  • Irrtum darüber, dass die zum Alleinerben eingesetzte Person mittellos sei, wobei sie in Wahrheit über beachtliches Vermögen verfügt.

 

»Ein derart ›gut gemeintes‹ Video kann im Anschluss viel Angriffsfläche dafür bieten, das vorliegende Testament ernsthaft in Zweifel zu ziehen und ggf. anzufechten. Ergibt sich nämlich eine Diskrepanz zwischen dem Testament und der Videobotschaft, öffnet sich das Tor zur Anfechtung«, erklärt Testamentsvollstreckerin Rau-Franz.

 

Beispiel:

In seinem eigenhändigen Testament vermacht der Erblasser einem seiner drei Söhne einen Oldtimer. In der Videobotschaft erklärt er, er habe dies getan, weil er davon ausgeht, er werde diesen noch mehrere Jahre fahren. Nach dem Erbfall veräußert der Sohn das Fahrzeug, seine Brüder erklären deshalb die Anfechtung.

 

Eine Videobotschaft, in der Bezug auf eine Verfügung von Todes wegen genommen wird, ist daher mit Vorsicht zu behandeln. Sie kann ein rechtmäßig errichtetes Testament niemals ersetzen. Darin geäußerte Wünsche sind rechtlich unbedeutend, denn sie entsprechen nicht den Formvorschriften eines Testaments.

 

»Im schlimmsten Fall kann eine Videobotschaft für sehr viel Verwirrung sorgen und auf diese Weise Grund zur Anfechtung geben. Eben deshalb sollte der Fokus auf ein klares, deutliches und vor allen Dingen formwirksames Testament gerichtet sein. Etwaige Videobotschaften sollten am besten gar keine Bezugnahme auf die Verfügung von Todes wegen enthalten, sondern ausschließlich zur Erinnerung dienen«, rät Testamentsvollstreckerin Bettina M. Rau-Franz.

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