Wissen ist Macht: mit Retrofit auch Altanlagen zentral im Blick

Alle Maschinen, Anlagen und Systeme sind miteinander vernetzt und kommunizieren kontinuierlich – das ist das Ziel der Industrie 4.0 oder auch Smart Factory. Damit dieses Vorhaben erfolgreich ist, ist die Erfassung von Daten aus der Produktionsumgebung unabdingbar. Die Realität zeigt: Viele Unternehmen sammeln Daten, nutzen sie aber nicht; und das, obwohl die Auswertung der gesammelten Daten Auswirkungen auf Effizienz, Kosteneinsparungen und Wirtschaftlichkeit des Unternehmens haben können. Hier gilt die Devise: Wissen ist Macht.

 

Kommentar von Felix Berndt, Business Development Manager for IIoT and Data Centers EMEA bei der Paessler AG:

Sind Maschinen untereinander vernetzt, können sie überwacht und die gesammelten Daten anschließend analysiert werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Daten von einem komplexen SCADA-System mit mehreren Schichten von RTUs, SPS oder HMIs stammen oder von einem Temperatursensor oder einer Wägezelle aus einer Brückenwaage. Alle erzeugten Daten können wichtige Einblicke in beispielweise versteckte Informationen bieten und lassen Muster sowie Trends erkennen. Auch der Zustand und die Leistung einer Anlage kann über die Analyse dargestellt werden. In modernen Produktionsbetrieben ist dieses Datensammeln inzwischen Standard – eine integrierte Telemetrieüberwachung ist oftmals im Einsatz. Doch wie sieht es in älteren Produktionsstandorten aus? Dort werden häufig noch Anlagen betrieben, die bereits einige Jahre oder Jahrzehnte alt sind. Auch in diesen Anlagen sind nützliche Daten verborgen – doch wie lassen sich diese nutzen? Industrial Retrofitting macht’s möglich. Dabei werden ältere Anlagen mit zusätzlichen Sensoren nachgerüstet, um Daten für IIoT-Anwendungen wie Condition Monitoring oder Predictive Maintenance zu sammeln. Diese Sensoren sind von der eigentlichen Produktionsumgebung getrennt – stören die zu überwachenden Maschinen also nicht.

 

Neue Perspektiven gewinnen

Die Nachrüstung und die Modernisierung von Maschinen bringen viele Vorteile mit sich:

  • Je mehr Sensoren implementiert werden, umso mehr Daten lassen sich sammeln. So können zum Beispiel zu hohe oder zu niedrige Temperaturen rechtzeitig erkannt und Ausfälle verhindert werden.
  • Schnelle Implementierung – Das Produktionsumfeld muss nicht geändert werden und kann normal weiterlaufen.
  • Geringe Kosten – Es gibt geringe bis gar keine Stillstandzeiten der Maschinen und einen geringeren Workload für Automation Engineers.
  • Bessere Datenqualität – Generische Sensoren können im Gegensatz zu vorprogrammierten OEM-Lösungen individuell konfiguriert werden. Die Sensornetzwerke lassen sich leicht mit dem IIoT-Anwendungsfall skalieren.

 

Gesammelte Daten nutzen!

Sensoren nur in Maschinen zu integrieren, reicht jedoch nicht aus. Die gesammelten Daten müssen auch analysiert und in verwendbare Informationen umgewandelt werden. Dazu gibt es inzwischen Monitoring-Lösungen, die hardwareunabhängig mit Endpoint- und Gateway-Geräten arbeiten. Um umfassend von einer solchen Lösung zu profitieren, sollte sie über diverse Sensoren für verschiedenste Anwendungsfälle verfügen.

Die Produktpalette der verfügbaren Sensoren umfasst:

  • Landwirtschaft – Bodenfeuchtigkeit und Temperatur
  • Umwelt – Temperatur, Feuchtigkeit, IAQ, Druck
  • Energiemesser – Leistung und Verbrauch
  • Beschleunigung – 3-Achsen-Messung
  • Standortverfolgung – GNS- und GNSS-Verfolgung

 


 

Welche Schritte sind für Industrial Retrofitting notwendig?

 

Industrial Retrofitting ist ein Prozess, bei dem bestehende Maschinen oder Anlagen modernisiert oder erweitert werden, um ihre Leistung, Effizienz oder Sicherheit zu verbessern. Dies kann eine kostengünstige und nachhaltige Alternative zur Neuanschaffung sein, die auch den Bestandsschutz und die Verfügbarkeit der Anlagen erhöht. Doch welche Schritte sind für ein erfolgreiches Industrial Retrofitting notwendig?

 

Der erste Schritt ist eine gründliche Analyse der bestehenden Maschinen oder Anlagen, die einem Retrofit unterzogen werden sollen. Dabei werden die technischen Daten, der Zustand, die Schwachstellen und die Potenziale der Anlagen erfasst und dokumentiert. Außerdem werden die Anforderungen und Ziele des Betreibers definiert, wie zum Beispiel die Erhöhung der Produktivität, die Senkung des Energieverbrauchs oder die Einbindung in eine digitale Umgebung.

 

Der zweite Schritt ist die Planung und Konzeption des Retrofits. Dabei werden die geeigneten Maßnahmen ausgewählt und priorisiert, die den größten Nutzen für den Betreiber bringen. Dies können zum Beispiel der Austausch von veralteten Komponenten, die Nachrüstung von Automatisierungstechnik, der Einsatz von Sensoren und Digitalisierung oder der Ersatz von Werkstoffen durch verschleißfestere Materialien sein. Die Planung umfasst auch die Kosten-Nutzen-Analyse, die Terminplanung und die Beschaffung der benötigten Ressourcen.

 

Der dritte Schritt ist die Umsetzung des Retrofits. Dabei werden die geplanten Maßnahmen an den Maschinen oder Anlagen durchgeführt, wobei möglichst wenig Stillstandzeiten entstehen sollen. Die Umsetzung erfordert eine hohe Fachkompetenz und Erfahrung der ausführenden Mitarbeiter oder Dienstleister, um eine hohe Qualität und Funktionalität zu gewährleisten. Die Umsetzung beinhaltet auch die Inbetriebnahme, die Prüfung und die Dokumentation der durchgeführten Arbeiten.

 

Der vierte Schritt ist die Optimierung und Wartung des Retrofits. Dabei werden die Maschinen oder Anlagen nach dem Retrofit kontinuierlich überwacht, analysiert und optimiert, um ihre Leistung zu steigern oder zu erhalten. Dies kann durch Condition Monitoring, Predictive Maintenance oder Industrie 4.0-Lösungen erfolgen, die eine vorausschauende und präventive Instandhaltung ermöglichen. Die Optimierung und Wartung erfordert eine regelmäßige Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen dem Betreiber und dem Retrofit-Anbieter.

 

Industrial Retrofitting ist somit ein mehrstufiger Prozess, der eine sorgfältige Analyse, Planung, Umsetzung und Optimierung erfordert. Wenn dieser Prozess professionell durchgeführt wird, kann er zu einer deutlichen Verbesserung der Maschinen oder Anlagen führen, die sich in einer höheren Produktivität, Effizienz oder Sicherheit widerspiegelt.