Der Trend zum Quiet Firing gefährdet die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen – Bye-bye Arbeitsmotivation. Chance oder Krise?

Wenn der Diskurs des Fachkräftemangels den inneren Konflikt befeuert.

Diskurse über die »Soziale Auslese«, die es eigentlich ja gar nicht gibt, sind beinahe täglich in den sozialen Netzwerken präsent. Diese »Soziale Auslese« entsteht leider immer noch durch die ungleichen Bildungsbeteiligungen verschiedener Schichten und Klassen der Gesellschaft. Befeuert durch festgefahrene, beinahe antiquiert anmutende Debatten zur Arbeitsmarktreformen und Zuwanderung auf dem Berliner Parkett.

Betriebe, die mit Personalmangel konfrontiert sind und grundlegend einiges überdenken müssen, sollten im Grunde von ihrer Selektion über den Bildungstitel, wo möglich, Abstand nehmen und sich flexibler zeigen.

Diverse Schichten mögen sich, zumindest aus Sicht einiger Recruiter, möglicherweise treffsicherer bewegen, bedienen aber nicht zwingend auch die Arbeitsmotivation. Besonders in Zeiten, in denen Influencer, Coaches und andere verlockende Angebote in den rechtsfreien Raum einiger vermeintlicher Selfmade-Milliardäre laden.

Der breiten Bevölkerungsschicht, genauer der Mittelschicht und unteren Klassen, wird gerne wirtschaftliche Parkettunsicherheit nachgesagt, in fachlicher Unkenntnis und durch fehlende Gegebenheiten, in der sogenannten gehobenen Gesellschaftsschicht mitzuhalten.

Lebst du schon oder arbeitest du noch? Der Klassiker unter den Lockmitteln. Ein Großteil der Bevölkerung muss arbeiten gehen, um sich einen gesunden Lebensstil leisten zu können. Während nur ein geringer Teil, gerade mal 5 % vermögender Bevölkerungsschichten sich eine individuelle Tagesgestaltung, wenn man es so nennen möchte, mit dem nötigsten an Arbeitsaufwand, leisten kann.

Verfolgt man die sozialen Medien, fällt auf, dass junge Menschen braun gebrannt mit Laptop am Strand sitzend, durchaus wichtig wirken, und einer Aufgabe nachgehen, die richtig magic daherkommt. Gearbeitet wird nur dann, wenn es dringend erforderlich ist. Ins Büro, und das noch in festem Anstellungsverhältnis, auf keinen Fall. Das der Sand im Getriebe ordentlich knirschen dürfte, wird da schonmal ausgeblendet. Hauptsache, arbeiten, wann und wo man will und sich auf keinen Fall Vorschriften unterziehen. Teamfähigkeit war gestern. Hat ausgedient. Zumindest, wenn man den Argumenten der »Aussteiger« Glauben schenkt. »Dein Wert ist nicht das Ergebnis deiner Produktivität« ist da zu lesen oder »deine Arbeit ist nicht dein Leben«. Garniert werden solche Aussagen mit Hintergrundbildern, die Urlaubsfeeling erzeugen, mit beruhigenden Klängen, die an Spa und Wellness erinnern. Im Job immer alles zu geben, ist aus Sicht der »Quiet-Firing-Experten« absolut out.

Worum geht es bei dem Trend, einen sicheren Job aufzugeben, alles zu können und niemanden zu brauchen? Geht es um das Setzen gesunder Grenzen, um unbezahlte Überstunden zu kompensieren? Geht es um das Führungsverhalten von Vorgesetzten? Oder verfallen Arbeitnehmer einem modernen Massenphänomen, einem Hype, der die innere Kündigung gezielt erzeugt? Durch das permanente Suggerieren einer ungesunden Betriebspraxis, in der Mitarbeiter angeblich sukzessive der stillen Kündigung zugeführt werden sollen, geraten Menschen nicht nur in einen inneren Konflikt, sondern laufen auf direktem Wege in eine emotionale Abhängigkeit, die ihre Existenz nicht selten aufs Spiel setzt.

Was reizt Arbeitnehmer an diesem Hype? Motive und Beweggründe gibt es zuhauf. Wer träumt nicht von der ersten Million. Der Wunsch nach Unabhängigkeit, endlich sein eigener Herr sein, Selbstverwirklichung und Freiheit sind die Rufe, die laut durch den Äther hallen. In Betrieben höre ich oft, dass Mitarbeiter sich tatsächlich nach mehr Freiheit, im Sinne von Vertrauen und Flexibilität in der Organisation wünschen. Sie wollen mehr Handlungsspielräume, vermissen Anerkennung Seitens der Vorgesetzten. Andere berichten immer wieder über Unzufriedenheit mit ihren Arbeitsbedingungen und damit verbunden, wird ein zu geringes Einkommen bei zu hohem Arbeitsvolumen bemängelt.

Wohlstand, finanzielle Verbesserungen, mehr Freiräume für ganz menschliche Bedürfnisse, wie Familie, Sport und Erholung, sind Anreize, sich abwerben zu lassen. Entsteht zudem der Eindruck, am falschen Platz zu sein, es niemandem Recht machen zu können und wenn die Wertschätzung, das gesehen und eingebunden werden, fehlt, wird die innere Kündigung durch den gepriesenen Überoptimismus, alles zu können, auch auf völlig neuen Pfaden, perfekt angesprochen.

Dass durch Selbstüberschätzung und Überoptimismus, laut einer 2009 von Keith M. Hmielski und Robert A. Baron veröffentlichten Untersuchung, in Form einer Befragung von 207 Unternehmensgründern, die bis dato immer wieder aktualisiert wird, 95 % scheitern, wird rigoros ausgeblendet. Viele, der »Quiet-Firing-Experten« schaffen es nicht, die eigene sichere Existenz aufzubauen, weil der subjektive Grad des Überzeugtseins von der Kohärenz der Geschichte bestimmt wird, die konstruiert wurde, und nicht von der Qualität und Quantität der realen Gegebenheiten, die sie stützen würden. Sorgen Führungskräfte zusätzlich durch Desinteresse an der Leistung des Mitarbeiters oder durch Überdominanz im Führungsverhalten für negative Gefühle, neigen Menschen dazu, Risiken falsch einzuschätzen. Überoptimismus führt naturgemäß zur Verzerrung der Realitätswahrnehmung. Wenn emotionale, kognitive und soziale Faktoren, die überzogenen Optimismus unterstützen, zusammenkommen, sind sie eine berauschende Mischung, die Menschen dazu veranlasst, Risiken einzugehen, die sie meiden würden, wenn sie über die realen Erfolgschancen Bescheid wüssten. Demzufolge sinkt die Arbeitsmotivation.

Eines ist auch klar: Unternehmen überlassen nichts dem Zufall. Es mag Arbeitgeber geben, die Personal auf das Abstellgleis setzen, sich Abfindungen sparen und Kosten senken wollen und einiges dafür tun, Personal regelrecht loszuwerden. Ein Trend oder gar Taktik ist das aber nicht. Eher ein Zeichen für schwaches Führungsverhalten. Unternehmen überlassen nichts dem Zufall und suchen im Falle einer Trennung den aktiven Weg.

Was können Unternehmen gegen den schleichenden Prozess tun? Der Empowerment Leader ist in der Lage, Menschen zu führen, zu steuern, zu motivieren, zu organisieren, Aufgaben sauber zu verteilen, innovativ mit der Mannschaft nach vorne zu denken und gemeinsam Ideen zu entwickeln, die kreative Lösungen hervorbringen.

Der moderne Leader ist Führungskraft, Coach und Mentor zugleich. Anstatt Angestellte zu kündigen, aufgrund eigener Unfähigkeit zur Konfliktbewältigung, spricht die moderne Führungskraft Probleme an und bietet partnerschaftliche konstruktive Lösungen.

Quiet Firing ist keine Katastrophe aber eben auch nicht wirtschaftlich. Es werden unnötig Personalkosten verschwendet, wenn Mitarbeiter beschäftigt werden, die für sie keine erfüllenden Aufgaben übernehmen, und vorhandenes Potential nicht genutzt wird. Führungskräfte können Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens umbesetzen, auf Positionen, in denen der Mitarbeiter sinnvolle und wertvolle Leistungen erbringen kann. Ebenso moderne Arbeitsflächen, wie Open Space schaffen, um Individualität, Kreativität und ein innovatives Miteinander gezielt zu fördern. Es gilt den Mitarbeiter in seinen Bedürfnissen ernst zu nehmen und das Problem in echte Lösungen zu wandeln. Dadurch wird die stille Kündigung zumindest intern nicht auch noch befeuert.

 


Gabi Claudia Stratmann,
Business-Philosophin,
Gesellschaftstheoretikerin,
Autorin

 

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