Whitepaper »Normung und Standardisierung bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung«

Einheitliche und insbesondere offene Standards sind essenziell für eine schnellere Verwaltungsdigitalisierung, um Interoperabilität zwischen Systemen zu gewährleisten. Sie tragen so auch entscheidend zur Wechselfähigkeit zwischen Anbietern bei. Die Frage der Standardisierung ist daher zentral für die Stärkung der digitalen Souveränität.

Im vergangenen Jahr hat der DIN-Normenausschuss Informationstechnik und Anwendungen (NIA) das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Projekt »Whitepaper zur Rolle der Normung bei der Digitalisierung der öffent­lichen Verwaltung« ins Leben gerufen [1]. Unter Beteiligung verschiedenster Marktteilnehmer und Stakeholder sollte eine Zukunfts­vision für die Normung in der Verwaltungsdigitalisierung entwickelt und Normungsbedarfe und Umsetzungsvorschläge formuliert werden. Die Open Source Business Alliance wurde in den Projektworkshops von Ingo Steuwer (Univention GmbH) und Thomas Schulte (metaeffekt GmbH) verteten.

Die Open Source Business ­Alliance begrüßt die Initiative und unterstützt und unterzeichnet die im Whitepaper »Normung und Standardisierung bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung« herausgearbeiteten Grundsätze zur Standardisierung. Allerdings hätten aus der Sicht der OSB Alliance an einigen Stellen noch konkretere Positionierungen vorgenommen oder weitreichendere Forderungen aufgestellt werden können.

Eine Open-Source-Referenzimplementierung ist unverzichtbar.Der Grundsatz der Transparenz ist die wichtigste Voraussetzung für die Verbreitung von Standards, und hierzu gehört immer auch eine Open-Source-Referenzimplementierung der technischen Aspekte eines Standards. Die Referenzimplementierung erbringt den Nachweis, dass der Standard in der Praxis nutzbar ist und führt gegebenenfalls sogar zu einer Verbesserung des Standards durch Erkenntnisse aus der Umsetzung der Referenzimplementierung. Zudem bietet eine Referenzimplementierung den Implementierenden eine höhere technische Genauigkeit als eine reine Spezifikation auf dem Papier und stellt auch eine geringere Einstiegshürde dar, weil die existierende Implementierung genutzt werden kann. Nicht zuletzt kann die grundlegende Standardkonformität der eigenen Umsetzung ganz einfach gegen die Open-Source-Referenzimplementierung geprüft werden.

Aus diesen Gründen ist es richtig und wichtig, dass die Forderung nach einer frei zugänglichen Referenzimplementierung in das Whitepaper eingeflossen ist. Die eher unverbindliche Formulierung »sofern dies möglich und angezeigt ist« schwächt diesen zentralen Punkt aber wieder ab und lässt zu viel Spielraum, warum eine Referenzimplementierung dann im Einzelfall für neue oder bestehende Verfahren doch nicht umgesetzt werden kann. 

Das Whitepaper ist hier nicht ausreichend konsequent, wenn Transparenz und Zugänglichkeit zu Standards nur halbgar verfolgt werden, denn zahlreiche proprietäre Bestandsverfahren blockieren eine schnellere Verwaltungsdigitalisierung. Eine nachträgliche Programmierung von entsprechenden Open-Source-Referenzimplementierungen bietet zahlreiche Chancen und Möglichkeiten, wie unter anderem das Beispiel Oparl zeigt – eine Initiative zur Standardisierung des offenen Zugriffs auf parlamentarische Informationssysteme in Deutschland [2]. Es lohnt sich, zukünftig nicht nur bei neuen Entwicklungen, sondern auch bei Bestandsverfahren konsequent in Transparenz und Zugänglichkeit zu investieren.

Standards entfalten nur mit den entsprechenden politischen Rahmenbedingungen ihr volles Potenzial. Die reine Definition von Standards reicht aber nicht aus, es bedarf auch einer Durchsetzung. Neben geringen Hürden bei der Umsetzung (für die der direkte Zugang zur Dokumentation und zu einer Open-Source-Referenzimplementierung durch die Bereitstellung auf Plattformen wie zum Beispiel OpenCoDE elementar ist) müssen die Standards auch regulatorisch verbindlich sein. Hier ist der IT-Planungsrat gefragt, diesen Auftrag durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat einzufordern und durchzusetzen.

Der Erfolg von Digitalisierung hängt nicht zuletzt auch von Rahmenbedingungen ab, die iterative Weiterentwicklung ermöglichen. Das betrifft nicht nur technische Prozesse, wie die Weiterentwicklung von Standards und deren Referenzimplementierungen, sondern auch organisatorische Maßnahmen, wie die Anpassung von Rahmenbedingungen und Verwaltungsvorgaben. Beispielsweise können technische Standards nur dann bundesweit effizient greifen, wenn in allen Ländern und Kommunen für einen Sachverhalt die gleichen Rahmenbedingungen gelten. Das zu erreichen ist eine politische Aufgabe, keine technische. Die schleppende Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes zeigt aktuell deutlich auf, wie schwer die Verwaltungsdigitalisierung ohne diese dringend nötigen politischen Rahmenbedingungen sowie die erforderlichen einheitlichen Standards voran kommt [3]. Hier muss die Politik die nötigen Rahmenbedingungen schaffen.

 


[1] https://www.din.de/resource/blob/892574/d7b5d4241c8 a88b35928393663dc02d5/whitepaper-normung-standardisierung-digitalisierung-oeffentliche-verwaltung-data.pdf 
[2] https://oparl.org/ 
[3] https://background.tagesspiegel.de/smart-city/das-einer-fuer-alle-prinzip-ist-gescheitert