Innovation, digitale Transformation, Agilität, KI und hybride Arbeitsmodelle – Wie bleiben Unternehmen jetzt wettbewerbsfähig?

Die Unternehmen Citrix und TIBCO haben sich kürzlich zusammengeschlossen und sind nun Geschäftseinheiten der Cloud Software Group. Für Saša Petrović die Chance, nun auf zentraleuropäischer Ebene, Kunden bei ihrer digitalen Trans­formation zu beraten und zu unterstützen. Der Director of Account Technology Strategist, DACH Industry bei Citrix, gibt im Interview Einblicke zu Brancheentwicklungen und verrät, wie Unternehmen aktuelle Herausforderungen meistern können.


Herr Petrović, Citrix hat eine neue Studie veröffentlicht, die die Folgen der – weiterhin – hohen Inflation auf die IT-Ausgaben von Unternehmen untersucht. Ein zentrales Ergebnis war, dass Unternehmen im Bereich Innovationen keine Kürzungen vornehmen. Hat Sie das überrascht?

Nein, das hat mich tatsächlich nicht überrascht. Ich spreche mit einer Vielzahl von unseren Kunden über solche Themen und sehe, dass sie eher im Tagesgeschäft Einsparungen vornehmen. Das hat zwei Hauptgründe: Zum einen sind hier die Ausgaben schlicht größer, das heißt, es gibt grundsätzlich mehr Sparpotenzial, das jetzt genutzt wird. Zum anderen sind Innovationsprojekte wichtig, um neue Ideen, Produkte oder Services zu entwickeln und langfristig erfolgreich zu sein. Wer dagegen an der falschen Stelle spart, wird diesen Nachteil später mühsam aufholen müssen.

 

Saša Petrović,
Director of Account Technology Strategist,
DACH Industry bei Citrix

 


Ähnlich scheint es sich mit der Sicherheit zu verhalten – hier planen die Unternehmen sogar eher, ihre Budgets anzuheben.

In den letzten Jahren hat ein massives Umdenken in deutschen Unternehmen eingesetzt. Wenn man in ihre Geschäftsberichte blickt, sieht man, dass sie Security – beziehungsweise potenzielle Lücken und Mängel in ihrer Sicherheitsstrategie – als operatives Geschäftsrisiko betrachten. Damit wird Cybersecurity als das betrachtet, was sie ist: ein entscheidender Bestandteil eines Unternehmens und seines Erfolgs, der sich stetig weiterentwickeln muss. Denn natürlich werden auch die Cyberkriminellen immer besser in ihren Fähigkeiten und Methoden, da gilt es gegenzuhalten und dynamisch auf neue Bedrohungen zu reagieren.

Allerdings sind manche Unternehmen noch nicht genauso konsequent im Hinblick auf ihre interne Reportingstruktur. Oft berichten die Sicherheitsexperten an den CIO oder den CFO. Ich würde aber dafür plädieren, dass Cybersicherheit klar in den Aufgabenbereich des CEOs fällt und sie daher dieser Rolle unterstehen sollten.


Wenn wir auf die weiteren Herausforderungen blicken, vor denen Unternehmen aktuell stehen, was müssen sie tun, um in naher Zukunft wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben?

Auch wenn das Thema inzwischen endlos diskutiert wurde, ist Agilität immer noch das entscheidende Stichwort. Die Lieferketten sind immer noch gestört und ein Ende dessen ist erstmal nicht in Sicht. Unternehmen müssen daher flexibler und variabler werden und Alternativen finden, zum Beispiel indem sie in vermehrt anderen Ländern, etwa Thailand statt China, produzieren.

Damit verbunden ist natürlich, dass Unternehmen ihre digitale Transformation zu einem gewissen Abschluss bringen müssen. Erst wenn sie dieses Ziel erreicht haben, sind sie in der Lage, in der heutigen nativen digitalisierten Welt zu arbeiten und die Vorteile dieser Welt wirklich zu nutzen. Ist das gesamte Geschäftsmodell umgestellt, erhöht sich die Skalierbarkeit und Produktivität eines Unternehmens drastisch, was ihm einen enormen Wettbewerbsvorteil bringt – daher sollten Unternehmensverantwortliche diesen Prozess nicht unnötig herauszögern oder schleifen lassen. Stattdessen müssen sie identifizieren, ob es noch weitere Technologien gibt, beispielsweise digitale Zwillinge, die bei ihnen einen Mehrwert bringen könnten.


Eine große Herausforderung, um nicht zu sagen eine Kata­strophe, ist auch der Fachkräftemangel, oder? Allein im IT-Bereich fehlen derzeit fast 140.000 qualifizierte Fachkräfte.

Sicherlich stellt er viele Unternehmen, innerhalb und außerhalb der IT-Branche, vor Schwierigkeiten. Doch grundsätzlich sehe ich ihn als positives Signal, dass Unternehmen ihre digitale Transformation begonnen haben und weiter vorantreiben, sich also in die richtige Richtung entwickeln wollen.

Und es gibt ja durchaus Möglichkeiten, die Folgen des Fachkräftemangels abzufedern, künstliche Intelligenz, zum Beispiel, kann in vielen Bereichen Mitarbeitenden monotone oder Routineaufgaben abnehmen und dadurch Kräfte für anderes freisetzen. Gleichzeitig steht Unternehmen heute durch die Verbreitung von remote Work ein wesentlich größerer Talentpool zur Verfügung als das früher noch der Fall war. Mitarbeitende müssen nicht mehr in derselben Stadt, oft nicht einmal mehr im selben Land wohnen – gerade im IT-Bereich. Es lohnt sich, den Blick über die bisherigen Grenzen hinaus zu richten.


Allerdings gibt es mittlerweile vielerorts wieder den Trend, dass die Mitarbeitenden in die Büros zurückgerufen werden. Da fehlt eine gewisse Konsistenz, oder?

Ich glaube, dass es in sehr vielen Unternehmen auf ein ­hybrides Modell hinauslaufen wird, bei dem wahrscheinlich die meisten Angestellten zwei oder drei Tage im Homeoffice arbeiten. Ich bin überzeugt, dass es für jede Aufgabe den richtigen Ort gibt, manchmal ist dieser Zuhause, manchmal aber auch im Büro. Das ist auch bei uns so. Wenn ich mit meinem Team kreativ zusammenarbeiten will, machen wir das im Büro, über Videokonferenztools gelingt dies einfach nicht genauso gut. Ich glaube, viele Unternehmen – und auch die Mitarbeitenden selbst – befinden sich gerade in diesem Prozess, herauszufinden, wo welche Aufgabe wie am besten gelöst werden kann.


Können Sie noch etwas zur Digitalisierung in Deutschland sagen? Diese befand sich lange Zeit in einer Art Dornröschenschlaf, ist jetzt aber erwacht. Worauf kommt es jetzt an?

Wir müssen vor allem die hohe Geschwindigkeit beibehalten, mit der Unternehmen praktisch seit Pandemiebeginn ihre digitale Transformation vorangetrieben haben, vorantreiben mussten. Das ist hierzulande nicht immer so einfach, deutsche Unternehmen sind vom Denken und Handeln her doch oft ein gutes Stück konservativer und vorsichtiger als beispielsweise Unternehmen in den USA. Die hohe Bedeutung des Datenschutzes ist ein bekanntes Beispiel hierfür. Doch sie müssen ein Gleichgewicht finden, um international mithalten zu können.


Letzte Frage, zum Thema Cloud vs. On-Prem: Wo geht die Reise in Ihren Augen hin? 

Auch hier ist die Antwort meiner Meinung nach ein hybrides Modell. Natürlich hat die Cloud einige Vorteile und kann Unternehmen einen großen Mehrwert bieten. Wir verfolgen mit unseren Produkten ja auch einen Cloud-first-Ansatz. Und gerade, wenn es um das Thema Skalierung geht, ist die Cloud im Vergleich zu einer lokalen Infrastruktur wesentlich nützlicher. Doch wir wissen aus den Gesprächen mit unseren Kunden auch sehr gut, dass nicht jedes System, jede Anwendung unbedingt in die Cloud muss. Bei stabilen Systemen, die einfach ruhig vor sich hinlaufen, reicht eine On-Premises-Umgebung vollkommen aus – und die Vorteile der Cloud lassen sich dabei oft gar nicht nutzen. Deshalb sollten Unternehmen nicht überstürzt ihre gesamte Infrastruktur verlagern, sondern überlegen, wo welches System, welche Anwendung und welche Daten den größten Mehrwert bringen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 


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