Digitaliserung erhöht die Nachhaltigkeit: Rechenzentren – zwischen Datenflut und Energieeffizienz

Die voranschreitende Digitalisierung führt zu einem weiter ansteigenden Datenstrom. Aus diesem Grund sind Rechenzentren gefordert, ihre Kapazitäten stetig zu erweitern – gleichzeitig müssen sie immer neue Regelungen zur Energieeffizienz einhalten. Wie die Branche diesen Spagat schaffen wird, erklärt Anna Klaft, Vorstandsvorsitzende der German Datacenter Association.


Frau Klaft, Rechenzentren bilden die Grundpfeiler der digitalen Transformation. Als Vorsitzende der German Datacenter Association müssten Sie eine goldene Zukunft sehen.

Nicht nur die Digitalisierung, auch neue Technologien wie künstliche Intelligenz, autonomes Fahren oder Augmented Reality lassen das Datenvolumen weiter anwachsen. Daher wird sich der Bedarf an Rechenzentren in Zukunft erhöhen, denn hier werden die Daten gespeichert, verarbeitet und weiter übertragen. Gleichzeitig stoßen wir aber gerade in Deutschland beim Ausbau an regulatorische Grenzen. Diese reichen vom Energieeffizienzgesetz auf Bundesebene bis zu kommunalen Vorschriften. In Frankfurt am Main entstehen beispielsweise gerade Leitlinien für den Bau und den Betrieb neuer Rechenzentren.

 

Anna Klaft,
Vorstandsvorsitzende der
German Datacenter Association

 


Welche Kritikpunkte haben Sie am Energieeffizienzgesetz?

Die Branche begrüßt grundsätzlich alle Initiativen für mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Doch Rechenzentren sollten im Kontext der örtlichen Verhältnisse betrachtet werden. Wichtige Standortkriterien sind etwa die Stromverfügbarkeit, Glasfaseranschluss oder die Anbindung an Internetknoten. Daher sind pauschale Mindestwerte für die Abgabe der beim Betrieb der Rechner entstehenden Wärme nicht praxisgerecht. Die Nachnutzung der Abwärme scheitert oft an der fehlenden Wärmenetzinfrastruktur oder an nicht vorhandenen Abnehmern vor Ort.


Hinzu kommen lokale Vorgaben wie in Frankfurt am Main.

Auch hier unterstützen wir die grundlegende Richtung: Die Leitlinien adressieren städtebauliche Aspekte und die nachhaltige Bewirtschaftung der Rechenzentren. Bestimmte Anforderungen widersprechen aber sowohl der Bauleitplanung der Stadt Frankfurt am Main als auch den Vorgaben für kritische Infrastrukturen durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Dazu zählen Zaunhöhen, die Durchwegung mit Parkflächen oder die Mischnutzung durch Arztpraxen, Büros und Parkhäuser. Wir sind gerne bereit, im Rahmen von Arbeitsgruppen zu unterstützen und die Vorgaben im Sinne einer realistischen Umsetzbarkeit anzupassen.


Die Ansiedlung von Rechenzentren wird wegen des hohen Stromverbrauchs kontrovers diskutiert. Wie positioniert sich die Branche hier?

Rechenzentren benötigen viel Strom. Doch eine Studie des Borderstep Instituts zeigt, dass ihr Energiebedarf pro Gigabit verarbeiteter Daten heute zwölfmal niedriger ist als noch vor zehn Jahren. Moderne IT-Komponenten sind oft viel effizienter als ältere Versionen. Zudem setzen große Rechenzentrumsbetreiber häufig ressourcenschonendere IT- und Gebäudeinfrastruktur ein als unternehmenseigene Rechenzentren. Mehr als jeder dritte Anbieter nutzt die eingebrachte Energie sozusagen doppelt, indem die Abwärme für die eigenen Büros genutzt wird.


Eine einfache Lösung für mehr Nachhaltigkeit wäre doch der Einsatz erneuerbarer Energien?

Die Rechenzentrumsbetreiber würden am liebsten ausschließlich erneuerbare Energien nutzen. Dafür müssten sie aber in ausreichender Menge, mit hoher Zuverlässigkeit und zu einem marktgerechten Preis in Deutschland verfügbar sein. Im vergangenen Jahr lag der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch hierzulande jedoch nur bei 46,2 Prozent.


Was müsste für eine bessere Abwärmenutzung geschehen?

Rechenzentren müssten stärker in ein energiewirtschaftliches Gesamtkonzept eingebunden werden. Wie das funktioniert, zeigt ein Beispiel in Frankfurt am Main: Hier wird demnächst ein Quartier mit 1.330 Wohnungen, Kitas, Läden und Gastronomie mit der Abwärme eines naheliegenden Rechenzentrums versorgt. Ein weiteres Projekt planen die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden und der Betreiber Green Mountain in Mainz: Die Abwärme soll ins Fernwärmenetz eingespeist werden. Kühlwasser bezieht dieses neue Rechenzentrum übrigens über den Rhein und die Notstromversorgung decken umliegende Kraftwerke – ein hervorragendes Beispiel für ein nachhaltiges Rechenzentrumsdesign.


Trotz dieser Einzelprojekte: Bedroht die weitere Digitalisierung unsere Umwelt?

Im Gegenteil: Durch Digitalisierung wird die Nachhaltigkeit erhöht. Durch Videokonferenzen entfallen viele umweltschädliche Geschäftsreisen. Selbst die täglichen Fahrten zur Arbeit sind dank Homeoffice nicht mehr nötig. Aber es geht weit darüber hinaus. E-Mails ersetzen den aufwändigen Briefversand, Navigationssysteme zeigen die optimale Route in der Logistik, Industrie-4.0-Prozesse reduzieren Ressourcenverbrauch und Abfall in der Produktion. Daher ist die Gesamtbilanz der Digitalisierung positiv für die Umwelt.


Dennoch gibt es für die Rechenzentrumsbranche in Sachen Nachhaltigkeit noch viel zu tun?

Wir wollen die Nachhaltigkeit beim Bau und Betrieb von Rechenzentren weiter erhöhen. Mehr als 100 Unternehmen und Organisationen haben sich bereits 2021 zum »Climate Neutral Data Centre Pact« (CNDCP) zusammengeschlossen. Das Ziel dieser Selbstregulierungsinitiative lautet, bis 2030 in Europa klimaneutral zu wirtschaften.


Macht die Revision der europäischen Energy Efficiency Directive und das deutsche Energieeffizienzgesetz mit Auflagen für »Klimaneutrale Rechenzentren« die Selbstregulierung der Branche nicht obsolet? 

Seit diesem Jahr wird das Thema Energieeffizienz für die Branche erstmals gesetzlich reguliert. Die Ergebnisse der CNDCP-Arbeitsgruppen – die die Spitzenvertreter der Branche versammeln – können dennoch als Regelwerk für den klimaneutralen Betrieb von Rechenzentren verstanden werden, die als Normen in Gesetze und Richtlinien überführt werden sollten.

Vielen Dank für das Gespräch

 


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